On Mon, 1 Aug 2011 11:10:30 +0200
Matthias Ulmer <mulmer@xxxxxxxx> wrote:
Lieber Herr Müller, liebe Liste,
der §51 (Zitat) ist gefährlich, wenn man ihn nicht ganz
eng auslegt. Das mussten wir leider erfahren, als uns
Tageszeitungen abmahnten, weil wir mit kurzen Zitaten aus
Buchbesprechungen für die Bücher geworben hatten.
Dass Sie einmal mein aufrichtiges Mitgefuehl geniessen
wuerden, haette ich nun doch eher weniger gedacht. Wir
sehen ja allenthalben eine ekelerregende Verrechtlichung
und manchmal kommt mir das von mir aufgestellte Graf's Law
in den Sinn: Alles was abgemahnt werden kann, wird einmal
auch abgemahnt werden. Es war doch frueher und ist noch
absolut gang und gaebe, dass Verlage mit solchen Zitaten
geworben haben - wieso auch nicht, wenn sie nicht zu lang
sind? Auch Werbung steht unter dem Schutz der
Meinungsfreiheit und damit kommt Art. 5 GG ins Spiel.
Abgesehen von dem Problem, dass jeder einzelne Auszug fuer
sich genommen die noetige Schoepfungshoehe erreichen muss,
was bei wissenschaftlicher Literatur in aller Regel nicht
der Fall ist. Hier sollten sich die Verlage wehren und die
Rechtslage gerichtlich klaeren lassen, am noetigen
Kleingeld fehlt es ja nicht, wie man an der Klage gegen die
TU Darmstadt sieht ...
Der §51
als Schranke soll die Auseinandersetzung mit dem Werk im
Dienste von Wissenschaft, politischer Meinungsbildung,
Kunst etc. ermöglichen. Dafür ist es aber notwendig, dass
das Zitat so im neuen Werk eingebunden wird, dass es ein
Bestandteil der Argumentation des Werkes wird und das
Werk den Inhalt des Zitates sozusagen weiterentwickelt,
indem es sich damit auseinandersetzt. Das gilt sicher
immer in der Wissenschaft. Aber für den hier genannten
Fall wird das kaum behauptet werden können.
Dem stimme ich tendenziell zu.
Der §57
dagegen scheint mir zuzutreffen und eine Anfrage bei den
Verlagen nicht notwendig.
Die Filmwirtschaft scheint das Thema ernster zu nehmen,
als die Verlage. Zumindest bekommen wir immer mal wieder
eine Anfrage der öffentlich rechtlichen
Rundfunkanstalten, wenn in einem Tatort etwa ein Buch von
uns auf dem Schreibtisch liegen soll oder von einer
Person in der Hand gehalten wird. Offensichtlich geht man
beim Fernsehen davon aus, dass in diesen Fällen der §57
nicht mehr greift, weil das genutzte Werk nicht mehr
vollkommen unwesentlich ist, das Zitatrecht aber nicht
greift, weil eben keine inhaltliche Auseinandersetzung
erfolgt. Deshalb erfragt man die Genehmigung.
Dass das ausschließlich öffentlich rechtliche Sender
machen zeigt aber auch, dass man sich so eine Sorgfalt
leisten können muss. Bei etwas Gelassenheit lässt man die
Anfrage bleiben und Verlag und Autor freuen sich über die
überraschende Verwendung eines ihrer Werke im Film.
Ich zitiere aus der Wikipedia (Artikel Beiwerk):
"Der Gesetzgeber formulierte in der amtlichen Begründung
der 1965 in das Gesetz aufgenommenen Norm:
'Die für den Urheber in diesem Gesetz vorgesehenen
Befugnisse sollen ihm nur ermöglichen, die Verwertung
seines Werkes zu erlauben oder zu verbieten, wenn das Werk
den eigentlichen Gegenstand der Verwertungshandlung
darstellt. Es kommt jedoch vor, daß Werke mehr oder weniger
zufällig als unwesentliches Beiwerk bei der
Vervielfältigung und Wiedergabe anderer Werke erscheinen.
Beispielsweise werden bei der Herstellung von Spielfilmen
oft Szenen von Innenräumen aufgenommen, die mit
urheberrechtlich geschützten Gemälden ausgestattet sind. Da
diese Gemälde zugleich mit dem Film vervielfältigt und
wiedergegeben werden, wäre hierzu die Zustimmung ihrer
Urheber erforderlich. Dies erscheint jedoch nicht
gerechtfertigt, soweit diese Werke nur unwesentliches
Beiwerk im Film darstellen und für die Filmhandlung
überhaupt keine Rolle spielen. In solchen Fällen soll nach
§ 58 die Zustimmung der Urheber zur Verwertung nicht
erforderlich sein. Eine ähnliche Regelung findet sich im
neuen englischen Urheberrechtsgesetz (Copyright Act 1956,
Artikel 9 Abs. 6). Sie ist allerdings auf die Verwertung
von Werken der bildenden Künste im Film und im Fernsehen
beschränkt. Es dürfte jedoch zu einer solchen Einschränkung
kein ausreichender Grund bestehen. Die gleichen Grundsätze
müssen auch bei der Verwertung anderer Werkarten gelten, z.
B. wenn ein Werk der Musik zufällig bei der Aufnahme eines
Reiseberichts für das Fernsehen ertönt und mit dem Bericht
zugleich gesendet wird.'
Das OLG München (NJW 1989, 404) hat aber die Darstellung
eines geschützten Gemäldes in der Abbildung einer
Wohnlandschaft im Prospekt eines Möbelhauses als unzulässig
angesehen."
Man sieht daran sehr schoen, wie sich die Content-Mafia
ueber ihre Justiz-Connection einfach ueber das hinwegsetzt,
was der Gesetzgeber wollte.
Klaus Graf
--
http://www.inetbib.de