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[InetBib] TELEPOLIS: Onleihe nur f?r Microsoft-User



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von Ulrich Herb <u.herb@xxxxxxxxxxxxxxxxxxxx> gesandt.
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Onleihe nur für Microsoft-User
Reiner Sladek 03.09.2007

Als könnte man die Tagesschau nur mit dem Fernseher empfangen, der die 
Sendung sponsort

Die Stadtbüchereien von Hamburg, Würzburg, Köln und München haben sich 
mit dem privaten Dienstleister  DiViBib (1) zusammengeschlossen um 
Medien per Download zu verleihen. Diese  "Onleihe" (2) ist das erste 
Projekt seiner Art in ganz Europa. Sie verwenden für die Ausleihe von 
Mediendaten das Windows Media Format, mit zusätzlichem Digital Rights 
Management (DRM) und einem digitalen Wasserzeichen, in das die 
Benutzernummer eingearbeitet ist.

Dieses DRM-WMF ist proprietär und derzeit weder auf Apple noch auf 
GNU/Linux portiert. Die Projektbetreiber argumentieren, dass das System 
ja "nur" die Apple- und GNU/Linux-User nicht bedienen würde, also 
maximal ein paar Prozent der Benutzer dies nicht nutzen können. Aber 
das ist Unsinn. Gerade von der jugendlichen Zielgruppe, die die 
Büchereien mit dem Angebot besonders ansprechen wollen, geht es weniger 
um Rechner, als um MP3-Player. Und da sieht das schon ganz anders aus: 
im Januar hatte der iPod 28 Prozent Marktanteil. Das heißt ungefähr ein 
Drittel der Bevölkerung kann diese Dateien nicht benutzen - praktisch 
für Microsoft, die Ende des Jahres den Musikplayer Zune in Deutschland 
auf den Markt bringen. 

Das ist der Karren, vor den sich diese vier Stadtbüchereien gerade 
dankbar haben spannen lassen. Die dazugehörige Karotte war, dass 
Microsoft sein DRM kostenlos zur Verfügung gestellt hat. Wie aber 
verträgt sich das mit der Hauptaufgabe der Büchereien, der 
Grundversorgung aller Schichten der Bevölkerung mit Literatur und 
anderen Medien? 

Die digitale imitiert die Einschränkungen der analogen Ausleihe 

Seit dem 25.07. 2007 können auch Benutzer der Münchner Stadtbücherei 
"onleihen". Bis jetzt ist das Programm aus verschiedenen Gründen eher 
schmal. Im e-book Bereich finden sich auch Magazine - als Flaggschiff 
der "Spiegel". Bis Mitte August verzeichnete die Bücherei, die mit 11 
Millionen Ausleihen jährlich eine Spitzenposition unter den deutschen 
öffentlichen Bibliotheken einnimmt, respektable 80.000 Downloads. Die 
digitalen Medien haben also die öffentlichen Büchereien erreicht. Aber 
damit auch alle Probleme, die diese Formate mit sich bringen: Jenseits 
aller Probleme mit dem Kopierschutz, wie man ihn von den kommerziellen 
Verkaufsportalen her ja bis zum Abwinken kennt, haben die Bibliotheken 
zusätzliche Probleme. Zwei sind besonders erwähnenswert: 

Erstens: Die digitale Ausleihe muss so tun, als handle es sich bei dem 
Download um eine tatsächliche CD, DVD, ein Buch oder eine Zeitschrift: 
Konkret heißt das, wenn die Bücherei fünf Abonements des "Spiegel" 
gekauft hat, dann können maximal fünf Exemplare gleichzeitig 
ausgeliehen werden. Das ist zuhause nich anders als in den Lesesälen. 
Dort ist die elektronische Wiedergabe von Literatur an Lesegeräten 
(sprich Computern) auf genau die Anzahl von Exemplaren beschränkt, in 
der das betreffende Werk in Papierform vorhanden ist. Wenn es nur ein 
Exemplar von einem Buch gibt, darf es auch nur auf einem Bildschirm 
betrachtet werden (Vgl.  Der Gerechtigkeit einen Korb geben (3)). 

Zweitens:Die Verlagslobby setzte durch, dass auch elektronische 
Ausleihen ein digitales Verfallsdatum bekommen.  Das heißt eine 
"ausgeliehene" PDF-Datei kann man nur einen Tag lang öffnen, 
Musikdateien bleiben eine Woche lang spielbar.  Die digitale Form sorgt 
dafür, dass Inhalte schneller dahin kommen, wo sie gebraucht werden - 
zu Leuten, die eben nicht einfach mal schnell in die Bücherei gehen 
können, zum Beispiel in Krankenhäusern, Altenheimen, aber auch in 
Kinderzimmern. Auf diesem Weg so zu tun, als wäre eine PDF-Datei ein 
reales Buch, ist albern. Die "Onleihe" ähnelt dadurch im Augenblick 
einer Puppenstubenbibliothek. 

Was gibts umsonst? 

Die digitale Ausleihfrist wurde mit dem bereits eingangs erwähnten 
DRM-System umgesetzt. Solche Systeme gibt es unter anderem von 
Microsoft und von Apple. Im Open-Source-Bereich ist dagegen umstritten, 
inwieweit Rechteeinschränkungen für die Benutzer  funktionieren sollen 
und können (4).  Microsoft hat sein System kostenlos zur Verfügung 
gestellt, Apple hätte dagegen 50.000 Euro verlangt, erzählt Ernst 
Zimmermann, der Fachreferent der Münchner Onleihe. Deshalb werden alle 
graphischen Daten als Adobe PDF und alle Mediendaten als Window Media 
Files (WMF) ausgeliefert.

Während sich aber die DRM-PDFs wenigstens auf MacOS öffnen lassen, 
funktioniert das Microsoft-System weder auf GNU/Linux noch auf Apple - 
und damit auch nicht auf iPods. Diese Tatsache ist unter anderem 
deshalb von besonderem Interesse, weil die EU-Kommission vor allem 
wegen der Monopolisierungstendenzen im Medienbereich gegen Microsoft 
Rekordstrafen verhängte. 

Hinzu kommt, dass ausgerechnet die Stadt München 2003  beschloss (5), 
den Anbieter aus Redmond den Rücken zu kehren und die ganze 
Stadtverwaltung auf GNU/Linux bzw. "LiMux" umzustellen - obwohl 
Microsoft-CEO Balmer extra seinen Skiurlaub unterbrochen hatte, um ein 
persönliches Gespräch mit Oberbürgermeister Ude zu führen. Ernst 
Zimmermann erklärt dazu: 

--"Es war  nicht leicht mit unserem Projekt durch den Stadtrat zu 
kommen, der natürlich auch diesen Widerspruch gesehen hat. Nur ist das 
Projekt kein rein münchnerisches, sondern eines der Bibliotheken 
Hamburg, Köln, Würzburg und München mit einem privatwirtschaftlichen 
Dienstleister. Unsere Alternativen waren lediglich, entweder das 
Projekt in dieser Form anzugehen, also mit Microsoft/Adobe zu starten, 
oder gar nicht. 

Hätte der Stadtrat nicht zugestimmt, wäre München aus dem Pilotprojekt 
zwangsweise ausgestiegen (worden) und die Virtuelle Münchner 
Stadtbibliothek hätte auf absehbare Zeit überhaupt nicht an den Start 
gehen können, da in den anderen Städten die Open-Source-Problematik 
überhaupt keine Rolle gespielt hat und eine technische Realisierung in 
Eigenarbeit an den Münchner Ressourcen gescheitert wäre. Wir versuchen 
unter dem Druck Münchens als Projektteilnehmer später Verbesserungen in 
Richtung andere Plattformen zu erreichen."-- 

Realistisch ist das in absehbarer Zukunft nicht, auch wenn Zimmermann 
erzählt, dass man im Apple Hauptquartier in Cupertino das Projekt recht 
genau beobachtet. Dass das Thema die anderen Städte scheinbar gar nicht 
erst interessiert, mag in der Betriebsblindheit von Verwaltungskräften 
liegen; bei so viel Bevorzugung eines Konzern durch eine öffentliche 
Einrichtung sollten aber bei den verantwortlichen Politikern die 
Alarmsirenen zu läuten anfangen.

LINKS

(1) http://www.divibib.com/
(2) http://www.heise.de/newsticker/meldung/90373
(3) http://www.heise.de/tp/r4/artikel/25/25724/1.html
(4) http://www.heise.de/newsticker/meldung/76110
(5) http://www.heise.de/newsticker/meldung/37197

Telepolis Artikel-URL: http://www.heise.de/tp/r4/artikel/26/26064/1.html

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