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Re: [InetBib] [Inetbib] Re Newsletter Börsenverein (Posting von Christian Sprang, Justiziar des Börsenvereins)



Lieber Herr Sprang
prima, dass Sie sich aus Ihrer Ecke heraustrauen - da werden Sie sich warm anziehen müssen. Gleich zur Sache, wenn es gestattet ist, INETBIB hier in die Bildungsmafia-Diskussion etc. hineinzuziehen.

Wie Herr Sprang weiss, spielen Präpositionen an sich und ihre Position auch in juristischen Auseinandersetzungen eine wichtige Rolle (man denke nur an die Präpositon "im", wenn es im UrhR darum gebt, ob die Verwendung elektronischer Materialien "im" Unterricht erlaubt sein soll (also während des Unterrichts, wnn man das "im" wörtlich nimmt) oder ob es nicht besser heißen sollte "für" den Unterricht (also auch zur Vor- und Nachbereitung). Bislang ist es dem Aktionsbündnis nicht gelungen, das BMJ von letzterem zu überzeugen. Aber das war nur die Einleitung für diese Mail, aber damit sind wir, noch mal mit Verlaub der Liste, bei Urheberrechtsbündnis.

Kein Wunder, lieber Herr Sprang, dass Sie nicht so erfolgreich mit Ihren Klagen sind, wenn Sie schon beim Zitat des Titels des Aktionsbündnisses ganz falsch liegen. Das heißt nun mal nicht "Aktionsbündnis FÜR Urheberrecht in Bildung und Wissenschaft" , sondern Aktionsbündnis "Urheberrecht für Bildung und Wissenschaft". Vielleicht reicht auch eine juristische, nicht-linguistische Bildung, die unterschiedliche Semantik zu erkennen. Wer wollte Bildung und Wissenschaft das Recht absprechen, sich FÜR ein Urheberrecht einzusetzen, das mit den Zielen und Verpflichtungen von B+W verträglich ist. Auch der Koalitionsvertrag hat sich zum Ziel gesetzt, ein "bildungs- und wissenchaftsfreundliches Urheberrecht" zu schaffen. Daran wirkt das Aktionsbündnis mit.

Daher ein für allemal, das AB hat in keiner Weise vor, das Urheberrecht abzuschaffen - ganz im Gegenteil, auch die Rechte der Wissenschaftler und Lehrer als Urheber sollen gestärkt werden (deshalb setzen wir uns auch mit Creative Commons auseinander) - was nicht unbedingt dasselbe ist, wie die Rechteder Verwerter stärken (deshalb setzen wir uns u.a. auch mit Open Access auseinander). Wenn wir als AB natürlich auch die Rechte der Nutzer von Wissen und Information stärken wollen - das sind eben auch die Wissenschaftler und Lehrer -, dann ist das ja auch durchaus kompatibel mit dem UrhR, auch wenn das bislang leider nur über die Schranken (wie die bisherigen schlechten unzureichenden wie 52a etc.) möglich ist.

Ich setze auf Ihre Lernfähigkeit, Herr Sprang, und hoffe, dass Sie in Ihrer Email zum letzten Mal den Vorwurf erhoben haben, das AB wolle das Urheberrecht abschaffen. Dies hat für Sie auch den Vorteil, dass Sie, wenn Sie nun den Titel des Aktionsbündnis richtig zitieren und aussprechen, sich keine Sorge mehr um das Verdorren Ihres "Gemächt" machen müssen. (öffnet immerhin eine bislang in dieser Liste unbekannte Dimension).

Ansonsten - Sie wissen, dass das AB weiterhin der Auffassung ist, dass B+W und der Börsenverein nicht unbedingt in verschiedenen Booten sitzen müssen - wenn es Ihren Interessenvertretungen nur gelänge, vernünftige Geschäftsmodelle zu entwickeln, die elektronischen Umgebungen angemessen sind. Aber das ist ein weites Thema, bei dem wir uns, wie ja von Ihnen angekündigt, an anderer Stelle, aber auch hier, auseinandersetzen wollen.
Grüße
RK

Dr. Christian Sprang schrieb:
Liebe Inetbib-Liste,

getreu dem Motto "Ist der Ruf erst ruiniert, mailt sich's gänzlich ungeniert" möchte ich heute als Novize des 
konspirativen elektronischen Gedankenaustauschs zwischen Bibliothekaren und anderen Granden der Informationsszene mein bereits 
avisiertes erstes Posting machen. Ihnen, liebe Frau Mahrt-Thomsen, will ich dabei gleich eingangs die Aufmunterung zurufen, es 
mit der Akribie künftig noch ein bisschen ernster  zu nehmen. Über die unterlassene Nachfrage hinsichtlich der 
Veröffentlichung meiner verbandsinternen Newsletter (wo doch auf jedem unten meine Telefonnummer prangt!) haben wir ja schon 
den Schwamm drüber gewischt, aber dass Sie im Anschluss gleich unser Telefonat völlig verzerrt wiedergeben, stimmt mich 
doch verdrießlich.

Ich würde nämlich niemals einem Bibliothekar unterstellen, es mit dem Urheberrecht nicht genau 
zu nehmen. Im Gegenteil habe ich schon immer die (gern wiederholte) Auffassung von Frau Beger geteilt, 
dass es wenige Menschen auf Erden gibt, die es mit dem Einhalten von Rechtsvorschriften genauer nehmen 
als Bibliothekare. Nach meinen (zugegebenermaßen nicht ganz repräsentativen) empirischen 
Studien im Freundes- und Bekanntenkreis wird es ohne Gewissenhaftigkeitsgen mit einer Karriere als 
Bibliothekar nicht viel. Deswegen, liebe Frau Mahrt-Thomsen, ist es auch etwas ganz anderes, ob ein 
Bibliothekar es mit dem Urheberrecht nicht genau nimmt oder ob die im sog. Urheberrechtsbündnis 
organisierten Bibliothekare es mit dem Urheberrecht nicht genau nehmen, gell?

Womit wir gleich beim zweiten Punkt dieses Postings bzw. meines ruinierten Rufs wären. Ich gestehe, dass ich 
ob eines "Bildungsmafia" - entgegen einer hier geäußerten Vermutung - nicht rot anlaufe, schon 
weil die Adressaten meines Newsletters aufgrund der Anführungsstriche und ihres Empfängerhorizonts 
diesen Begriff anders als die fragliche Kollegin ganz sicher ironisch nehmen.

Glücklich oder gar präzise ist die Wortwahl zwar sicherlich nicht. Aber - mit Verlaub! - immerhin doch besser als die Bezeichnung "Aktionsbündnis FÜR Urheberrecht in Bildung und Wissenschaft", die ich zu vermeiden trachtete. Mir als Urheberrechtler geht es mit dieser Bezeichnung wie dem Bücherdieb in dem alten irischen Bücherfluch: Es müsste mir das Gemächt verdorren, wenn mir dieser Name für diese Inhalte über die Lippen ginge bzw. in die Tastatur flösse. Hier hat man ein GEGEN Urheberrecht in Bildung und Forschung gerichtetes Bündnis in bewusst irreführender Weise "Aktionsbündnis FÜR Urheberrecht in Bildung und Forschung" genannt. Wer sich inhaltlich mit diesem Lobbybündnis auseinandersetzt, wird nicht eine Forderung finden, die auf eine echte Stärkung des geistigen Eigentums von Autoren gerichtet ist. Vielmehr agiert das Bündnis durch und durch autoren- und vor allem verlagsfeindlich. Aber schauen Sie selbst: www.urheberrechtsbuendnis.de.
Mir persönlich ist übrigens durchaus unklar, wer denn eigentlich nach der Abschaffung des Urheberrechts in Bildung und 
Wissenschaft all die Aufgaben übernehmen soll, für die im Wissenschaftsbereich seit alters her die Verlage 
zuständig sind. Wer soll billiger, effizienter und neutraler als Verlage Veröffentlichungen aufbereiten und für 
den wissenschaftlichen Diskurs erschließen, wer Informationen selektieren, wer durch Wissen navigieren? Der Staat als 
Informationsgarant? Helfen uns wirklich weitere Millionen-Euro-Gräber wie German Academic Publishers und seine diversen 
Vorgänger- und Nachfolgeprojekte?

Dass es damit besser wird, muss man übrigens schon nach einem Blick auf die Historie bezweifeln: In den letzten 300 Jahren hat es immer wieder 
Gründungen von Autorenverlagen gegeben aus dem Ansatz heraus, die Kette vom Autor zum Leser ohne das private Kapital von Verlagen und dessen 
Interessen zu schließen. Keines dieser Konzepte hat sich länger am Markt behaupten können. Hingegen sind unter den ältesten 
Unternehmen überdurchschnittlich viele Verlage, die zum Teil auf ein mehrhundertjähriges Bestehen zurückblicken können. Sind wir also 
wirklich an einer Stelle, an der die Nutzung privaten Unternehmergeistes und Kapitals aufgrund technischer Entwicklungen für die 
(Wissens-)Gesellschaft entbehrlich ist? Ist der Verleger durch die Erfindung des Internets zum Heizer auf der E-Lok geworden? Oder sollte der Staat nicht 
vielmehr gerade jetzt auf die Stärkung des geistigen Eigentums und ein Wachsen der Etats von Bibliotheken setzen, wo wir uns in DSL-Geschwindigkeit 
durch einen riesigen Kübel von Informationen bewegen, die ein einzelner Nutzer nicht mehr in sinnvoller Weise für sich erschließen kann?

Wer mehr darüber wissen möchte, zu welchen Antworten auf diese Fragen der Börsenverein 
gekommen ist, kann sich dazu gerne informieren: Zum aktuellen Stand des Zweiten Korbs z.B. unter 
http://www.boersenverein.de/de/69181?rubrik=82993&dl_id=101234, zur Haltung der Verlage zu Subito (eine 
etwas ältere, aber im Kern immer noch gültige Stellungnahme) unter 
http://www.urheberrecht.org/topic/Info-RiLi/st/Memorandum03.rtf




--
Prof. Dr. Rainer Kuhlen
UNESCO Chair in Communication
Department of Computer & Information Science - University of Konstanz
D-78457 konstanz - Box D87
email: rainer.kuhlen@xxxxxxxxxxxxxxx; URL: http://www.kuhlen.name
Phone Univ.: +49 (0)7531 - 882879; Fax: +49 (0)7531 882048
Berlin: +49 (0)30 27594241; Fax: +49 (0)30 27594260
Mobile +49 0171 452 7010


* Speaker of the Coalition "Intellectual Property Rights for Education and Science" - http://www.urheberrechtsbuendnis.de/ * Member of the Committee for Information and Communication of the German Commission for UNESCO * Executive Board of HI (Society for Information Science e.V.) * Chair of NETHICS e.V. (Ethics in the Net) - www.nethics.net





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