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Re: [InetBib] TELEPOLIS: Onleihe nur f?r Microsoft-User
- Date: Mon, 03 Sep 2007 12:33:24 +0200
- From: delin@xxxxxx (Delin, Peter)
- Subject: Re: [InetBib] TELEPOLIS: Onleihe nur f?r Microsoft-User
Zur Divibib noch einige ergänzende Informationen:
- Die Bibliotheken schließen keinen Lizenzvertrag, sondern kaufen das
jeweilige digitale Medium. Die Bibliothek besitzt dieses Medium,
allerdings mit den von den Rechteinhabern geforderten
DRM-Beschränkungen. Es gibt kein Verfallsdatum für die Bibliothek (die
laufenden Kosten beziehen sich auf das Hosting von Divibib).
- Der gesamte Textbestand ist im Volltext recherchierbar.
- Ein Ausdruck ist möglich.
- Die "Onleih"-Dauer kann individuell festgelegt werden. So können bei
kurzen Fristen z.B. für den "Spiegel" höhere Nutzungszahlen erzielt werden.
- Divibib liefert die Metadaten, die in den Webkatalog der Bibliothek
integriert werden können.
Viele Grüße
Peter Delin
http://www.zlb.de/wissensgebiete/kunst_buehne_medien/videos
http://buecherei.netbib.de/coma/Filmrecherche
http://buecherei.netbib.de/coma/Filmliteratur
http://dvdbiblog.wordpress.com/
u.herb@xxxxxxxxxxxxxxxxxxxx schrieb:
Dieser TELEPOLIS Artikel wurde Ihnen
von Ulrich Herb <u.herb@xxxxxxxxxxxxxxxxxxxx> gesandt.
zur Info
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Onleihe nur für Microsoft-User
Reiner Sladek 03.09.2007
Als könnte man die Tagesschau nur mit dem Fernseher empfangen, der die
Sendung sponsort
Die Stadtbüchereien von Hamburg, Würzburg, Köln und München haben sich
mit dem privaten Dienstleister DiViBib (1) zusammengeschlossen um
Medien per Download zu verleihen. Diese "Onleihe" (2) ist das erste
Projekt seiner Art in ganz Europa. Sie verwenden für die Ausleihe von
Mediendaten das Windows Media Format, mit zusätzlichem Digital Rights
Management (DRM) und einem digitalen Wasserzeichen, in das die
Benutzernummer eingearbeitet ist.
Dieses DRM-WMF ist proprietär und derzeit weder auf Apple noch auf
GNU/Linux portiert. Die Projektbetreiber argumentieren, dass das System
ja "nur" die Apple- und GNU/Linux-User nicht bedienen würde, also
maximal ein paar Prozent der Benutzer dies nicht nutzen können. Aber
das ist Unsinn. Gerade von der jugendlichen Zielgruppe, die die
Büchereien mit dem Angebot besonders ansprechen wollen, geht es weniger
um Rechner, als um MP3-Player. Und da sieht das schon ganz anders aus:
im Januar hatte der iPod 28 Prozent Marktanteil. Das heißt ungefähr ein
Drittel der Bevölkerung kann diese Dateien nicht benutzen - praktisch
für Microsoft, die Ende des Jahres den Musikplayer Zune in Deutschland
auf den Markt bringen.
Das ist der Karren, vor den sich diese vier Stadtbüchereien gerade
dankbar haben spannen lassen. Die dazugehörige Karotte war, dass
Microsoft sein DRM kostenlos zur Verfügung gestellt hat. Wie aber
verträgt sich das mit der Hauptaufgabe der Büchereien, der
Grundversorgung aller Schichten der Bevölkerung mit Literatur und
anderen Medien?
Die digitale imitiert die Einschränkungen der analogen Ausleihe
Seit dem 25.07. 2007 können auch Benutzer der Münchner Stadtbücherei
"onleihen". Bis jetzt ist das Programm aus verschiedenen Gründen eher
schmal. Im e-book Bereich finden sich auch Magazine - als Flaggschiff
der "Spiegel". Bis Mitte August verzeichnete die Bücherei, die mit 11
Millionen Ausleihen jährlich eine Spitzenposition unter den deutschen
öffentlichen Bibliotheken einnimmt, respektable 80.000 Downloads. Die
digitalen Medien haben also die öffentlichen Büchereien erreicht. Aber
damit auch alle Probleme, die diese Formate mit sich bringen: Jenseits
aller Probleme mit dem Kopierschutz, wie man ihn von den kommerziellen
Verkaufsportalen her ja bis zum Abwinken kennt, haben die Bibliotheken
zusätzliche Probleme. Zwei sind besonders erwähnenswert:
Erstens: Die digitale Ausleihe muss so tun, als handle es sich bei dem
Download um eine tatsächliche CD, DVD, ein Buch oder eine Zeitschrift:
Konkret heißt das, wenn die Bücherei fünf Abonements des "Spiegel"
gekauft hat, dann können maximal fünf Exemplare gleichzeitig
ausgeliehen werden. Das ist zuhause nich anders als in den Lesesälen.
Dort ist die elektronische Wiedergabe von Literatur an Lesegeräten
(sprich Computern) auf genau die Anzahl von Exemplaren beschränkt, in
der das betreffende Werk in Papierform vorhanden ist. Wenn es nur ein
Exemplar von einem Buch gibt, darf es auch nur auf einem Bildschirm
betrachtet werden (Vgl. Der Gerechtigkeit einen Korb geben (3)).
Zweitens:Die Verlagslobby setzte durch, dass auch elektronische
Ausleihen ein digitales Verfallsdatum bekommen. Das heißt eine
"ausgeliehene" PDF-Datei kann man nur einen Tag lang öffnen,
Musikdateien bleiben eine Woche lang spielbar. Die digitale Form sorgt
dafür, dass Inhalte schneller dahin kommen, wo sie gebraucht werden -
zu Leuten, die eben nicht einfach mal schnell in die Bücherei gehen
können, zum Beispiel in Krankenhäusern, Altenheimen, aber auch in
Kinderzimmern. Auf diesem Weg so zu tun, als wäre eine PDF-Datei ein
reales Buch, ist albern. Die "Onleihe" ähnelt dadurch im Augenblick
einer Puppenstubenbibliothek.
Was gibts umsonst?
Die digitale Ausleihfrist wurde mit dem bereits eingangs erwähnten
DRM-System umgesetzt. Solche Systeme gibt es unter anderem von
Microsoft und von Apple. Im Open-Source-Bereich ist dagegen umstritten,
inwieweit Rechteeinschränkungen für die Benutzer funktionieren sollen
und können (4). Microsoft hat sein System kostenlos zur Verfügung
gestellt, Apple hätte dagegen 50.000 Euro verlangt, erzählt Ernst
Zimmermann, der Fachreferent der Münchner Onleihe. Deshalb werden alle
graphischen Daten als Adobe PDF und alle Mediendaten als Window Media
Files (WMF) ausgeliefert.
Während sich aber die DRM-PDFs wenigstens auf MacOS öffnen lassen,
funktioniert das Microsoft-System weder auf GNU/Linux noch auf Apple -
und damit auch nicht auf iPods. Diese Tatsache ist unter anderem
deshalb von besonderem Interesse, weil die EU-Kommission vor allem
wegen der Monopolisierungstendenzen im Medienbereich gegen Microsoft
Rekordstrafen verhängte.
Hinzu kommt, dass ausgerechnet die Stadt München 2003 beschloss (5),
den Anbieter aus Redmond den Rücken zu kehren und die ganze
Stadtverwaltung auf GNU/Linux bzw. "LiMux" umzustellen - obwohl
Microsoft-CEO Balmer extra seinen Skiurlaub unterbrochen hatte, um ein
persönliches Gespräch mit Oberbürgermeister Ude zu führen. Ernst
Zimmermann erklärt dazu:
--"Es war nicht leicht mit unserem Projekt durch den Stadtrat zu
kommen, der natürlich auch diesen Widerspruch gesehen hat. Nur ist das
Projekt kein rein münchnerisches, sondern eines der Bibliotheken
Hamburg, Köln, Würzburg und München mit einem privatwirtschaftlichen
Dienstleister. Unsere Alternativen waren lediglich, entweder das
Projekt in dieser Form anzugehen, also mit Microsoft/Adobe zu starten,
oder gar nicht.
Hätte der Stadtrat nicht zugestimmt, wäre München aus dem Pilotprojekt
zwangsweise ausgestiegen (worden) und die Virtuelle Münchner
Stadtbibliothek hätte auf absehbare Zeit überhaupt nicht an den Start
gehen können, da in den anderen Städten die Open-Source-Problematik
überhaupt keine Rolle gespielt hat und eine technische Realisierung in
Eigenarbeit an den Münchner Ressourcen gescheitert wäre. Wir versuchen
unter dem Druck Münchens als Projektteilnehmer später Verbesserungen in
Richtung andere Plattformen zu erreichen."--
Realistisch ist das in absehbarer Zukunft nicht, auch wenn Zimmermann
erzählt, dass man im Apple Hauptquartier in Cupertino das Projekt recht
genau beobachtet. Dass das Thema die anderen Städte scheinbar gar nicht
erst interessiert, mag in der Betriebsblindheit von Verwaltungskräften
liegen; bei so viel Bevorzugung eines Konzern durch eine öffentliche
Einrichtung sollten aber bei den verantwortlichen Politikern die
Alarmsirenen zu läuten anfangen.
LINKS
(1) http://www.divibib.com/
(2) http://www.heise.de/newsticker/meldung/90373
(3) http://www.heise.de/tp/r4/artikel/25/25724/1.html
(4) http://www.heise.de/newsticker/meldung/76110
(5) http://www.heise.de/newsticker/meldung/37197
Telepolis Artikel-URL: http://www.heise.de/tp/r4/artikel/26/26064/1.html
Copyright © Heise Zeitschriften Verlag
Listeninformationen unter http://www.inetbib.de.