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Re: [InetBib] Ich bin ein Informatiker, AMA



Eine anonyme Frage:

mich würde interessieren, welches Wissen aus dem Informatikbereich
du (aus deiner Sicht) für das Bibliothekswesen besonders wichtig
findest. Vielleicht auch dahingehend, was das für das zukünftige
Berufsbild eines Bibliotheksmitarbeiters bedeutet? Und wie es in
der Praxis Anwendung findet?

Uff! Das ist keine einfache Frage. Hmm ... ich glaube, die
ueberfordert mich. ;-) Auch wenn ich zu vielem eine Meinung habe,
habe ich nicht zu allem Antworten. Aber nun gut, vielleicht fange
ich mal klein und bei mir an:

Welche Faehigkeiten habe ich aus der Informatik mitgebracht, die
mir nun hilfreich sind? (Das ist sehr subjektiv fuer mich selbst
betrachtet.)

Zuerst waere da mein strukturiertes Problemzerlegungsvermoegen. In
der Programmierung geht es staendig darum, zu verstehen wie die
interne Struktur eines Problems ist. Man versucht das Wirrwar zu
ordnen, Konzepte herauszulesen, usw. Ich glaube, dass ich in
dieser Art einiges beitragen kann, wenn Bibliothekare und
Archivare Anforderungen, Probleme und Wuensche schildern.
Informatiker haben diese Faehigkeit vielleicht eher erlernt. Sie
ist wichtig, weil sie massgeblich die Komplexitaet einer
Softwareumsetzung beeinflusst und die wiederum beeinflusst den
Erfolg. Ich glaube, dass sich Nicht-Informatiker schwer tun
Software so zu beschreiben, dass sie erfolgreich umgesetzt werden
kann ... weil sie eben nicht denken wie Informatiker. Andererseits,
wuerde man alles den Informatikern ueberlassen ... nein, besser
nicht! ;-) Wichtig finde ich also die Denkweisen von
Programmierern, wie die an Software herangehen. Wenn die
Bibliothekare das auch lernen koennten, bloss ein Bisschen ...
Man koennte da sicher mit kleinen Projekten in Excel, Access,
Latex, PHP/Perl/Python oder auf Unix-Systemen in der Shell viel
erreichen. Entscheidend ist nur, dass man damit sein eigenes
Mini-Projekt umsetzt und nicht bloss irgend so ein paar
Uebungsbeispiele macht ... weil das bringt kein dauerhaftes
Verstaendnis, wie ich versichern kann.

Dann wuerde ich noch das breite Allgemeinwissen im Bereich IT
anfuehren. Ein bisschen Ahnung von allem zu haben und auf einen
grossen Werkzeugkasten an Prograemmchen zurueckgreifen zu koennen
(siehe meine Antwort auf die Programmempfehlungen zur digitalen
Archivierung). Wenn also die Bibliothek immer digitaler wird, dann
sollten sich Bibliothekare auch immer mehr fuer digitale Themen
interessieren -- so einfach ist das letztlich. :-)

Abschliessend will ich noch die Zusammenarbeit anfuehren. Ich
komme aus der Free-Software-Welt, wo unzaehlige Leute
gemeinschaftlich Software erstellen, verbessern und am Leben
erhalten. Dort im Internet habe ich etwas gelernt, das nirgends
in meinem Studium aufgetaucht, naemlich wie man zusammenarbeitet,
bei all den verschiedenen Interessen, mit all den Konflikten, ...
wie man Demotivation vermeidet und der Motivation Raum gibt. Das
mag nebensaechlich erscheinen (und wird im Informatikstudium auch
dementsprechend wenig beruecksichtigt) und doch glaube ich, dass
gerade dieser Art mein wertvollster Beitrag in meinem momentanen
Projekt ist -- scheinbar etwas sehr Un-Informatisches ... aber
andererseits doch wieder nicht. Ich glaube, dass es viel helfen
wuerde, wenn man in der Bibliotheksausbildung (und ebenso im
Informatikstudium) laengere Zeit in einem Community-Projekt
mitarbeiten wuerde. Das kann natuerlich die Wikipedia sein oder
die Openstreetmap oder eines der grossen Softwareprojekte
(Debian z.B.), die alle auch Bereiche fuer Nichtprogrammierer
haben. Die dortige Kultur kennenlernen, wie man dort mit
Konflikten umgeht, was fuer Beduerfnisse die Beteiligten haben,
wie man sich organisiert ... und irgendwie auch immer das
Thema Motivation, weil dort schliesslich alle freiwillig aktiv
sind, abends, nachts, wenn andere ins Kino gehen.


Nochmal Uff! Ist nun die schwammige Frage schuld, dass ich mich
bei der Antwort so hab treiben lassen? Ich hoffe, es war etwas
Wertvolles fuer euch dabei. Entschuldigt, dass ich mich nicht
klarer und kuerzer gefasst habe.


markus


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