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Re: [InetBib] Bundestag: Petition zu Open Access
- Date: Tue, 10 Nov 2009 14:11:06 +0100 (CET)
- From: "Eberhard R. Hilf" <hilf@xxxxxxxxxxxxxxxx>
- Subject: Re: [InetBib] Bundestag: Petition zu Open Access
lieber Herr Ulmer,
Ihre Fragen sind einfach zu beantworten.
finanzielle Folgen. Sie müssten sämtliche Veröffentlichungen von
Mitarbeitern Ihres Instituts sofort bei Veröffentlichung - egal wo
und in welcher Stückzahl - für alle Bundesbürger zugänglich machen.
Stueckzahl? Wir reden doch bei Open Access nur von einer digitalen Kopie
eines wissenschaftlichen Werkes.
Das müsste sich dann ehrlicherweise auch auf alles beziehen, was
bisher nur in Intranets veröffentlicht wird.
Wir reden nur von wissenschaftlichen Werken, das sind eben solche, deren
Inhalte von externen Wissenschaftlern gelesen werden soll(t)en, damit die
Forschung vorankommt. Hauspost gehoert nicht dazu.
Und eigentlich muss das dann auch für Lehrbücher gelten?
Kluge Verleger haben ja auch den finanziellen Wert von
Hybridpublikationen erkannt. Das kommt also von selbst.
Lehrbuecher sind i.a. keine wiss. Werke. Dass sich OA Lehrmaterialien
und vor allem Hybrid-Lehrmaterialien rasant ausbreiten, hat praktische
Gruende: Man kauft nur ein teures Lehrbuch, wenn man es in Ruhe checken
konnte.
Problematisch wären wohl Publikationen, bei denen die Verfasser
teilweise öffentlich bestallt, teilweise aus der Wirtschaft kommen.
Nee. Wissenschaftliche Publikationen sind wissenschaftliche Publikationen.
Die sollen von unbekannten weltweit verteilten Dritten gelesen werden, im
Gegensatz zu proprietaeren kommerziell-wirtschaftlich-Ruestungsinformationen.
Und gleiches gilt bei Publikationen, die deutsche öffentliche
Wissenschaftler gemeinsam mit internationalen machen.
nee, kein Problem. Seit 1965 publiziere ich mit international verteilten
Kollegen. Immer wurden diese Arbeiten von meinen Kollegen und mir jeweils
auf dem eigenen Institutsserver open access gelegt, erst per Papier,
spaeter online. Die dann gemeinsam betriebene Publikation in einer
kommerziellen Zeitschrift blieb davon unbeschadet. Nie hat auch nur ein
Verleger gegen dieses Open Access first, publish then auch nur einen
Einwand gehabt, Springer nicht, Elsevier nicht, Wiley nicht etc.
Oder was ist mit Publikationen
deutscher Wissenschaftler bei > internationalen Zeitschriften?
dasselbe. Nie ein Problem gewesen.
Und eigentlich muss das auch für Übersetzungen gelten, also wenn
deutsche öffentliche Wissenschaftler irgend etwas übersetzen, dann
müsste das auch öffentlich zugänglich sein?
Das ist Sache des Autors. Der Uebersetzer ist ja nicht der
Urheberrechteinhaber.
Auf den ersten Blick sieht es für mich so aus, als ob damit der
deutsche Wissenschaftsmarkt vom internationalen abgekoppelt würde,
umgekehrt: im Moment beginnt sich der deutsche Wissenschaftsmarkt vom
internationalen abzukoppeln, weil er nicht genuegend Zugang zu den
wissenschaftlichen Werken der Welt gewaehrt, weil er die Studenten
schlechter
ausbildet (weniger Zugang zu Literatur, im Unterschied etwa zum fair use
in USA), weil der Boersenverein den Gesetzgeber weiter draengen will,
diese Abkoppelung zu verschaerfen.
Wer die neueste Studie zum Zitieren kennt, weiss, dass OA zugaengliche
Arbeiten, egal in welchen streng referierten Zeitschriften sie publiziert
werden, doppelt so oft zitiert werden, wie nicht OA.
> weil vermutlich Publikationen von deutschen Wissenschaftlern in
internationalen Zeitschriften kaum mehr angenommen würden
das Gegenteil ist und war immer der Fall: je bekannter die eigenen
Arbeiten (so sie gut sind), mehr Anfragen zu gemeinsamen Publikationen
bekomt man, und wie gesagt, alle! solche Arbeiten, an denen ich beteiligt
war, wurden von den internationalen Zeitschriften angenommen.
Mehr noch: die prestige-traechtigsten auf dem Markt verlangen/empfehlen
sogar, dass die Autoren vorher die Arbeit in Kopie aufs Netz legen.
gemeinsame Forschungsteams nicht mehr gemeinsam publizieren würden.
s.o.
Auf dem Lehrbuchmarkt würden Lehrbücher zum größten Teil wohl weg
fallen, teilweise würde man noch stärker als heute auf amerikanische zurück
greifen.
Das umgekehrte ist der Fall, Lehrbuecher, die nicht hybrid sind, fallen
zurueck. Zu Recht, deren Verlage haben das Internet und die Anforderungen
der Wissenschaft nicht verstanden.
Lieber Herr Ulmer, Ihre zahlreichen Bedenken in Ehren, aber sie zeigen
mir, dass die Publikationen Ihres Verlages nicht zum Kern der
internationalen Wissenschaftsszene gehoeren. Aber ich kann das als
Physiker nicht beurteilen. Jedenfalls: in meinem Fach ist die Szene wie
beschrieben. Ihre Bedenken decken auch nicht ansatzweise die Wirklichkeit
ab,- die erprobte, international uebliche und den Anforderungen der
Wissenschaft entgegenstrebende Wirklichkeit.
Mit freundlichen Gruessen Eberhard Hilf
P.S.: kleine persoenlich Nachfrage: haben Sie inzwischen den Auftrag
gegeben, die derzeit noch 197 sprachlichen Inkorrektheiten auf Ihrer
Verlagswebsite zu berichtigen? [firefox>view>source]. Denn sprachliche
Korrektheit ist der Kern einer Verlagsleistung, dazu gehoert nun auch die
sprachliche Korrektheit des Source-Code.
--
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Listeninformationen unter http://www.inetbib.de.