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Re: [InetBib] Elsevier Zeitschriftenpreise...
Eberhard R. Hilf schrieb:
Die Bibliothek hat eine nette kleine Hitliste
http://www.ubka.uni-karlsruhe.de/allg/sonstiges/zsabos.html
aufs Netz gestellt ihrer 10 teuersten Zeitschriftenabos.
Sie sind alle von Elsevier.
Was kommentiert die Liste dazu?
- wie fuehren die Bibliotheken eine Preis/Leistungskontrolle durch
(wieviel Artikel pro Jahresabopreis werden im Jahr ausgeliehen, gelesen,
o.ae.). Ich vermute mal, dass diese Zahlen erschreckend gering sind.
Denn die Leser am Orte stammen zumeist aus einem engen Spezialgebiet,
waehrend z.B. NP (Nuclear Physics) einen wirklich riesigen Fachbereich
abdeckt; Für potentielle Leser anderer Gebiete sind aber die Artikel eines
gegebenen Gebietes wenig nuetzlich/verstaendlich/nuetzlich.
- welche Folgerungen ziehen die Bibliotheken aus diesem vermuteten
erschreckenden Preis/Leistungsverhaeltnis?
Na ja, diese Preise kann man zahlen, muss man aber nicht, wenn man
bereit ist, gewisse Durststrecken in Kauf zu nehmen ...
Wir könnten exakt die gleiche Liste ins Netz setzen, mit dem Hinweis
"Unsere 10 teuersten Zeitschriften (nach Listenpreisen), die wir wieder
zugänglich haben, aber *nicht* mehr zahlen müssen :-)
Weil wir uns von diesen Abos nämlich schon vor Jahren getrennt haben,
als Antwort auf eine der zyklisch wiederkehrenden Etatkrisen.
Und weil Elsevier dann, als sie ein paar Jahre später einsahen, dass da
nichts mehr kommen würde, bereit war, uns die (Orwell speak) "Freedom
Collection", die alle abbestellten Titel wieder enthielt, für einen
fairen Preis zu lizenzieren.
Jetzt liegen wir für unsere eigene verbliebene Core Collection inkl. des
Preises der Freedom Collection bei 1,5...2 EUR pro Download. Da gibt es
nichts zu meckern, das liegt in der Größenordnung dessen, was wir für
die Journals der wichtigen Fachgesellschaften (AIP, IoP) zahlen.
Insofern sind wir mit Elsevier hochzufrieden. Ist wie auch sonst im
Leben - Pack schlägt sich, Pack verträgt sich ...
Z.B. hat ja Stevan Harnad vorgeschlagen, solche Zeitschriften durch
'Klick-button'-Dienste zu ersetzen: Der potentielle Leser klickt auf einer
Liste der Neuerscheinungen an, was er gerne lesen will, die Bibliothek
ordert diesen ueber Fernleihe o.ae, und zuvor schickt sie eine email im
Auftrag des Autors und bittet um einen kostenlosen Preprint, den der Autor
natuerlich freudig sendet (er will ja schliesslich gelesen werden), bzw.
prueft automatisiert, ob der Artikel irgendwo OA vorhanden ist.
Es sind solche Leistungen, die Kernleistungen einer wissenschaftlichen
Bibliothek sein sollten:aktive gezielte Beschaffung von Information auf
Verlangen statt (meist vergeblichem) passivem Warten vor dem Ausleihbuch
auf Kunden.
Da gibt es ein paar kleine Probleme mit dem deutschen Urheberrecht, vgl.
$53a Kopienversand auf Bestellung ("Die Vervielfältigung und
Übermittlung in sonstiger elektronischer Form ist ferner nur dann
zulässig, wenn der Zugang zu den Beiträgen oder kleinen Teilen eines
Werkes den Mitgliedern der Öffentlichkeit nicht offensichtlich von Orten
und zu Zeiten ihrer Wahl mittels einer vertraglichen Vereinbarung zu
angemessenen Bedingungen ermöglicht wird.") und der Frage, was
angemessen ist. Sie dürfen auch nicht übersehen, dass wir uns mit §53a
bei den Schranken des Urheberrechts befinden. Schranken sind im Prinzip
Ausnahmetatbestände, die dürfen aber nicht so angewandt werden, dass Sie
darüber systematisch Zeitschriftenabos substituieren.
Zu Harnads "Request a print button" und ähnlichen Vorschlägen hat sich
Klaus Graf mit wünschenswerter Deutlichkeit schon wiederholt auf
Archivalia geäußert, vgl. z.B. http://archiv.twoday.net/stories/5193609/
ebenso zu seinen persönlichen Erfahrungen, wie groß denn die
Antwortquote bei solchen Anfragen ist.
Gezielte Beschaffung von Informationen auf Verlangen ist ja gut, aber
staatlich organisierte Bettelei der Bibliotheken bei den Autoren wiss.
Aufsätze halte ich für ein vollkommen absurdes Szenario, bei dem sich
zudem die Frage von Aufwand und Nutzen (Kosten für hinreichend
qualifiziertes Personal!) stellt. Und Ihr Bild vom Bibliothekar/der
Bibliothekarin ist ja wohl dermaßen verstaubt, dass es einem den Atem
verschlägt. Wir werden hier von Studis überrannt, die alle wieder in die
Bibliothek kommen, um da zu lernen und zu arbeiten. Und statt wildfremde
Autoren anzuschreiben und zu belästigen und von ihrer Arbeit abzuhalten
(die sind nämlich allenfalls auf Kontakte mit anderen Wissenschaftlern
scharf, nicht aber auf solche mit desparate librarians, die womöglich zu
faul sind - ich übertreibe um der Zuspitzung willen! -, anständige
Lizenzen zu verhandeln und das nötige Geld dafür einzuwerben), nutzen
wir professionelle Lieferdienste, verhandeln wir Campuslizenzen,
Konsortiallizenzen, Nationallizenzen (wenn's sein muß, auch für
Deutschland, Österreich und Schweiz zusammen) und versuchen unsere
eigenen Wissenschaftler dazu zu bringen, ihre Sachen open access zu
stellen (nach dem Motto "quid pro quo"). Was nicht heißt, dass wir nicht
im Einzelfall, wenn's schnell gehen muß, alle Register ziehen und alle
bürokratischen Hürden links liegen lassen (da ist eine Hilfemail an
PAMNET aber alle mal schneller als eine Mail an den Autor).
Automatisiert geprüft werden ob evtl. OA vorhanden, kann bei allen
Angeboten mit Metadaten nach OpenURL Standard im Rahmen einer normalen
Verfügbarkeitsrecherche, wie sie viele Bibliotheken für zahlreiche
Datenbanken anbieten, z.B. durch Abfrage von OAISTER bzw. BASE. Das
sollte weiter ausgebaut werden, gar keine Frage.
Das hiesse aber, gerade solche riesigen Sammelsurien wie NP von
Fachzeitschriften aus weit verzweigten Fachgebieten nicht mehr passiv
gedruckt vorzuhalten, sondern aktiv auf Anforderung vom Leser zu besorgen
und hierzu alle technischen Wege zu begehen.
Gedruckt sowieso nicht mehr, das sollte in der Physik doch längst out
sein, bei uns jedenfalls ist es das. Aber der Leser will eigentlich
nichts über die Bibliothek anfordern, sondern es über die Bibliothek
(die dabei bisweilen ganz unsichtbar bleibt, was die Finanzierungsträger
zu falschen Annahmen führen kann) gleich lesen können. Wenn der Preis
stimmt, oder sowieso alles open access ist, dann ist der von der
Bibliothek oder der Wissenschaftscommunity organisierte campusweite oder
weltweit freie Zugang eindeutig die bessere Alternative.
Nach meiner Kenntnis kostet dies die Bibliothek nur 10% der Abo-Kosten.
Hinzu kommt: gerade in der Kernphysik (also NP) hat fast jeder Autor auf
dem Institutsserver oder auf dem zentralen ArXiv einen Preprint online
verfuegbar, aktueller, online.
Dann doch lieber gleich Open access publizieren, gerade für die
Kernphysik (SCOAP3), denn es lässt sich nicht wegdiskutieren, dass die
Autoren nach wie vor die Reputation einer Publikation in angesehenen
Zeitschriften brauchen, die als Qualitätsfilter fungieren, wie auch
immer die sich finanzieren. Elsevier laufen die NP-Autoren ohnehin schon
in Scharen davon, die Zahl der Einreichungen ist in den letzten 4 Jahren
um 30-50% gesunken, sodass Elsevier gezwungen war, die Preise zu senken.
Die Science Community ist also durchaus lernfähig, was ich als
Bibliothekar, der in dieser Hinsicht viel Kummer und Unverständnis
gewöhnt ist, ermutigend finde.
Eine Aussage wie die, dass die Organisation von Dokumentlieferung die
Bibliothek nur 10% der Abo-Kosten kostet, lässt sich nicht pauschal
treffen, sie ist irreführend, weil sie einen verzerrten Eindruck
vermittelt, auch wenn es eine Bibliothek in USA gibt, die das als Pilot
mal durchgezogen hat (allerdings ohne auf Bettelei angewiesen gewesen zu
sein). Die Balance zwischen Versorgung über Dokumentlieferung und
Beschaffung von Abos bzw. Campuslizenzen muss jede Bibliothek für sich
selbst im Dialog mit den Wissenschaftlern, Verlagen und
Unterhaltsträgern finden. Für uns würde bspw. das Umstellen auf
Dokumentlieferung unsere Kosten vervielfachen. Aber ich gebe Ihnen
recht, wenn eine große Bibliothek noch nie Elsevier-Zeitschriften
abbestellt hat, dann mag das so sein ...
Die Alternative ist also: abbestellen und durch aktive Beschaffung
zu ersetzen, oder jammern ueber die Kosten und irgendwann fuer
Passivitaet gescholten zu werden.
Ja, d'accord, aber mit dem Ziel, bei passender Gelegenheit auf
niedrigerer Basis wieder neu aufzusetzen, geschickt zu verhandeln und
dann wieder eine exzellente Literaturversorgung zu angemessenem Preis
bieten zu können.
Schade bloß, wenn die eigene Hochschulverwaltung ein solch effizientes
Wirtschaften mit Bibliotheksmitteln nicht honoriert und erwartet, dass
man nach erfolgreicher Restrukturierung, weg von teuren Einzelabos, hin
zu günstigen Paketen, Beteiligung an Konsortialverträgen etc., die zu
Cost pro Download Werten in der Gegend von 1 - 2 EUR pro Download
führen, ein paar Jahre später meint, man könne wieder mal bei der
Bibliothek sparen und damit Jahre Aufbauarbeit wieder auf's Spiel setzt.
Da fehlt mir das Einsehen, dass Literaturversorgung und Finanzierung von
Open Access an der Quelle als zwei Seite einer Medaille betrachtet
werden müssen und dass die Kosten für die Literaturversorgung nur einen
sehr geringen Anteil der für Forschung und Lehre ausgegebenen Mittel
ausmachen und als Teil der Forschungskosten betrachtet werden sollten.
Wenn wir in Baden-Württemberg einen Solidarpakt haben, der die
Grundmittel der Universitäten seit über 10 Jahren auf gleichem Stand
einfriert, kann eine Dynamisierung irgendwelcher Etats nur aus den
eingeworbenen Drittmitteln kommen. Und aus dem Overhead der Drittmittel
müssen auch die Publikations- und Literaturkosten finanziert werden (die
Diskussion um die Finanzierung von Open Access sollte unbedingt in
dieser Richtung geöffnet werden, denn man kann diesen Aspekt nicht
isoliert betrachten), abgesehen von einer Basisfinanzierung, die gerade
für drittmittelschwache Fächer unerläßlich bleibt. Entscheidend ist
dabei, dass dafür geworben werden muß, dass alle Drittmittel mit dem
nötigen Overhead versehen werden (die DFG war hier Vorreiter) nur so
lässt sich dem Problem einer strukturellen Unterfinanzierung aller
Infrastruktureinrichtungen der Universität begegnen, vor dem alle
Hochschulleitungen stehen. Hier ist die Hochschule im Dialog mit den
Finanzierungspartnern gefordert, nicht die Universitätsbibliothek, die
nur daran appellieren kann, ihr doch etwas von den reichlich sprudelnden
Drittmitteln abzugeben, damit sie ihren Aufgaben gerecht werden kann.
Wir haben in Stuttgart, und das ist typisch für die sogenannten TU9, in
den letzten 10 Jahren einen Anstieg der eingeworbenen Drittmittel um 50%
gehabt, trotzdem hat unsere Bibliothek heute einen niedrigeren Etat als
vor 10 Jahren! (Unsere "Peers" unter den TU9 waren da einsichtiger und
haben die Bibliotheksetats in dieser Zeit deutlich erhöht.) Wenn wir
dafür bis vor kurzem noch eine wirklich exzellente Literaturversorgung
bereitstellen konnten, die jetzt vor die Hunde zu gehen droht, dann ist
das angesichts der Preissteigerungen vor allem bei den Zeitschriften nur
einer enormen Effizienzsteigerung in der Literaturversorgung zu
verdanken, wie sie erst seit dem Vordringen elektronischer Medien
möglich war.
Eine gut ausgestattete Bibliothek mit einem breiten Angebot
elektronischer Ressourcen, die direkt am Arbeitsplatz genutzt werden
können, trägt nicht nur zur Verbesserung von Forschung und Lehre bei,
sondern steigert auch die Wettbewerbsfähigkeit der Universität.
Bibliotheken im Verbund mit Rechenzentren als Kommunikations- und
Informationszentren, die innerhalb ihrer Institution als exzellent
wahrgenommen werden und eine positive Außenwirkung entfalten, tragen
ganz erheblich zur Reputation ihrer Hochschule bei. Quantität und
Qualität der Bibliotheksausstattung und ihrer Dienstleistungen sind ein
wichtiger Standortfaktor, wenn es darum geht, exzellente Wissenschaftler
für unsere Universitäten zu gewinnen und langfristig an sie zu binden.
Unzureichend ausgestattete Bibliotheken behindern die Arbeit von
Wissenschaftlern. Jeder Drittmittelantrag erfordert heute die
ausführliche Darstellung des aktuellen Stands der Forschung und bedarf
daher einer Literaturrecherche. Jeder zusätzliche Aufwand in der
Antragsphase durch fehlende Recherchemöglichkeiten oder umständliche und
langwierige Literaturbeschaffung bedeutet Zeitverlust und einen
empfindlichen Wettbewerbsnachteil. Zur Evaluierung der
wissenschaftlichen Exzellenz werden zunehmend bibliometrische Daten
(Veröffentlichungen in referierten Zeitschriften, Impactfaktoren,
Zitierungen etc.) herangezogen. Erfolgreich veröffentlichen kann aber
nur, wer auf dem aktuellen Stand der Forschung ist und schnellen Zugriff
auf die aktuelle Forschungsliteratur hat. Anträge wie Veröffentlichungen
müssen neben der laufenden Projektarbeit erledigt werden, Zeit ist also
besonders kostbar. Untersuchungen an amerikanischen Universitäten haben
ergeben, dass der Return on Investment (ROI) bei Ausgaben für
Bibliotheken hinsichtlich der eingeworbenen Drittmittel mehr als 4$ für
jeden in die Bibliothek investierten Dollar betrug. Dies berücksichtigt
noch keine Beiträge der Bibliothek zum ROI von Forschung und Lehre oder
zum ROI für Einkommen aus Studiengebühren, Patenten und
Technologietransfer, stellt also bloß eine untere Grenze dar.
Bibliotheken sind angesichts des erhöhten finanziellen Drucks auf die
Hochschulen besonders schutzbedürftig, da die Erwerbungskosten generell
stärker als die allgemeine Inflation anwachsen und die Aufgaben und
Funktionen von Hochschulbibliotheken immer differenzierter werden. Da
die Bibliothek nur einen sehr kleinen Teil des Hochschulbudgets
absorbiert (ca. 1%), ist andererseits der Beitrag der Bibliothek zum
Erfolg ihrer Hochschule in Relation zu ihren Betriebskosten
überproportional hoch, was für gezielte Investitionen zur
Qualitätsverbesserung genutzt werden sollte. Wenn Hochschulleitungen
ihre Bibliotheken am ausgestreckten Arm verhungern lassen, dann ist das
sicher keine kluge Strategie. Und dass ein Professor emeritus, den ich
(wie er weiß) im übrigen sehr schätze, gerade auch wegen seiner
vielfältigen Verdienste um Open Access und die
Wissenschaftskommunikation vorschlägt, die Bibliotheken sollten es doch
mit Bettelei versuchen, statt seine Fachkollegen und Hochschulleitungen
aufzufordern, die Bibliothekskosten als Teil der Forschungskosten zu
betrachten und in ihrem eigenen Interesse für einen vernünftigen Etat zu
sorgen, ist ein trauriges Menetekel dafür, wie tief wir schon gesunken
sind.
Herzliche Grüße, Ihr
Bernd-Christoph Kämper,
UB Stuttgart, Fachreferent für Physik, Astronomie und Luft- und
Raumfahrt, Koordinierung elektronischer Ressourcen, Konsortien en gros
et en detail ...
Auf Widerspruch freut sich
Eberhard R. Hilf
.................................................
Eberhard R. Hilf, Dr. Prof.
Geschaeftsfuehrer (CEO)
Institute for Science Networking Oldenburg GmbH
an der Carl von Ossietzky Universitaet
Ammerlaender Heerstr.121, D-26129 Oldenburg
ISN-Home: http://www.isn-oldenburg.de/
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ISN ist unter HRB5017 im Handelsregister beim
Amtsgericht Oldenburg (Oldb.) eingetragen.
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