Lieber Herr Prof. Umstätter,
was für ein Vakuum ist denn hier gemeint? Und wieso muss ich mir schon
wieder die USA vorstellen lassen. Also ich sehe in der Auflösung von
Print-Bibliotheken samt vollständiger Abhängigkeit von irgendwelchen
global Playern der Verlags- und Providerszene keinen Fortschritt. Und
ob das amerikanische Schulsystem samt dessen was da so vermittelt
wird, wirklich vorbildhaft ist...
Bibliotheken als Teil einer öffentlichen und für möglichst viele
zugänglichen Informationskultur und als diejenigen, die verschiedene
Medienformen samt heterogener Inhalte in einen räumlichen und
digitalen Such- oder auch Findraum für ihre jeweilge Nutzerschaft
stellen, garantieren demokratische Teilhabe (die natürlich nicht
umsonst ist, sondern öffentlich und im leistbaren Maße privat getragen
werden muss) und Erhalt von Schrifttum und digitalen Medien als
Kulturgut, auch wenn sie gerade keinen aktuellen wirtschaftlichen
Interessen dienen. Das genau - das Prinzip eines öffentlichen
Dienstes! - steckt in einem solchen Bibliotheksgesetz. Hier geht es um
das Prinzip einer originär verwaltungs- und organisationsrechtlichen
Sicht von Öffentlichkeit, die sich einer "Web3.0-Openness " stellt. So
etwas muss die Politik erkennen... da -- mit Verlaub! - steckt
zuweilen Vakuum. Politiker machen sich häufig genug zum Wegbereiter
irgendeiner fiktiven deutschen Verlagstradition und dienen
internationalen Stakeholdersystemen. Sie sind aber nicht nur für die
Wirtschaft, sondern in erster Linie für das öffentliche Gemeinwesen
zuständig und haben Gesetz zu beschließen die dieses schützen und
mehren.
Ich bin nur ein kleines Bibliotheksmenschlein und bilde mir hier nicht
ein, dass solche Sichten irgendwen interessieren .. aber manchmal
nervts...und es muss raus... ich habe schon mal witzweise geäußert,
ob ich mir nicht eine Geißel kaufen soll, insbesondere als Ausstattung
für Kongresse.. weil kein Berufsstand - so kommt es mir manchmal vor -
sich selber so kleinredet wie das Bibliothekswesen.. unmodern und so.
Und nun widme ich mich wieder dem ganzen damit zusammenhängenden
unmodernen Kleinkram.. Lizenzen, User-Interface, Metadaten..
undsoweiter...
Gruß
-----Ursprüngliche Nachricht-----
Von: Inetbib [mailto:inetbib-bounces@xxxxxxxxxxxxxxxxxx] Im Auftrag von
h0228kdm
Gesendet: Donnerstag, 26. Juni 2014 12:54
An: Internet in Bibliotheken
Betreff: Re: [InetBib] Bibliotheksgesetz Rheinland-Pfalz
Sehr geehrter Herr Jobmann,
zunächst würde auch ich den „Gegenpart“ zu "wirklich moderne
Bibliotheken", nicht so eindimensional sehen. Das heißt, dass wir
natürlich sehr viele und sehr unterschiedliche Ansätze für die
Modernisierung der Bibliotheken beobachten können - schon allein weil
es so viele Spezialisierungen in Stadt und Land gibt. Dass aber dabei
manche Bibliotheken auch Gefahr laufen Irrwege einzuschlagen und
geschlossen zu werden ist inzwischen höchst virulent. Insofern haben
Sie völlig Recht, dass es darum geht die jeweiligen Bibliotheken an
den „Bedürfnissen und Bedarfen ihrer Umgebung“ auszurichten. Das muss
aber vorausschauend geschehen, weil so mancher Bedarf von heute,
morgen keiner mehr ist.
Dass wir uns nicht „nur an technischen Trends“ ausrichten dürfen ist
zwar auch richtig, sie sind es aber die zur Zeit so radikale
Änderungen hervorbringen. Denken Sie nur an die etwas dümmliche, aber
häufige Frage, „Brauchen wir im Internetzeitalter überhaupt noch
Bibliotheken?“
Was Ihren Hinweis auf die Schulentwicklung betrifft, so ist mir klar,
dass gerade Sie dies beurteilen können, und ich meine genau diese
dortigen Veränderungen, die auch für das Bibliothekswesen Konsequenzen
haben werden. In den USA mit ihren vielen Schulbibliothekaren dürfte
eine Anpassung an die veränderten Bedingungen einfacher sein, als in
Deutschland, wo wir in diesem Bereich noch ein gewisses Vakuum
aufzufüllen haben, und das wird nicht über Nacht möglich sein, denn
wenn die Bibliothekare zur Betreuung von "Connected Life Long Learning
Labs"
nicht ausreichend qualifiziert sind, werden sich andere Professionen
darauf stürzen. Man erinnere sich nur daran, wie viel Zeit wir
gebraucht haben, z.B. Onlinerecherchen in die Bibliothekarsausbildung
zu bringen.
Insofern müssen sich eher die Ausbildungseinrichtungen und die
Bibliothekslobbyisten darüber Gedanken machen, als die
Bibliothekspraktiker, die sich ja wirklich mehr an den heutigen
„Bedürfnissen und Bedarfen ihrer Umgebung“ orientieren müssen.
MfG
Walther Umstätter
Am 2014-06-26 11:37, schrieb peter.jobmann@xxxxxxxxxxx:
Sehr geehrter Herr Umstätter,
ein Problem der Weiterentwicklung Öffentlicher Bibliotheken ist die
immer wieder auftauchende Wertung "wirklich moderne Bibliotheken", die
ja immer auch ihren Gegenpart impliziert. Moderne bibliothekarische
Arbeit ist aber doch jene, die sich an den Bedürfnissen und Bedarfen
ihrer Umgebung ausrichtet. An manchen Orten mögen das "Connected Life
Long Learning Labs" sein, anderso nicht. Wir könnten uns aber die
Wertung, die sich immer wieder nur an technischen Trends ausrichtet,
einfach sparen.
Im Übrigen ist auch die Schulentwicklung in Deutschland z.T. mit
großartigen Weiterentwicklungen unterwegs und eben gar nicht so
richtig an einem "begrenzten Spektrum der Schulfächer" orientiert.
Hier muss man einfach nur ein bisschen mit offenen Augen in die
Schullandschaft schauen. Bei der Gelegenheit noch eine Anmerkung, die
sich inbesondere auch auf schulische Belange bezieht: vielleicht haben
wir im bibliothekarischen Raum den falschen Dewey auf unser Schild
gehoben - nicht Melvil ist zukunftsweisend, es ist John Dewey.
Insofern halte ich den Ansatz, solche Bibliotheksgesetzestexte würden
Bibliothekentwicklung blockieren, doch für etwas aus der Luft
gegriffen.
Beste Grüße aus der wirklich modernen Schulbibliothek
Peter Jobmann
--
http://www.inetbib.de