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[InetBib] Wikipedia, Google und die Studierenden 2015+



Liebe Liste,

das Praxisbeispiel vom Kollegen Delin finde ich sehr instruktiv. 
Wenn wir über Bücher vs. Online diskutieren, sollte man die 
Informationsgewohnheiten 
der künftigen Studierenden bedenken. Beobachten kann man dies heute in der 
Grundschule.

Wenn die Kinder hier ein Referat zu einem Thema, sagen wir mal "Wale", zu 
halten haben, ist durchgängig 
die Wikipedia die Quelle der Wahl. Informationskompetenz bei den einzelnen 
Kindern zeigt sich nicht in der Vermeidung
von Wikipedia zugunsten gedruckter Quellen, die gerade im ländlichen Raum 
ohnehin nicht mit vertretbarem Aufwand verfügbar sind, sondern im richtigen 
Zugang und Umgang mit dem Einträgen bei Wikipedia.

Der "Dumme" druckt einfach aus oder schreibt ab.

Der "Informierte" erarbeitet sich zunächst ein Vorverständnis (vielleicht mit 
einem "Was-ist-Was-Buch", das in der Regel aber nicht in aktueller Ausgabe im 
öffentlichen Bücherbestand verfügbar ist, schon gar nicht in Klassenstärke, 
sondern von den Eltern gekauft werden muss), konsultiert dann Wikipedia und 
selektiert die für ihn wichtigen Informationen, die dann mit eigenen Worten 
zusammengefaßt werden.

Der "Profi" geht darüber hinaus, indem er auf anderen guten Webseiten, etwa von 
Organisationen oder öffentlichen Stellen, weitere Inhalte zusammensucht.

Und wo bleiben die Bücher? Bücher werden von dieser Generation zur Lektüre von 
Bellestristik und Literatur sowie zur Grundlageninformation verwendet. Beim 
Heraussuchen von Informationen über ein womöglich sogar aktuelles Thema, 
spielen sie keine Rolle.

Dieser Effekt wird dadurch verstärkt, dass der für die Kinder verfügbare 
öffentliche Bücherbestand zur intensiven Recherche vollkommen unzureichend ist. 
In großen Städten mag das anders aussehen. Gleichwohl werden unsere 
Studierenden 2015+ die Schule mit eingefahrenen Online-Recherchegewohnheiten 
verlassen. Für die meisten gilt: Was nicht im Netz ist, existiert nicht. 

Man mag dies belächeln, aber die Aussage wird immer richtiger. 

Auch wenn es riskant ist, mediengeschichtliche Parallelen zu ziehen, scheint 
mir unsere Zeit eine Zeit des Übergangs zu sein, vergleichbar der 
spätantik-frühmittelalterlichen Epoche des Umschreibens der schriftlichen 
Überlieferung von Papyrus auf Pergament. Natürlich verschwanden die Papyri 
nicht sogleich, auf lange Sicht aber war das, was nicht umgeschrieben wurde, 
für die weitere kulturelle Überlieferung nicht mehr präsent. Ich denke, mit den 
online verfügbaren Informationen wird es ähnlich gehen. Das Nutzerverhalten der 
künftigen Studierenden jedenfalls nimmt diese Entwicklung eindrucksvoll vorweg.

Letztlich werden Bücher natürlich nicht verschwinden. Sie werden sich da 
behaupten, wo sie praktisch sind. So war es immer und mit allen neuen Medien. 
Sie verdrängen die alten nur soweit, aber dann auch gewiss, wo sie praktischer 
sind als das Vorhandene. Und hier sollte man gerade beim Thema "Buch vs. 
Online" durchaus die hybride Form ins Kalkül ziehen. Bei umfangreichen Texten 
sind Online und Buch allein für sich genommen nicht sonderlich praktisch, 
beides zusammen aber eine große Arbeits- und Rechercheerleichterung. 

Eric Steinhauer



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