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Re: [InetBib] Klage gegen Subito



Sehr geehrte Frau von Löw,

<Zitat> "Ich kann einfach nicht akzeptieren, dass das Instrument SUBITO
derart beschnitten werden soll. Warum können die Tantiemen denn nicht
weiterhin über VG Wort eingetrieben werden? Weil dann die Verlage nicht
genug "Geschäfte" machen? Die Fernleihe ist für die Bibliotheken - wie Sie
wissen - kein "Geschäft", sondern dient allein dem Verbreiten von Wissen.
Sie können sich dem doch nicht in den Weg stellen wollen - durch Verteuerung
des Dienstes? Unsere Kanzlerin will mehr "Freiheit wagen" - wie wäre es, in
dem Zusammenhang auch mehr "Internet zu wagen"."

Viele Bibliothekare denken wie Sie, dass SUBITO als gute und gemeinnützige
Sache durch geldgierige Verlage kaputt gemacht werden soll. Es gibt aber
Grund zu der Annahme, dass die Umstellung des SUBITO-Dienstes auf eine
vertragliche Lizenzbasis die Qualität des Angebots tatsächlich deutlich
erhöhen und für ein verbessertes Preis-Leistungsverhältnis sorgen würde.

Im Übrigen: Die durchschnittliche Umsatzrendite der deutschen
Publikumsverlage lag im Jahr 2003 bei 3,1 Prozent. In den
Wissenschaftsverlagen ist dieser Wert vermutlich etwas höher, aber ebenfalls
sicherlich deutlich vom zweistelligen Bereich entfernt. Mancher namhafte
Wissenschaftsverlag hat bei seiner Hausbank Kreditlinien, die im
zweistelligen Bereich liegen.

"Mehr Internet wagen" können solche Verlage deshalb nur, wenn sie mit ihren
elektronischen Angeboten Erlöse erzielen, die ihre Personal-, Finanzierungs-
und Gehäusekosten abdecken und eine gesunde Rendite ermöglichen (sonst gibt
es nach der nächsten Bilanz nämlich gar keinen Kredit mehr von der
Hausbank...). Dies versuchen die meisten Verlage, indem sie qualifiziertes
Personal beschäftigen und mit dessen Hilfe die besten Autoren für die besten
Konzepte zu akquirieren suchen, um so ein inhaltlich hochwertiges Angebot
auf die Beine zu stellen. Jeder, der dies mit online-Publikationen versucht,
stellt früher oder später fest, dass der Aufbau vernünftiger Datenstrukturen
und die Langzeitarchivierung gerade bei größeren Werken bzw. Datenbanken
kein triviales Unterfangen ist und dauerhaft einen hohen Pflegeaufwand
erfordert. Es ist ja nicht so, dass ein anspruchsvoller Autor mit einem pdf
der Druckausgabe seines Artikels zufrieden wäre: Linking, DOIs, CrossRef
sind schließlich inzwischen Standard, und der Wettbewerber - an den man den
Autor nicht verlieren will - bietet das schließlich auch.

Am Ende würden Sie als Verlegerin feststellen, dass Sie mit Ihrem mehr
gewagten Internet zwar die Vertriebskosten für Ihre Inhalte marginalisieren
konnten (mal davon abgesehen, dass Markt und Autor natürlich weiterhin auch
nach der Printausgabe verlangen, deren Auflage aber wegen des
online-Angebots sinkt), dafür aber die "first copy costs" mächtig in die
Höhe getrieben haben -  Qualität hat eben ihren Preis. Eben diese Kosten
müssen Sie jetzt im Markt erwirtschaften.

Sie veröffentlichen also als nächstes eine Preisliste, in der Sie - ob der
Qualität, die Sie bieten, ohne rot zu werden - festlegen, dass jemand, der
Ihr Internetangebot abonniert, absolut zwar am meisten, pro genutztem
Artikel aber am wenigsten bezahlt. Danach kommt der gestaffelte Preis für
die, die Ihnen eine bestimmte Anzahl von Tokens pro Jahr abnehmen, und am
Schluss der relativ hohe pay-per-use-Preis für den Einzelabnehmer. Das
finden Sie auch angemessen, denn schließlich ermöglicht Ihnen der
Einzelabnehmer anders als der Abonnent keine Mischfinanzierung, von der Sie
als Verlegerin - und dank Ihrer Zinszahlungen natürlich auch Ihre Hausbank -
ansonsten leben, und ein kleines Incentive für den Kunden, das nächste Mal
doch lieber gleich ein paar Tokens zu kaufen, darf ja wohl auch noch sein.
Das Ganze haben Sie so kalkuliert, dass die first-copy-costs gerecht auf
alle Nutzer verteilt werden. Wenn alles gut geht, ist auch noch eine kleine
Gehaltserhöhung für Ihre Lektorin drin, denn die hat schließlich einen prima
Job gemacht und soll das die nächsten Jahre auch noch weiter für Sie tun.
Und eine Sonderzahlung an die Hausbank, damit die Zinslast nicht mehr so
drückt und Sie den nächsten Autor auch mal zum Edel-Italiener an der Ecke
und nicht nur zum gutbürgerlichen Restaurant gegenüber ausführen können.

Nun endlich treten Sie auf den Markt. Ein bißchen mulmig ist Ihnen schon
(die Finanzierung bei der Hausbank und ihre persönliche Haftung, wenn's
schief gehen sollte). Aber eigentlich sind Sie doch guten Mutes, denn
schließlich haben Sie mehr Internet gewagt, die Qualität stimmt und der
Markt dafür sollte auch da sein. Bis Sie irgendwann merken, dass da im Markt
noch einer ist, der Ihre Inhalte verkauft. Nicht so ein niedriges Subjekt,
das "Geschäfte" machen muss wie Sie. Nein, Gewinne erzielt dieser Verleger
gar nicht. Aber er beliefert das Chemieunternehmen und den Autokonzern, dem
Sie eigentlich Ihr online-Abo verkaufen wollten, frei PC mit den Artikeln
aus Ihrem letzten Heft. Zwar nur als tifs, aber dafür kostet's auch nur ein
Zehntel Ihres Preises (und wenn sich's der Werkstudent über sein Uni-Account
bestellt, wird's sogar noch billiger...). Und damit dieser andere mit Ihren
Inhalten da bleibt, werfen sich die Verbände der Automobilindustrie und der
Chemischen Industrie oder der BDI beim Gesetzgeber mächtig ins Kreuz, weil's
schließlich alles so schön billig ist. Und rechtmäßig oben drein, denn Sie
bekommen schließlich für all diese vielen Nutzungen ja auch eine
"angemessene Vergütung" über die VG Wort... Schade nur, dass diese Vergütung
nicht angemessen genug ist, um Ihre first copy costs zu amortisieren.

Weil das alles so ist, Sie aber weiterhin mehr Internet wagen wollen, gehen
Sie noch einmal an Ihre Preisliste ran. Für die fehlenden Einnahmen von
denen, die Ihre Artikel zwar nutzen, aber nicht den Marktpreis dafür zahlen,
setzen Sie den Preis bei denen hoch, die von Ihnen ein online-Abo beziehen
oder Tokens kaufen - anders können Sie schließlich nicht kalkulieren.
Natürlich ruft diese Preiserhöhung einen Aufschrei und etliche
Abokündigungen bei Ihren Kunden hervor. (Manche dieser Kunden hatten
übrigens auch schon geschrien, als Sie Ihre Print-Abopreise um 20 Prozent
erhöht haben, weil die Umfänge um 25 Prozent zugenommen hatten, und als Sie
mehr Internet wagten und die kombinierten Print-online-Abos deutlich teurer
waren als die vorherigen reinen Print-Abos.) Der Kreditsachbearbeiter bei
Ihrer Hausbank findet das dagegen fair enough, ebenso auch die
Preiserhöhungen in den nächsten Jahren wegen der rückläufigen Abozahlen.
Währenddessen steigt die Nachfrage bei dem anderen Verleger, der Ihre
Inhalte als tifs verkauft, weiter an, weil die Kunden, die bei Ihnen
gekündigt haben, Ihre Artikel zwar lieber in besserer Qualität und mit den
sinnvollen online-features hätten, sich aber auch über die schöne Ersparnis
freuen usw. usf.

Ich weiß, das haben Sie sich unter "mehr Internet wagen" nicht vorgestellt,
und überhaupt ist so ein Posting hier politically incorrect. Aber es ist nun
einmal so, dass die "angemessene Vergütung" der VG Wort für Subito-Dokumente
die Höhe der first copy costs der Verlage oder die Qualität und
Attraktivität ihrer Inhalte völlig außer Acht lässt. Die Herstellungskosten
für einen langen Artikel in einer Zeitschrift zu speziellen Themen aus der
Nanotechnologie mit doppeltem Peer Review und einem Markt von 250
Subskribenten mögen 2000mal so hoch sein wie die für einen kurzen Beitrag in
einer juristischen Zeitschrift mit 120.000er Auflage, ohne peer review und
mit satten Anzeigeneinnahmen - für eine Subito-Nutzung erhalten beide
Verlage dennoch exakt denselben Betrag. "Rough Justice" nennt der
Angloamerikaner das.

Ganz schweigen wollen wir übrigens davon, dass die Verlage an den
Ausschüttungen der VG Wort nur mit 30 bzw. 50 Prozent beteiligt sind,
während die direkten Wettbewerber in den meisten ausländischen Staaten 100
Prozent der Ausschüttungen ihrer Verwertungsgesellschaften (bei vielfach
höheren Tarifen für den Dokumentversand) erhalten. Und weil es einfach
unappetitlich ist, dass Verlage mit Subito-Nutzungen "Geschäfte" machen,
setzt sich das sog. Urheberrechtsbündnis vehement dafür ein, dass die
Verlage künftig überhaupt nicht mehr an den Ausschüttungen der VG Wort
beteiligt werden...

Aber das ist nur ein kleiner Teil der Sichtweise eines
Wissenschaftsverlegers auf das Thema Subito. Bitte lesen Sie auch den Rest
unter http://www.urheberrecht.org/topic/Info-RiLi/st/Memorandum03.rtf

Mit freundlichen Grüßen

Christian Sprang (Börsenverein)


P.S.: Übrigens würden die von Verlagen festgesetzten Preise für
Subito-Nutzungen nicht etwa, wie Herr Dr. Müller glaubt, generell 35 Euro
pro Artikel betragen. Da würde sich der Kreditsachbearbeiter der Hausbank
nämlich schön bedanken, weil es mit den Zinszahlungen so mangels Einnahmen
nichts würde. Vielmehr würden die Verlage Titel pro Titel versuchen, den
optimalen Punkt auf der Preis/Absatz-Skala für Subito-Nutzungen zu
erwischen. Es kann also durchaus sein, dass die Artikel einiger
Zeitschriften dabei sogar billiger wären als bisher.



----- Original Message ----- From: "Löw Luise von" <loew@xxxxxxxxx>
To: "Internet in Bibliotheken" <inetbib@xxxxxxxxxxxxxxxxxx>
Sent: Wednesday, March 01, 2006 1:23 PM
Subject: Re: [InetBib] Klage gegen Subito


Sehr geehrter Herr Dr. Sprang,
Danke für die erhellenden Erläuterungen! Das erinnert mich daran, warum ich
die Göttinger Erklärung unterschrieben habe. Ich kann einfach nicht
akzeptieren, dass das Instrument SUBITO derart beschnitten werden soll.
Warum können die Tantiemen denn nicht weiterhin über VG Wort eingetrieben
werden? Weil dann die Verlage nicht genug "Geschäfte" machen? Die Fernleihe
ist für die Bibliotheken - wie Sie wissen - kein "Geschäft", sondern dient
allein dem Verbreiten von Wissen. Sie können sich dem doch nicht in den Weg
stellen wollen - durch Verteuerung des Dienstes? Unsere Kanzlerin will mehr
"Freiheit wagen" - wie wäre es, in dem Zusammenhang auch mehr "Internet zu
wagen".
Mit den besten Grüßen,
Luise von Löw, München

-----Ursprüngliche Nachricht-----
Von: inetbib-bounces@xxxxxxxxxxxxxxxxxx
[mailto:inetbib-bounces@xxxxxxxxxxxxxxxxxx] Im Auftrag von Dr. Christian
Sprang
Gesendet: Sonntag, 26. Februar 2006 22:43
An: Internet in Bibliotheken
Betreff: Re: [InetBib] Klage gegen Subito

Lieber Herr Eberhardt,

zu Ihrer Antwort auf mein letztes Posting folgender Hinweis:

<Zitat> "Und vielleicht irre ich mich, aber kommt nicht die
Subito-Klage vor allem von den großen Verlagen (und vom Börsenverein)?"

Die juristischen Auseinandersetzungen um Subito sind von
Kultusministerkonferenz (als Träger der Universitätsbibliotheken etc.) und
Bundesinnenministerium (als Träger der vier wissenschaftlichen
Zentralbibliotheken) eröffnet worden. Diese haben im Dezember 2003 bei der
Schiedsstelle des Deutschen Patent- und Markenamts - als Aufsichtsbehörde
der urheberrechtlichen Verwertungsgesellschaften - die Feststellung
beantragt, dass die Verwertungsgesellschaften verpflichtet seien, Subito den
weltweiten elektronischen Dokumentversand zu lizenzieren. Mit diesem
Verfahren, das im Rechtsmittelweg zum Oberlandesgericht München und dann
ggf. zum Bundesgerichtshof geht, wollte und will die öffentliche Hand
verhindern, dass sie den Versand von Zeitschriftenartikeln durch Subito
individuell bei den Verlagen lizenzieren muss. Da die Verlage nicht Partei
dieses Streits sind und ihr Vortrag dementsprechend nicht gehört wird, blieb
ihnen nichts anderes übrig, als im Frühjahr 2004 selbst Klage gegen Subito
beim Landgericht München zu erheben, um auf diese Weise den Streitstoff
selbst zum OLG München bzw. zum BGH bringen zu können. Klageführer sind der
Börsenverein, der internationale Wissenschaftsverlegerverband STM und
verschiedene deutsche und ausländische Verlage. Mehr als hundert kleine und
große deutsche Fach- und Wissenschaftsverlage haben ausdrücklich erklärt,
dass sie die Klage des Börsenvereins unterstützen. Die Unterstützerliste
kann von der Website des Börsenvereins abgerufen werden.
(http://www.boersenverein.de/de/69181?rubrik=82993&dl_id=77112)

Die Subito-Klage eignet sich also nicht dazu, große Wissenschaftsverlage
oder den Börsenverein zum Feindbild zu erheben. KMK und BMI haben die
Rechtsstreitigkeiten übrigens mitten in Gespräche zwischen Verlagen und
Subito hinein eröffnet. Dennoch sind diese Gespräche von den Verlagen bis
heute fortgesetzt worden. Verlage und Subito wären sich vielleicht schon
längst über eine umfassende Lizenzierungslösung einig, wenn KMK und BMI
(sowie offensichtlich auch das BMFT) nicht davon ausgingen, dass Subito
zumindest im deutschsprachigen Raum auf der Basis einer gesetzlichen
Erlaubnis agieren kann / soll. Dies ist in dem Umstand begründet, dass die
öffentliche Hand bei einem Großteil der inländischen Subito-Bestellungen
selbst Tantiemenschuldner ist und die Artikel statt zu von den Verlagen
festgesetzten Lizenzgebühren wie bisher zu den niedrigen Tarifen der VG Wort
erwerben möchte.

Mit freundlichen Grüßen

Christian Sprang (Börsenverein)







Listeninformationen unter http://www.inetbib.de.