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[InetBib] Google, Informationsmonopole, Rolle und Zukunft der Bibliothek



Zur Google-Debatte möchte ich auch gerne etwas beitragen, und zunächst etwas
Praktisches. Zu Google gibt es sehr wohl Alternativen, nicht nur, aber vor
allem in Nischen. Diese Position vertrete auch ich wie andere schon vor mir
in der Liste. Ich sehe aber auch, am eigenen Beispiel, dass es sehr schwer
ist, trotz der Fülle an anderen SUMAs Google "sein zu lassen". Üblicherweise
trifft das bei mir zu, weil a) Macht der Gewohnheit, b) ständige
Verfügbarkeit. 

Zur Macht der Gewohnheit: da muss man sich natürlich selbst bei der Nase
nehmen und alternativ suchen. Doch das Eintippen von www.google.at geht so
leicht von der Hand! Und das bei einem "Informationsexperten" ;D. Eine
Möglichkeit, mit dieser Gewohnheit zu brechen, ist ein Search Engine Plugin
in Browsern. Firefox (und auch IE 7.0) haben das als Standard integriert.
Dieses kleine Fensterchen rechts oben erlaubt ein Auswählen einer
Suchmaschine (Drop-Down-Menü) und ein unmittelbares Eingeben der
Suchanfrage, ohne dass die Seite vom Nutzer aufgerufen werden muss. Da ich
hier nicht die URL eintippen muss, bin ich schneller. Um mich vom
(unüberlegten) Gebrauch von Google "zu schützen", reihte ich Google als
Letztes in die Drop-Down-Liste ein (wohlgemerkt: ich habe es nicht aus der
Liste gelöscht!). 

Zur ständigen Verfügbarkeit: ich meine hier, dass viele Browser (nicht nur
am PC, sondern auch mobile Anwendungen etc.) die Google-Suche quasi als
Standard verwenden (aus marktstrategischen Gründen). Wie wir wissen,
versteht sich Google nach innen nicht nur als "Such-Gigant", sondern will
das Wissen der Welt verfügbar machen. Zu diesem Zweck wird die
Such-Industrie vertikal "aufgerollt", d.h. die gesamte Kette der
Informationserstellung über die Verfügbarmachung bis zur -verteilung wird
unter Kontrolle gebracht. Das ist an sich nichts neues (die amerikanische
Filmindustrie ist ein ähnliches Beispiel: Produktion-Verleih-Vertrieb ist in
der Hand von wenigen Großen); ich denke, man muss das Google Library
Project, Google Earth, u.a. in diesem Licht sehen. Wer die Quellen
kontrolliert, kontrolliert auch letztlich, wohin der Strom fließt. Dies
scheint im Web 2.0 zunächst paradox, da hier das Prinzip gilt:
user-generated content. Doch wem gehört der Content? Man muss sich nur die
letzten 2-3 Jahre ansehen, wer von den Großen (Yahoo, Google, etc.) welche
Content-trächtigen Quellen (und damit auch gleich diejenigen, die diese
Quellen füttern - die Communities) eingekauft hat (MySpace, YouTube, etc.).
Was ich hier sagen will - auch wenn wir nicht die Google Suchmaschine
bedienen, so ist in vielem, was wir im Web nutzen, Google (und die anderen
Großen) drin. 

Diese Strategie der vertikalen Integration ist ein typisches Verhalten von
Marktführern, um sich gegenüber einer größer werdenden Anzahl von
Mitstreitern aus einer Position der Stärke abzusetzen und diese von ihren
Lieferanten und Kunden systematisch abzuschneiden. Damit wird der Vorsprung
quasi zementiert, bis eine neue Technologie zu einem Bruch in der Kette
führt. Neue Technologie wird von Nischenanbietern entwickelt und eingeführt.
Da sich große Konzerne eher starr bewegen, liegt hier eine große Chance
(bzw. Gefahr für die Marktführer). Dem wird durch das Aufkaufen von
Technologie (sprich Patenten, Rechten, Firmen) vorgebeugt. Interessant wird
sein, was diese neue, disruptive Technologie sein kann - da kann man nur
spekulieren (und ist hier schon off-topic).
Ironischerweise sind es ja die Bibliotheken, die von der disruptiven
Technologie der Suchmaschinen von ihrem hohen Ross gehoben wurden. Hier
wurden ganz andere Dinge verschlafen als sich jetzt über die Teilnahme einer
Bibliothek an einem Digitalisierungsprojekt (des Marktführers) zu mokieren.
Man beachte hier den Rollenwechsel der Bibliothek zum Juniorpartner, zum
Content-Provider, zu einem Rad in der Vertriebsmaschine eines Privatkonzerns
innerhalb weniger Jahre.

Was bleibt also letztlich übrig? Die konsequente Nutzung des breiten
SUMA-Spektrums, Vermittlung der notwendigen Kompetenzen an Nicht-Fachleute
(aka NutzerInnen) inkl. Bewußtsein schaffen für die Problematik, etc. wird
das "Problem" nicht lösen: in der Masse machen diese kleinen Erfolge nicht
mal den Tropfen auf dem heißen Stein aus. Vielleicht sollten wir von Google
selbst lernen, wie sie innerhalb von wenigen Monaten den Branchenführer
Altavista hinter sich gelassen haben. Oder von Firefox, dass sich zur
ernsten Bedrohung für den IE entwickelt. Die Frage ist: ist das überhaupt
unsere "Rolle"? Wer entscheidet, welches Werkzeug "gut", welches weniger
"gut" ist? In unserem Falle (ich meine hier die Gemeinschaft der
Informationsexperten) denke ich, ist es sehr wohl unser "Job", die
Allgemeinheit über die Risiken, die eine quasi-Monopolstellung eines
Informationsanbieters mit sich bringt, aufzuklären, Alternativen
aufzuzeigen, sie zu fordern, aber auch selbst im Gebrauch anzubieten. Ich
denke, das bedingt ganz andere organisatorische Voraussetzungen und
Strukturen, als wie sie bis jetzt vorlagen. Offensichtlich hat das System
gar nicht oder zu träge auf diese Entwicklungen reagiert. Jetzt "Symptome"
zu bekämpfen bringt aus meiner Sicht gar nichts, das ist Kosmetik und
Image-Pflege, die wir nach außen zur Schadensbegrenzung betreiben.

Das führt mich zu einer letzten Frage: was will die Bibliothek überhaupt
sein? Im Angesicht dieser Debatte ist dies eine längst überfällige Frage.
Was wir brauchen, meiner Meinung nach, ist eine ehrliche Debatte und eine
klare Positionierung, was das Bibliothekswesen bieten kann und will, und wie
es sich für die Zukunft rüstet.

Mit besten Grüßen aus Dornbirn


Mark Buzinkay, M.A. MSc  MBA

MB Informationsdesign
Information, Wissen und Prozesse managen
Grabenweg 4b, 6850 Dornbirn
Tel:  +43-650-5600509
eFax: +49-180-548-204-37148
eMail: office@xxxxxxxxxxxx
Web: http://www.buzinkay.net
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