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Re: [InetBib] Elektronischer Leseplatz und Recht auf Privatkopie



Sehr geehrter Herr Eberhardt,

mehr von diesen guten Nachrichten bitte! Ich bin in der Stimmung solche Strohhalme zu ergreifen und an die wunderbare Vermehrung der Buchumsätze durch digitale Angebote zu glauben. Ich verspreche auch mich durch alle Links von Herrn Graf durchzuarbeiten (und dann ehrlich meine Meinung, pardon: Latrinenparole, dazu abzugeben).

Bei den genannten Zahlen brauchen Sie sich aber um die Verlage keine Sorgen zu machen. Wenn das deutsche Verlagswesen im Durchschnitt eine Umsatzrentabilität von 5% hätte, dann wäre das eine Traumbranche. Leider sind solche Zahlen nicht der Durchschnitt. Und Meldungen von ganz gigantischen Riesengewinnen aus Wissenschaftskonzernen muss man sich auch zwei Mal ansehen. Da wird von Journalisten dann gerne Kapitalrentabilität mit Umsatzrentabilität verwechselt und den Lesern sensationslüstern das operative Ergebnis verkauft, als sei´s das steuerliche oder gar der Bilanzgewinn.

Eine Halbierung des Marketingbudgets bekommt wohl niemand hin. Ein großer Teil des Budgets wird durch Positionen ausgefüllt, die nicht titelbezogen sind, etwa Gesamtverzeichnis, Vorschauen, Buchmessen, Fachmessen, Kongresse usw. Und auf diese meint man nicht verzichten zu können.

Zum Leseplatz: so wie Sie sich das wünschen war es ja in den Gesprächen von Börsenverein und DBV angedacht. Aber der Gesetzgeber hat das dann anders formuliert.

Herzliche Grüße
Matthias Ulmer

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Verlag Eugen Ulmer
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Am 03.04.2009 um 14:22 schrieb Joachim Eberhardt:

Sehr geehrter Herr Ulmer,

wenn ich diese Zahlen lese, bekomme ich Sorge um die deutschen Verlage. Aber ich hätte einen einfachen Tipp, um den Gewinn zu verdoppeln! Reduzieren Sie einfach die Werbung um die Hälfte. Die hat schließlich längst nicht die Bedeutung, die ihr gerne nachgesagt wird. Dann würden am Ende 10% als Ergebnis verbleiben statt 5%! ;-)

Zum Thema Leseplatz:
Hätte die Urheberrechtsänderung den Bibliotheken erlaubt, die Online-Version in Campusnetzen (+VPN) statt auf extra eingerichteten Leseplätzen zugänglich zu machen, dann wäre der Wunsch danach, sich dies und jenes zu kopieren, vielleicht nicht so groß.

Und zur Frage Geld und Elektronische Version:
Bei uns ist zu beobachten, dass lizenzierte elektronische Lehrbücher die Nachfrage in der Ausleihe nach den entsprechenden Druckausgaben in der Lehrbuchsammlung steigen lassen. Das ist auch für uns Bibliothekare "kontraintuitiv", weil das ja bedeutet: geben wir Geld für E-Books aus, kann das dazu führen, dass wir noch mehr Geld für Druckausgaben ausgeben müssen. Ein grässlicher Effekt, finden Sie nicht?

Besten Gruß,

J. Eberhardt (UB Erlangen-Nürnberg)



Matthias Ulmer schrieb, Am 03.04.2009 13:51:
Sehr geehrter Herr Umstaetter,
ich kann Ihnen leider nicht Recht geben. Die Werbekosten liegen nicht in geheimnisvollen Höhen, sondern recht genau auf der von Ihnen genannten Größe von 10% vom Umsatz. Die gesamte Vertriebs- und Werbeleistung liegt bei 20%, die Produktionskosten bei 30%, das Honorar bei 15% und die Kosten für Lektorat und Manuskriptbearbeitung bei 30%, so dass mit Glück bei ausverkauften Auflagen dann 5% als Ergebnis verbleiben. Ich glaube das sind Größen, die bei vielen Verlagen gleich sind. Die Werbemaßnahmen haben längst nicht die Bedeutung, die ihnen gerne nachgesagt wird. Ein Lehrbuch setzt sich durch, wenn es gut ist. Der Erfolg entsteht zwischen Lektor und Autor. Ich kann mit einem schlechten Marketing den Erfolg eines guten Buches vielleicht verhindern. Aber es wird nie gelingen ein schlechtes Buch (zu dem es Konkurrenz gibt) mit dem Marketing zum Erfolg zu bringen. Zum Thema Neuauflagen habe ich mal schnell unsere Titel der vergangenen Jahre angeschaut. Danach liegen zwischen zwei Neuauflagen im Schnitt 4,5 Jahre. (Alle Angaben beziehen sich auf unseren Verlag!)
Schöne Grüße
Matthias Ulmer
Bei Lehrbuechern gibt es ein grosses Problem. Jedes Fach braucht mehr oder minder ein verbindliches Lehrbuch.
Darum hat Herr Steinhauer auch Recht, wenn er schreibt:
"Der Feind des Lehrbuchs ist meiner Meinung nach nicht das elektronische Angebot von Bibliotheken, sondern das selbstgebastelte Skript von Hochschullehrern" Das kann eine Disziplin aber leicht ruinieren, wenn jede(r) Professor(in) und deren Studuierende nur noch die eigenen Texte kennen.

Ein tragfaehiges Lehrbuch kann von einem potentiellen Verlag aber nur durchgesetzt werden, wenn genuegend (meist versteckte) Reklame dafuer gemacht wird. Vor vielen Jahren wurde mal ein Buch der Genetik, dass ich als Student fuer recht duerftig hielt, an entsprechende Professoren verteilt, die es dann rasch zum wichtigsten Lehrbuch erklaerten,
weil sie es ja schon besassen ;-).
Fuer die entsprechende Pruefung war es unabdingbar und damit der Kauf unausweichlich. Hier gibt es wie beim Bier in den Fussballstadien einen vehementen Verdraengungskampf.

Das gilt auch fuer Neuauflagen, da die Marktposition stetig verteidigt werden muss. Ausserdem werden ja erst dann, wenn das Lehrbuch bindend geworden ist, die Fruechte der Reklame geerntet.

Ich wundere mich immer, dass Verleger, wie auch Herr Ulmer mit der Frage: "Wie soll da die Konzeption und Produktion durch Autoren, Verlag, Grafikern, Setzern usw. finanziert werden? Ein neues Lehrbuch kostet im Bereich Naturwissenschaften mindestens 50.000 Euro."

auf die eher marginalen Kosten des Verlags hinweisen, und die Werbungskosten geflissentlich uebergehen. Offiziell werden die zwar meist nur mit knapp zehn Prozent angegeben, aber jeder weiss natuerlich dass, virales Marketing etc. immer wichtiger wird. Darum haben wir doch hier die Diskussion um Twitter, und darum folgen doch die meisten Publikationen in ihrem Bekanntheitsgrad einem Power Law bzw. dem Matthaeus Effekt.

Diejenigen, die meinen, das Verlagswesen sei inzwischen obsolet geworden, verkennen doch nur dessen Bedeutung, weil das Verlagswesen seinen wichtigsten Grund, sein Marketing (warum auch immer), in seiner Hoehe weitgehend verschweigt. Die Realitaet zeigt doch eindeutig den Machtgewinn der groessten Verlage in der Welt. Die power des Power Laws nimmt aber inzwischen beaengstgende Werte an, und ueber diese Monopolisierung sollte das Verlagswesen selbst intensiver nachdenken. Der groesste Feind des Verlags ist der groessere Verlag, und da gibt es nur einen wirklichen Wettbewerb, wenn die Wettbewerbsregeln fair sind. Das sind sie aber immer weniger.

Ich sagte es bereits, so lange Etaterhoehungen in Bibliotheken nur dazu fuehren, dass diese Giganten mehr verdienen, kann man einem Staat nicht raten dort noch mehr Geld zu verschleudern. Er ist zum Open Access schlicht gezwungen, und sollte weitere rechtliche und wirtschaftliche Mittel und Wege finden, daneben die mittleren und kleinen Verlage zu staerken.

MfG

W. Umstaetter




On Apr 3, 2009, at 10:11 AM, Warlich, Hardy wrote:

Hallo Herr Ulmer,

ich arbeite in einer großen Universitätsbibliothek und betreue hier einen Teil der Lehrbuchsammlung. In diesem Haus werden seit Jahrzehnten große Summen für die Aktualisierung der LB-Bestände ausgegeben; zusätzlich zu den gedruckten Ausgaben (wohlgemerkt: zusätzlich) wird seit einigen Jahren in das Angebot von e-books bekannter Anbieter investiert. In diesem Paket
finden sich etliche Parallelausgaben aus unserem Lehrbuchbestand.

Trotz der (legalen, weil vertraglich vereinbarten) Downloadmöglichkeit einzelner e-book-Kapitel haben wir bisher keinen bemerkenswerten Rückgang in der Benutzung der gedruckten Ausgaben feststellen können - die Kundschaft
verlangt zum Lernen nach wie vor Printausgaben.

Was mich jedoch immer wieder ärgert, ist die Praxis vieler Verlage, jährlich vermeintliche Neuauflagen zu immer höheren Preisen auf den Markt zu werfen, bei denen es sich allerdings faktisch um Nachdrucke der Vorgängerauflagen handelt. Hier sehe weniger "Visionen" der Verlage, sondern eher die plumpe Erkenntnis, dass durch entsprechende Nachfrage von Nutzerseite an die Bibliotheken ein Druck aufgebaut wird, diese "Neuauflagen" abzunehmen. Ein
Beispiel für schlichte Geldschneiderei.

Ich glaube, diesen Popanz aufzubauen, dass alle Bibliotheken künftig alle Lehrbücher in einem Exemplar anschaffen, um dieses dann zu digitalisieren und an PC-Arbeitsplätzen zum Download anzubieten, ist völlig unrealistisch. Als Lobbyist ist es zwar Ihr Job, hier aktiv zu werden, doch sollten Sie den Aspekt, dass über die elektronische Nutzung eines qualitativ hochwertigen Titels auch die Printversion beworben wird, stärker berücksichtigen.

Viele Grüße,

Hardy Warlich











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