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[InetBib] Kundenorientierung und Marketing. - War: Nur so ne Frage.



Sehr geehrter Herr Jobmann,

beim letzten Diskussionsstrang, der in diese - von Ihnen und Frau Mahrt-Thomsen stets wiederholte - Richtung geht, konnte ich aus Zeitmangel nicht antworten und Herr Eberhardt hat es dankenswerter Weise sehr differenziert gemacht.
http://www.ub.uni-dortmund.de/listen/inetbib/msg50878.html
Da Sie das - nennen wir es einmal "Kunden"-Begriffs-Bashing - hier wiederholen, antworte ich einmal:

Lieber Herr Umstätter, Sie haben die Antwort selbst - mit einem
Augenzwinkern in der Überschrift gegeben: sie sind Kunde. Das
Kundenorientierung als Maßstab das Wohlergehen des Kunden oder der
Kundin hat, ist insbesondere in unserem Berufsstand ein oft
sichtbares Missverständnis.

Kann sein, muss aber nicht. Wenn es - wie von Ihnen in einer anderen E-Mail angeführt - sich lediglich um Wording, um einen bestimmten Jargon insbesondere in der Öffentlichkeitsarbeit, handelt, dann gebe ich Ihnen Recht. Gleichwohl wird aus meiner Sicht hier das Kind mit dem Bade ausgeschüttet. Der Begriff Kunde und die Kundenorientierung ist eng mit dem Marketing verbunden. Marketing, wenn man es nicht nur als PR-Gedöns versteht, ist eine Methode, Dienstleistungen einer Institution/einer Firma zielgerichtet(er) zu konzipieren, als dies mit schwammigen Begriffen wie "Leser/in", "Benutzer/in" oder "Bürger" passieren kann. Das geht schon mit der Bemühung los, Zielgruppen und ihrer Bedürfnisse auszumachen, Dienstleistungen darauf auszurichten und endet mit Evaluation. Ich bete Ihnen hier jetzt nicht den gesamten Marketingzirkel vor. Für mich, in meiner beruflichen Praxis, war diese Sichtweise, die ich aus der OPL-Theorie entnommen hatte, fruchtbringend und ist es heute noch, weil ich zielgerichteter vorgehen kann und vor allem immer wieder neue Zielgruppen entdecke. Das sind alles "Benutzer/innen", ja, es gibt aber unterschiedliche Bedürfnisse, denen ich entsprechen kann, wenn ich das wahrnehme.

> Insbesondere in der Medizin kann man sehr
gut beobachten, dass der Wechsel von Ärztin / Patient zu Arzt /
Kundin auch eine Verschiebung der Maßstäbe zur Folge hat. Sind Sie
Kunde Ihres Hausarztes, bekommen sie andere Behandlungsoptionen
angeboten, als im Falle des Verständnisses als Patient des
Hausarztes.

"Patient/in", "Leser/in", "Benutzer/in" - alles von Ihnen mit einem gewissen Ethos aufgeladene Begriffe. Tut mir Leid, ich habe als Nutzer bzw. Leser nicht selten äußerst unfreundliche Bibliothekare/Biblitohekarinnen kennen gelernt und äußerst unbewegliche Institutionen, was das Dienstleistungsportfolio anbelangt.

Insofern ist die Entwicklung ganz logisch.

Da ist nichts "logisch". Dass bei knappen Ressourcen ursprünglich intendierte Dienstleistungen auf der Strecke bleiben und womöglich nur ein Dienstleistungsjargon statt einer Dienstleistung bestehen bleibt, geschenkt. Ich bezweifle, dass allein durch das Verständnis der Kunden als "Bürger" oder "Benutzer/in" sich der Rahmen an Ressourcen ändert. Eher sorgt Marketing (als Managementmethode, nicht als PR-Ersatz) dafür, dass knappe Mittel zielgerichtet(er) eingesetzt werden.

Vielleicht als letztes: Wenn die Rahmenbedingungen knapp sind und bleiben, macht das Ethos der professionellen Akteure (also Bibliothekarinnen und Bibliothekare) eventuell einen Unterschied aus. Das ist aber nicht einklagbar und - wahrscheinlich sehen Sie das anders - nicht zwingend mit einem bestimmten Begriff "Kunde/Kundin", "Bürger" oder "Leser/in" verbunden. Ich kann mit den Begriffen "Benutzer/in" etc. genauso ein "Gedöns" machen wie mit der Kundenorientierung. Etikettenschwindel findet überall statt und kann nicht mit irgend einer Begriffsregelung vermieden werden!


Mit freundlichen Grüßen

Jürgen Plieninger

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http://homepages.uni-tuebingen.de/juergen.plieninger/

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