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Re: [InetBib] Google, Informationsmonopole, Rolle und Zukunft der Bibliothek
- Date: Sat, 10 Mar 2007 11:59:21 +0100
- From: "h0228kdm" <h0228kdm@xxxxxxxxxxxxxxx>
- Subject: Re: [InetBib] Google, Informationsmonopole, Rolle und Zukunft der Bibliothek
From: "Mark Buzinkay" <office@xxxxxxxxxxxx>
Das führt mich zu einer letzten Frage: was will die Bibliothek überhaupt
sein? Im Angesicht dieser Debatte ist dies eine längst überfällige Frage.
Für Bibliothekare kann das eigentlich keine neue Frage sein,
da es zwangsläufig eine der ersten ist, die man in diesem Studium behandeln
muss. Dass die klassische Definition der Bibliothek des 19. Jh.
heute allerdings nicht mehr zeitgemäß ist, ist richtig - und das ist das
eigentliche
Problem, dass noch zu lange die Definition:
"eine geordnete und benutzbare Sammlung von Büchern" (Hacker) gelehrt wurde.
Gemeint waren dann meist auch nur gedruckte Bücher, obwohl die
Digitalisierung der Bibliotheken eigentlich 1963 (Weinberg Report) begann.
Dagegen schließt die Bibliothek als Einrichtung, die unter archivarischen,
ökonomischen und synoptischen Gesichtspunkten publizierte Information
für die Benutzer sammelt, ordnet und verfügbar macht (Ewert/Umstätter),
die Digitale und Virtuelle Bibliothek und z.B. die fachliche Beherrschung
von Google zwangsläufig mit ein. Das ist die funktionsbezogene Definition
der Bibliotheken aller Zeiten, im Gegensatz zur vereinfachten
lokationsorientierten Definition - in der sie als Ort an dem Bücher stehen,
definiert wurde.
An dieser Stelle muss man Lars Aronsson zumindest teilweise und
'bedauerlicherweise' Recht geben, dass zumindest Deutschland
"25 Jahre oder *mehr* hinter den Vereinigten Staaten"
im Bibliothekswesen hinterherhinkt. Ich habe mich längere Zeit mit der Frage,
ob es 10 oder 20 Jahre sind beschäftigt, und ebenso bedauerlicherweise
feststellen müssen, dass der Versuch, den Vorsprung mit den
Fachinformationsprogrammen (70er - 90er Jahre) aufzuholen,
sich nicht verringert, sondern auf etwa 20 Jahre vergrößert hat.
Daran scheinen jetzt die Virtuellen Fachbibliotheken und Fachportale
auch nur wenig zu ändern, da die eigentliche Problematik,
mit der sich das amerikanische Militär, Google u.a. beschäftigen,
mit dem Wechsel von der Informationsverarbeitung zur semiotischen bzw.
Wissensverarbeitung (Stichwort ontologies, XML etc.) hier viel zu spät,
wenn überhaupt zur Kenntnis genommen wird.
Man sollte aber das deutsche Bibliothekswesen und die Kritik daran,
nicht mit dem internationalen Bibliothekswesen verwechseln.
Das Bibliothekswesen selbst ist in einer ungeheuren Prosperität,
nur die meisten Laien und politischen Entscheidungsträger verwechseln es
mit ihren eigenen veralteten Vorstellungen. Darum ist die entscheidende Frage,
wann in Deutschland die Entscheidungsträger begreifen, welche Rolle die
Erkenntnis "Wissen ist Macht" in der modernen Bibliothekswissenschaft spielt.
Davon hängt ab, ob und wie weit sich der zeitliche Abstand noch vergrößert
oder verringert. So lange die meisten Fachleute den Unterschied
zwischen Information und Wissen nicht erkennen, können sie auch nur schwer
den Wechsel von der Informationsverarbeitung zur Wissensverarbeitung
bewusst vollziehen.
Bibliotheken sind in einer Wissenschaftsgesellschaft ohne Zweifel das
wichtigste
Rationalisierungspotential, ohne das eine solche Gesellschaft,
die immer mehr von der Wissenschaft lebt, nicht wettbewerbsfähig ist.
Im Prinzip wird Lib 2.0 im Web 2.0 die leicht vorhersehbare globale
Fließbandproduktion von Wissen unterstützen.
Das aber nur am Rande, da von "Henry Ford seinen Model T" bereits die Rede war.
Der Vergleich ist, im Gegensatz zu Google und McDonald" sehr viel besser ;-).
MfG
W. Umstätter
Listeninformationen unter http://www.inetbib.de.