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Re: [InetBib] Was geht in § 52b UrhG?



Lieber Herr Steinhauer
ich finde die Diskussion auch anregend und aufklärend. Nun ein kleines Schmankerl ( :'( ) am Rande: Sie vermuten hinter dem Fehlen der Bestandsakzessorietät im Regierungsentwurf einen rechtssystematischen Gedanken. Dem ist keineswegs so. Im Referentenentwurf war die Bestandsakzessorietät drin. Hucko (damals der zuständige Referent im BMJ für das Urheberrecht) hat den Wandel auf der Tagung im Juni im Beck-Verlag brutal offen erklärt. Das BMJ wollte immer die Bestandsakzessorietät drin haben. Aber, Sie werden sich erinnern, hat das von Seiten, nicht zuletzt des Aktionsbündnisses, heftige Kritik gegeben. Was macht man in einer solchen Situation, wenn, wie Hucko wörtlich sagte, die Hunde hinter einem her sind? Man wirft Ballast ab und gibt eine Regierungsvorlage ohne Bestandsakzessorietät in den Bundestag - natürlich wohl wissend, dass spätestens im Bundestag und allerspätestens im Rechtsausschuss das wieder reinkommt. So geschehen - die Hunde, also wir von Bildung und Wissenschaft, ist man erst mal los und schuld waren nachher die anderen. Ob diese Trickserei wirklich wunderbar zu der von Ihnen favorisierten Auslegung passt? Vermutlich ist die teleologische Auslegung doch besser als der Rechtsdogmatismus - aber gut, dass Sie an den worst case erinnern und, wie auch sosnt, immer Aufklärungsarbeit betreiben.
RK


Eric Steinhauer schrieb:
Lieber Herr Kuhlen,

im Grunde sind wir uns über die Zielstellung alle einig. Bibliotheken sollten alle 
Materialien am besten campusweit zur Verfügung stellen dürfen.

Von diesem Ziel sind wir noch ein wenig entfernt. § 52 b UrhG darf hier als erster 
Schritt in die richtige Richtung gelten. Fraglich ist nur, wie groß dieser Schritt 
ist.

Was die Reichweite von § 52b UrhG angeht, bin und bleibe ich knochentrockener Dogmatiker und nehme den Gesetzgeber einfach beim Wort. Wenn das Ergebnis etwas merkwürdig ist, ist es Sache des Gesetzgebers das zu korrigieren. Freilich spricht einiges dafür, auch aktuell lieferbare Titel in den Anwendungsbereich von § 52b UrhG einzubeziehen. Die ganze Aufregung um die Bestandsakzessorietät wäre sonst sinnlos. Allerdings möchte ich in Erinnerung rufen, dass § 52b UrhG in der Fassung des Regierungsentwurfes OHNE Bestandsakzessorietät in den Bundestag eingebracht worden ist. Das passt wunderbar zu der von mir favorisierten Auslegung. Denn es macht in der Tat keinen Sinn, eine Bestandsakzessorietät für vergriffene Titel zu fordern. Wie dem auch sei. Die Sache ist nun unklar. Auf der Urheberrechtstagung in Göttingen war es übrigens Herr Sprang vom Börsenverein, der die Unverständlichkeit und Unklarheit im Urheberrecht bemängelt hat. Das Recht sei kaum noch zu durchschauen und in der Praxis nicht mehr handhabbar.
Vor diesem Hintergrund finde ich es bedenklich, das ohnehin schon komplizierte Recht 
durch Analogien und dergleichen für den normalen Anwender noch 
undurchschaubarer zu machen.

Das Berger-Gutachten hat natürlich eine gewisse Tendenz. Wenn ich der von Berger 
vertretene Auslegung von § 52 b UrhG mit einer gewissen Sympathie gegenüberstehe, so 
bedeutet das nicht, dass ich mir das Gutachten zu eigen mache. Im Gegenteil.

Ein enges Verständnis von § 52b UrhG gibt dem Gutachten eine gewisse Inkonsistenz und macht es angreifbar. Wenn nämlich § 52 b UrhG tatsächlich keine Vervielfältigung erlaubt und es bei den allgemeinen Regeln bleibt, dann reden wir über die Digitalisierung von vergriffenen Werken. Die ganze übrige Argumentation in Bergers Gutachten, die das Problem der Bestandsakzessorität in den Vordergrund rückt, wäre dann sinnlos, da ja Digitalisierungen, die zu Umsatzeinbußen der Verlagen führen konnten, rechtlich gar nicht möglich wären!
Man könnte hier eher eine kritische Anfrage an Bergers Gutachten formulieren, warum 
er seine eigene enge Auslegung von § 52b UrhG nicht konsequent zuende gedacht hat.

Die ganze Diskussion, die ich in Ton und Stil übrigens ausgesprochen ausgewogen finde (Lob an die Liste!), zeigt für 
mich in aller Deutlichkeit das Versagen des Gesetzgebers. Das ist kein Urheberrecht für Bildung und Wissenschaft, das ist 
Urheberrecht für den Rundordner! Im dritten Korb ist vor allem ein klares und verständliches Recht anzumahnen. Was 
nützen die schönsten Normen, wenn man sie erst nach der Lektüre eines umfangreichen Lehrbuchs zur juristischen 
Methodenlehre einigermaßen sicher anwenden kann?  Ein klares und verständliches Urheberrecht, ich denke, auch dies ist 
ein Ziel, bei dem sich alle hier in der Liste einig sind.

Eric Steinhauer



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Prof. Dr. Rainer Kuhlen
Department of Computer and Information Science
University of Konstanz, Germany
Speaker of the Coalition "Copyright for Education and Science"
http://www.urheberrechtsbuendnis.de/
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Email: rainer.kuhlen@xxxxxxxxxxxxxxx
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