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[InetBib] Wikipedia, Google und die Studierenden 2015+
- Date: Tue, 23 Oct 2007 08:48:45 +0200 (CEST)
- From: Eric Steinhauer<eric.steinhauer@xxxxxxxxx>
- Subject: [InetBib] Wikipedia, Google und die Studierenden 2015+
Liebe Liste,
das Praxisbeispiel vom Kollegen Delin finde ich sehr instruktiv.
Wenn wir über Bücher vs. Online diskutieren, sollte man die
Informationsgewohnheiten
der künftigen Studierenden bedenken. Beobachten kann man dies heute in der
Grundschule.
Wenn die Kinder hier ein Referat zu einem Thema, sagen wir mal "Wale", zu
halten haben, ist durchgängig
die Wikipedia die Quelle der Wahl. Informationskompetenz bei den einzelnen
Kindern zeigt sich nicht in der Vermeidung
von Wikipedia zugunsten gedruckter Quellen, die gerade im ländlichen Raum
ohnehin nicht mit vertretbarem Aufwand verfügbar sind, sondern im richtigen
Zugang und Umgang mit dem Einträgen bei Wikipedia.
Der "Dumme" druckt einfach aus oder schreibt ab.
Der "Informierte" erarbeitet sich zunächst ein Vorverständnis (vielleicht mit
einem "Was-ist-Was-Buch", das in der Regel aber nicht in aktueller Ausgabe im
öffentlichen Bücherbestand verfügbar ist, schon gar nicht in Klassenstärke,
sondern von den Eltern gekauft werden muss), konsultiert dann Wikipedia und
selektiert die für ihn wichtigen Informationen, die dann mit eigenen Worten
zusammengefaßt werden.
Der "Profi" geht darüber hinaus, indem er auf anderen guten Webseiten, etwa von
Organisationen oder öffentlichen Stellen, weitere Inhalte zusammensucht.
Und wo bleiben die Bücher? Bücher werden von dieser Generation zur Lektüre von
Bellestristik und Literatur sowie zur Grundlageninformation verwendet. Beim
Heraussuchen von Informationen über ein womöglich sogar aktuelles Thema,
spielen sie keine Rolle.
Dieser Effekt wird dadurch verstärkt, dass der für die Kinder verfügbare
öffentliche Bücherbestand zur intensiven Recherche vollkommen unzureichend ist.
In großen Städten mag das anders aussehen. Gleichwohl werden unsere
Studierenden 2015+ die Schule mit eingefahrenen Online-Recherchegewohnheiten
verlassen. Für die meisten gilt: Was nicht im Netz ist, existiert nicht.
Man mag dies belächeln, aber die Aussage wird immer richtiger.
Auch wenn es riskant ist, mediengeschichtliche Parallelen zu ziehen, scheint
mir unsere Zeit eine Zeit des Übergangs zu sein, vergleichbar der
spätantik-frühmittelalterlichen Epoche des Umschreibens der schriftlichen
Überlieferung von Papyrus auf Pergament. Natürlich verschwanden die Papyri
nicht sogleich, auf lange Sicht aber war das, was nicht umgeschrieben wurde,
für die weitere kulturelle Überlieferung nicht mehr präsent. Ich denke, mit den
online verfügbaren Informationen wird es ähnlich gehen. Das Nutzerverhalten der
künftigen Studierenden jedenfalls nimmt diese Entwicklung eindrucksvoll vorweg.
Letztlich werden Bücher natürlich nicht verschwinden. Sie werden sich da
behaupten, wo sie praktisch sind. So war es immer und mit allen neuen Medien.
Sie verdrängen die alten nur soweit, aber dann auch gewiss, wo sie praktischer
sind als das Vorhandene. Und hier sollte man gerade beim Thema "Buch vs.
Online" durchaus die hybride Form ins Kalkül ziehen. Bei umfangreichen Texten
sind Online und Buch allein für sich genommen nicht sonderlich praktisch,
beides zusammen aber eine große Arbeits- und Rechercheerleichterung.
Eric Steinhauer
Listeninformationen unter http://www.inetbib.de.