Bei Lehrbuechern gibt es ein grosses Problem. Jedes Fach braucht
mehr oder minder ein verbindliches Lehrbuch.
Darum hat Herr Steinhauer auch Recht, wenn er schreibt:
"Der Feind des Lehrbuchs ist meiner Meinung nach nicht das
elektronische Angebot von Bibliotheken, sondern das
selbstgebastelte Skript von Hochschullehrern"
Das kann eine Disziplin aber leicht ruinieren, wenn jede(r)
Professor(in) und deren Studuierende nur noch die eigenen Texte
kennen.
Ein tragfaehiges Lehrbuch kann von einem potentiellen Verlag aber
nur durchgesetzt werden, wenn genuegend (meist versteckte) Reklame
dafuer gemacht wird. Vor vielen Jahren wurde mal ein Buch der
Genetik, dass ich als Student fuer recht duerftig
hielt, an entsprechende Professoren verteilt, die es dann rasch zum
wichtigsten Lehrbuch erklaerten,
weil sie es ja schon besassen ;-).
Fuer die entsprechende Pruefung war es unabdingbar und damit der
Kauf unausweichlich.
Hier gibt es wie beim Bier in den Fussballstadien einen vehementen
Verdraengungskampf.
Das gilt auch fuer Neuauflagen, da die Marktposition stetig
verteidigt werden muss.
Ausserdem werden ja erst dann, wenn das Lehrbuch bindend geworden
ist, die Fruechte der Reklame geerntet.
Ich wundere mich immer, dass Verleger, wie auch Herr Ulmer mit der
Frage:
"Wie soll da die Konzeption und Produktion durch Autoren, Verlag,
Grafikern, Setzern usw. finanziert werden?
Ein neues Lehrbuch kostet im Bereich Naturwissenschaften mindestens
50.000 Euro."
auf die eher marginalen Kosten des Verlags hinweisen, und die
Werbungskosten geflissentlich uebergehen.
Offiziell werden die zwar meist nur mit knapp zehn Prozent
angegeben, aber jeder weiss natuerlich dass,
virales Marketing etc. immer wichtiger wird. Darum haben wir doch
hier die Diskussion um Twitter,
und darum folgen doch die meisten Publikationen in ihrem
Bekanntheitsgrad einem Power Law bzw. dem Matthaeus Effekt.
Diejenigen, die meinen, das Verlagswesen sei inzwischen obsolet
geworden, verkennen doch nur dessen Bedeutung,
weil das Verlagswesen seinen wichtigsten Grund, sein Marketing
(warum auch immer), in seiner Hoehe weitgehend verschweigt.
Die Realitaet zeigt doch eindeutig den Machtgewinn der groessten
Verlage in der Welt.
Die power des Power Laws nimmt aber inzwischen beaengstgende Werte
an, und ueber diese Monopolisierung sollte das
Verlagswesen selbst intensiver nachdenken. Der groesste Feind des
Verlags ist der groessere
Verlag, und da gibt es nur einen wirklichen Wettbewerb, wenn die
Wettbewerbsregeln fair sind. Das sind sie aber immer weniger.
Ich sagte es bereits, so lange Etaterhoehungen in Bibliotheken nur
dazu fuehren, dass diese Giganten mehr verdienen,
kann man einem Staat nicht raten dort noch mehr Geld zu
verschleudern. Er ist zum Open Access schlicht gezwungen,
und sollte weitere rechtliche und wirtschaftliche Mittel und Wege
finden, daneben die mittleren und kleinen Verlage zu staerken.
MfG
W. Umstaetter
On Apr 3, 2009, at 10:11 AM, Warlich, Hardy wrote:
Hallo Herr Ulmer,
ich arbeite in einer großen Universitätsbibliothek und betreue
hier einen
Teil der Lehrbuchsammlung. In diesem Haus werden seit Jahrzehnten
große
Summen für die Aktualisierung der LB-Bestände ausgegeben;
zusätzlich zu den
gedruckten Ausgaben (wohlgemerkt: zusätzlich) wird seit einigen
Jahren in
das Angebot von e-books bekannter Anbieter investiert. In diesem
Paket
finden sich etliche Parallelausgaben aus unserem Lehrbuchbestand.
Trotz der (legalen, weil vertraglich vereinbarten)
Downloadmöglichkeit
einzelner e-book-Kapitel haben wir bisher keinen bemerkenswerten
Rückgang in
der Benutzung der gedruckten Ausgaben feststellen können - die
Kundschaft
verlangt zum Lernen nach wie vor Printausgaben.
Was mich jedoch immer wieder ärgert, ist die Praxis vieler
Verlage, jährlich
vermeintliche Neuauflagen zu immer höheren Preisen auf den Markt
zu werfen,
bei denen es sich allerdings faktisch um Nachdrucke der
Vorgängerauflagen
handelt. Hier sehe weniger "Visionen" der Verlage, sondern eher
die plumpe
Erkenntnis, dass durch entsprechende Nachfrage von Nutzerseite an die
Bibliotheken ein Druck aufgebaut wird, diese "Neuauflagen"
abzunehmen. Ein
Beispiel für schlichte Geldschneiderei.
Ich glaube, diesen Popanz aufzubauen, dass alle Bibliotheken
künftig alle
Lehrbücher in einem Exemplar anschaffen, um dieses dann zu
digitalisieren
und an PC-Arbeitsplätzen zum Download anzubieten, ist völlig
unrealistisch.
Als Lobbyist ist es zwar Ihr Job, hier aktiv zu werden, doch
sollten Sie den
Aspekt, dass über die elektronische Nutzung eines qualitativ
hochwertigen
Titels auch die Printversion beworben wird, stärker berücksichtigen.
Viele Grüße,
Hardy Warlich