Herr Umstätter,
Ich bin mir ehrlich gesagt nicht so sicher, ob die Bibliotheken auf
das rechtlich dünne Eis geschickt werden (von wem den bitte?), oder ob
sie es nicht - wenn nicht aktiv, dann fahrlässig - selber begehen.
In den Schlichtungsverhandlungen, die ich kürzlich u.a. mit dem
Schweizer Konsortium beim Eidgenössischen Datenschutz- und
Öffentlichkeitsbeauftragten führte, zeigte sich, dass auf Seitens
Konsortium nur ein geringen Verständnis des seit 2006 geltenden
Öffentlichkeitsgesetz auf Bundesebene vorhanden war. Auch bei der
Frage, ob die Subskriptionsverträge nicht den
WTO-Ausschreibungsregelungen unterliegen (d.h. Deklarationspflicht bei
eigenhändigen Vergaben), bestand grosse Unsicherheit. Dass solche
gewichtige Fragen bei dem grossen Einkaufsvolumen des Konsortiums
bislang nicht sauber geklärt wurden, deutet meiner Meinung nach schon
auf langjährige Versäumnisse der Bibliotheken hin.
Immerhin kommen wir der Klärung in der Schweiz etwas näher. Der
Eidgenössische Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragte (EDÖB) hat
den ETH-Bibliotheken kürzlich empfohlen die Beträge offenzulegen:
http://wisspub.net/2014/10/13/intransparenz-bei-den-bibliotheksausgaben-von-schweizer-hochschulen/#update_20_07_2015
<http://wisspub.net/2014/10/13/intransparenz-bei-den-bibliotheksausgaben-von-schweizer-hochschulen/#update_20_07_2015>
-
Und ja, die Meldung des Konsortium Baden-Württemberg zum
Elsevier-Vertrag ist schon ein ziemlicher Kontrast zu der kürzlichen
Meldung aus den Niederlanden wo inzwischen das dritte Angebot von
Elsevier dieses Jahres abgelehnt wurde, weil es zuwenig Entgegenkommen
bezüglich OA beinhaltete:
http://www.vsnu.nl/files/documents/Publications/Factsheets/33_Elsevieropenaccessnegotioationsindeadlock.pdf
<http://www.vsnu.nl/files/documents/Publications/Factsheets/33_Elsevieropenaccessnegotioationsindeadlock.pdf>
Den „herausgehobener Akteur“ den das Land BW in seiner E-Science
Strategie zu Open Access
(https://mwk.baden-wuerttemberg.de/de/forschung/forschungslandschaft/e-science/)
sein möchte, kann ich bei dem verkündeten Elsevier-Deal als
Aussenstehender leider nicht erkennen. Der strategischen Weitblick,
dass das Fortführen von Closed-Access Deals, den
Transformationsprozess zu Open Access massiv behindert und teuerer
macht, scheint in BW, wie leider auch in der Schweiz, nicht vorhanden
zu sein.
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Noch ein Wort zu Nationallizenzen. Wissenschaftliches Publizieren ist
ein internationales Unterfangen. Weshalb schaffen wir es nicht globale
Lösungen dafür zu finden? Das sollte doch weiss Gott hundert mal
einfacher sein, als eine Lösung für den Klimawandel zu finden. Bei
Gold Open Access - welche Nationallizenzen überflüssig machen -
überschneiden sich die Interessen der Bibliotheken stark und sollten
sich bündeln lassen. Bei SCOAP3 haben wir es doch auch geschafft! Es
wäre sehr ineffizient, wenn sich jedes Land, mit Misstrauen auf die
OA-Efforts der anderen, sich weiter den Abschlüssen von
Nationallizenzen hingeben würde. Da kann ich Stephen Curry nur recht
geben: Nationallizenzen sind nicht die Lösung:
http://occamstypewriter.org/scurry/2015/04/08/open-access-a-national-licence-is-not-the-answer/
freundliche Grüsse
Christian Gutknecht
Am 18.07.2015 um 14:58 schrieb h0228kdm <h0228kdm@xxxxxxxxxxxxxxxx>:
Im Prinzip muss ich Dr. Graf leider zustimmen, auch wenn ich die damit
verbundene Diktion ablehne. Es wäre auch interessant zu erfahren, was
die knapp 2.500 Zeitschriften pro Jahr kosten. Denn es geht nach
meiner Auffassung nicht an, dass solche öffentlich relevanten
Erwerbungen geheim gehalten werden. Das führt doch nur zu einer
Unehrlichkeit bei der Preisgestaltung. Bei der Buchpreisbindung achtet
das Verlagswesen möglichst genau auf die Einhaltung, aber wenn es
darum geht, die Bibliotheken gegeneinander auszuspielen, wird heimlich
geschachert. (Divide et impera) Im Prinzip sind Bibliotheken
verpflichtet, mit Hilfe ihrer Kataloge nachzuweisen, was sie für wie
viel Geld erworben haben.
MEDLARS (von der National Library of Medicine) ist ursprünglich
dadurch entstanden, dass der US-Amerikanische Steuerzahler das Recht
hat, zu erfahren, was mit seinen Steuergeldern in der medizinischen
Forschung finanziert wird?
Aus meiner Sicht werden die Bibliotheken damit rechtlich immer weiter
auf dünnes Eis geschickt. Das begann schon damit, dass sie
elektronische Dokumente nicht mehr kaufen, sondern nur noch
Nutzungsrechte erwerben dürfen, und nun geben sie Gelder aus, von
denen niemand weiß, ob die Höhe gerechtfertigt ist, was zwangsläufig
dazu führt, dass Dr. Graf unterstellt, dass hier Elsevier „hofiert“
wurde.
Das begann vor zwanzig Jahren, als ISI den Engländern einen
verlockenden Preis für den elektronischen Science Citation Index
machte, so dass sich immer mehr Länder gezwungen sahen nachzuziehen,
und ihre Bibliothekserwerbungen über Konsortien zu organisieren.
Danach erhielten die Bibliotheken immer mehr Zugriffsrechte, über
deren Kauf sie aber immer seltener entscheiden durften. Außerdem wurde
ihnen diese externen Finanzierungen entzogen, so dass sie permanent
sinkende Etats beklagten, obwohl Elsevier, so weit erkennbar, immer
besser verdiente.
Bezüglich der Nationallizenz wäre auch an GASCO zu denken.
MfG
Walther Umstätter
Am 2015-07-18 14:29, schrieb Juergen Fenn:
Am 18.07.2015 um 13:54 schrieb Klaus Graf
<klaus.graf@xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx>:
<http://www.pr.uni-freiburg.de/pm/interne-nachrichten/zugang-zu-knapp-2.500-zeitschriftentiteln>
Von Open Access ist keine Rede. In den Niederlanden will
man Elsevier boykottieren, hier hofiert man ihn.
http://archiv.twoday.net/search?q=elsevier
Wer heute Lizenzverhandlungen nicht für einen klaren und
eindeutigen Einstieg in Open Access nutzt, hat nichts
begriffen.
Zum einen dies; hilfsweise wäre eine Nationallizenz wünschenswert
gewesen. Und wie kommt es überhaupt, daß hier ein Bundesland sich vom
Rest der Republik abhebt und ausklinkt? Warum wird so ein Vertrag
nicht bundesweit geschlossen?
Viele Grüße,
Jürgen Fenn.
--
http://www.inetbib.de