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Re: [InetBib] Elsevier zieht Unterstützung für U.S.-Gesetzesinitiative gegen Open Access Mandate zurück
- Date: Tue, 28 Feb 2012 17:47:34 +0100
- From: "Walther Umstaetter" <walther.umstaetter@xxxxxxxxxxxxxxxx>
- Subject: Re: [InetBib] Elsevier zieht Unterstützung für U.S.-Gesetzesinitiative gegen Open Access Mandate zurück
Früher war es völlig klar, worin der Unterschied zwischen einer
prüfungsrelevanten Arbeit ( Diplom, Magister) und einer Dissertation lag.
Im ersten Fall sollte der Absolvent zeigen, dass er in seinem
Wissenschaftsgebiet auf dem neusten Stand ist. Oft wurden dabei auch nur
Disserationen anderer, im Sinne der Selbstkontrolle der Wissenschaft,
überprüft. Absolventen hatten in diesem Stadium also noch nichts an neuen
Erkenntnissen zu publizieren, und darum erschienen den Hochschulen solche
Arbeiten nicht Publikationsrelevant. In der Promotion sollten sie dagegen
zeigen, dass sie neue Thesen aufstellen und verteidigen können. Da das
durchaus brisante neue Erkenntnisse sein konnten, gab es dann noch die
Entscheidung für oder gegen eine vollständige bzw. teilweise Publikation.
Interessanterweise hat in der Diskussion um Guttenberg so gut wie niemand
danach gefragt, was an seinen Thesen neu war und wie er sie wasserdicht
begründet hat. Wenn man bedenkt, wie viel Menschen (insbesondere
Journalisten bei Springer/dpa) heute täglich mit cut and past schreiben,
war die Abschreiberei dagegen geradezu lächerlich. Anders gesagt, wenn
Guttenberg ein paar revolutionäre Thesen aufgestellt hätte, und diese
durch Zitationen hätte untermauern können, wäre das weitaus
wissenschaftsrelevanter gewesen, als die Wortklauberei von Menschen, die
erkannt haben, dass man im Internet bestimmte Wortsequenzen suchen und
wiederholt finden kann. Zur Bewertung einer Dissertation gehört noch etwas
mehr.
Dass heute immer weniger Menschen wissen, worin der Unterschied zwischen
prüfungsrelevanten und wissenschaftsrelevanten Arbeiten liegt, findet
seinen Grund darin, dass sich etliche Professoren und auch etliche
Diplomanden in den letzten Jahrzehnten fragten, warum es ihnen nicht
gelingen sollte, schon bei einer Diplomarbeit etwas neues zu finden. Dazu
gab es sogar früher Prüfungsordnungen, die das berücksichtigen konnten, so
dass jemand seine Diplomarbeit begann, und der Betreuer plötzlich
erkannte, dass die Arbeit das Niveau einer Dissertation hatte.
Ansonsten schreiben heute immer mehr Studierende und Schüler ihre
Klausuren (Prüfungsarbeiten) am PC zu bestimmten Themen, sollen die dann
auch alle publiziert werden, damit wir in Zukunft sehen können, ob da
jemand falsch oder gar nicht zitiert hat?
Das ist eine durchaus ernst gemeinte Frage, denn ohne Zweifel ist die
Gefahr des Plagiats in Schulen, die seit Jahrzehnten ähnliche Themen
vorgeben (Mein schönstes Ferienerlebnis. Wie konnte Kant Kant sein? ;-),
noch weit größer als in Hochschulen.
MfG
W. Umstätter
On Tue, 28 Feb 2012 12:10:52 +0100
Wenke Richter <richterwenke@xxxxxx> wrote:
Hallo Herr Ulmer,
Sie schrieben: "Denkbar finde ich eine
Veröffentlichungsplattform, auf
der alle Publikationen, die Primärberichte von staatlich
finanzierten
Forschungstätigkeiten sind (Daten und Auswertungen) sowie
Qualifikationsschriften und Abschlussarbeiten an
staatlichen
Einrichtungen (erst-)veröffentlicht werden müssen."
Bzgl. der Publikation von Abschlußarbeiten wie Bachelor-,
Master-,
Diplom- oder Magisterarbeiten besteht zumindest in meinem
Fachbereich
Geschichte eine große Skepsis, ja auch ein Widerstand.
Nicht jede
Abschlußarbeit aus diesem Bereich ist für die
Veröffentlichung geeignet.
Es sind in erster Linie Arbeiten, die Teil einer
Prüfungsleistung zum
Erwerb eines akademischen Grades sind. In der
überwiegenden Mehrheit
sind es keine publikationsreife Schriften, was sie auch
nicht sein
müssen, da sie - wie gesagt - Teil einer Prüfungsleistung
sind.
Ich kann diese schlichtweg duemmliche Argumentation nicht
mehr lesen. Menschen, die sich wie Steinhauer & Co. an
diesem Fetisch "Pruefungsleistung" festklammern, sollten
sich ueberlegen, dass es volkswirtschaftlich voellig
unsinnig ist, Studierende mit monatelangen
wissenschaftlichen Arbeiten zu beschaeftigen, die dann in
der Schublade landen. Veroeffentlichungswert sind sehr
viele dieser Arbeiten, vor allem wenn sie sich mit wenig
bekannten historischen Quellen befassen. Und Fakt ist: Die
wenigsten dieser Arbeiten werden im Druck (oder online)
veroeffentlicht.
Auch aus Gruenden der Plagiatepraevention ist es
wuenschenswert, dass alle akzeptierten Abschlussarbeiten
(akzeptiert = Qualitaetssicherung!) auf den
Hochschulschriftenservern landen - der Verlust, dass
wichtige Arbeiten unveroeffentlicht bleiben, ist schwerer
zu gewichten als der moegliche Schaden, dass wenig
befriedigende Arbeiten online vorhanden sind. Solange
weitere wissenschaftliche Studien zur Frage ausstehen, darf
ich auf meine nach wie vor massgebliche Ausarbeitung aus
dem Jahr 1989 verweisen:
http://www.db-thueringen.de/servlets/DocumentServlet?id=4165
Klaus Graf
--
http://www.inetbib.de
--
http://www.inetbib.de
Listeninformationen unter http://www.inetbib.de.