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Re: [InetBib] Wikipedia, Google und die Studierenden 2015+




Ich möchte dringen davon abraten, einen Gegensatz zwischen
"Bücher vs. Online" zu konstruieren.
Auch wenn klar ist, dass hier gedruckte Bücher gemeint sind.
Das "Lehrbuch der Bibliotheksverwaltung" von
Krabbe und Luther bleibt ein Buch, gleichgültig ob es
als Verlagsprodukt im Regal einer Bibliothek steht,
auf dem Bildschirm erscheint oder auf dem eigenen Drucker ausgedruckt wird.
Dass wir dabei in Zukunft immer öfter E-Books nutzen werden,
steht hinsichtlich der Massendigitalisierung sicher außer Zweifel,
denn gerade das ist ein wichtiger Teil der Informationskompetenz,
zu entscheiden was wir auf  welchem Speichermedium
optimal nutzen können.
Lehrbücher studiert man noch immer am besten als
gedrucktes und bebundenes Buch.
Wenn es aber darum geht, gezielt herauszufinden,
ob Bibliothekare 1953 bereits nachlesen konnten,
"eine Bibliothek verdoppele sich ungefähr innerhalb von 25 Jahren"
dann ist das zweifellos, eine Frage an das Online-Retrieval - auch wenn
es sich noch immer um das gleiche Buch als Quelle handelt.

Bücher sozusagen zur veraltete Form von Informationsmedien
zu degradieren, indem man nur noch die Printversionen meint,
halte ich für höchst kontraproduktiv.
Das erinnert an den ebenso unbedachten Pseudogegensatz
"Google vs. Bibliothek"

Es waren die Bibliotheken, die Jahrzehnte vor dem www und vor Google,
das Online-Retrieval nutzen, als die Digitale Bibliothek ihren Anfang nahm,
in dem man zunächst ab 1963 die Biblioraphien digitalisierte.


MfG


W. Umstätter




----- Original Message ----- From: "Eric Steinhauer" <eric.steinhauer@xxxxxxxxx>
To: "Internet in Bibliotheken" <inetbib@xxxxxxxxxxxxxxxxxx>
Sent: Tuesday, October 23, 2007 8:48 AM
Subject: [InetBib] Wikipedia, Google und die Studierenden 2015+


Liebe Liste,

das Praxisbeispiel vom Kollegen Delin finde ich sehr instruktiv.
Wenn wir über Bücher vs. Online diskutieren, sollte man die
Informationsgewohnheiten
der künftigen Studierenden bedenken. Beobachten kann man dies heute in der
Grundschule.

Wenn die Kinder hier ein Referat zu einem Thema, sagen wir mal "Wale", zu
halten haben, ist durchgängig
die Wikipedia die Quelle der Wahl. Informationskompetenz bei den einzelnen
Kindern zeigt sich nicht in der Vermeidung
von Wikipedia zugunsten gedruckter Quellen, die gerade im ländlichen Raum
ohnehin nicht mit vertretbarem Aufwand verfügbar sind, sondern im
richtigen Zugang und Umgang mit dem Einträgen bei Wikipedia.

Der "Dumme" druckt einfach aus oder schreibt ab.

Der "Informierte" erarbeitet sich zunächst ein Vorverständnis (vielleicht
mit einem "Was-ist-Was-Buch", das in der Regel aber nicht in aktueller
Ausgabe im öffentlichen Bücherbestand verfügbar ist, schon gar nicht in
Klassenstärke, sondern von den Eltern gekauft werden muss), konsultiert
dann Wikipedia und selektiert die für ihn wichtigen Informationen, die
dann mit eigenen Worten zusammengefaßt werden.

Der "Profi" geht darüber hinaus, indem er auf anderen guten Webseiten,
etwa von Organisationen oder öffentlichen Stellen, weitere Inhalte
zusammensucht.

Und wo bleiben die Bücher? Bücher werden von dieser Generation zur Lektüre
von Bellestristik und Literatur sowie zur Grundlageninformation verwendet.
Beim Heraussuchen von Informationen über ein womöglich sogar aktuelles
Thema, spielen sie keine Rolle.

Dieser Effekt wird dadurch verstärkt, dass der für die Kinder verfügbare
öffentliche Bücherbestand zur intensiven Recherche vollkommen unzureichend
ist. In großen Städten mag das anders aussehen. Gleichwohl werden unsere
Studierenden 2015+ die Schule mit eingefahrenen
Online-Recherchegewohnheiten verlassen. Für die meisten gilt: Was nicht im
Netz ist, existiert nicht.

Man mag dies belächeln, aber die Aussage wird immer richtiger.

Auch wenn es riskant ist, mediengeschichtliche Parallelen zu ziehen,
scheint mir unsere Zeit eine Zeit des Übergangs zu sein, vergleichbar der
spätantik-frühmittelalterlichen Epoche des Umschreibens der schriftlichen
Überlieferung von Papyrus auf Pergament. Natürlich verschwanden die Papyri
nicht sogleich, auf lange Sicht aber war das, was nicht umgeschrieben
wurde, für die weitere kulturelle Überlieferung nicht mehr präsent. Ich
denke, mit den online verfügbaren Informationen wird es ähnlich gehen. Das
Nutzerverhalten der künftigen Studierenden jedenfalls nimmt diese
Entwicklung eindrucksvoll vorweg.

Letztlich werden Bücher natürlich nicht verschwinden. Sie werden sich da
behaupten, wo sie praktisch sind. So war es immer und mit allen neuen
Medien. Sie verdrängen die alten nur soweit, aber dann auch gewiss, wo sie
praktischer sind als das Vorhandene. Und hier sollte man gerade beim Thema
"Buch vs. Online" durchaus die hybride Form ins Kalkül ziehen. Bei
umfangreichen Texten sind Online und Buch allein für sich genommen nicht
sonderlich praktisch, beides zusammen aber eine große Arbeits- und
Rechercheerleichterung.

Eric Steinhauer






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