Liebe Inetbib-Liste,
getreu dem Motto "Ist der Ruf erst ruiniert, mailt sich's gänzlich ungeniert" möchte ich heute als Novize des
konspirativen elektronischen Gedankenaustauschs zwischen Bibliothekaren und anderen Granden der Informationsszene mein bereits
avisiertes erstes Posting machen. Ihnen, liebe Frau Mahrt-Thomsen, will ich dabei gleich eingangs die Aufmunterung zurufen, es
mit der Akribie künftig noch ein bisschen ernster zu nehmen. Über die unterlassene Nachfrage hinsichtlich der
Veröffentlichung meiner verbandsinternen Newsletter (wo doch auf jedem unten meine Telefonnummer prangt!) haben wir ja schon
den Schwamm drüber gewischt, aber dass Sie im Anschluss gleich unser Telefonat völlig verzerrt wiedergeben, stimmt mich
doch verdrießlich.
Ich würde nämlich niemals einem Bibliothekar unterstellen, es mit dem Urheberrecht nicht genau
zu nehmen. Im Gegenteil habe ich schon immer die (gern wiederholte) Auffassung von Frau Beger geteilt,
dass es wenige Menschen auf Erden gibt, die es mit dem Einhalten von Rechtsvorschriften genauer nehmen
als Bibliothekare. Nach meinen (zugegebenermaßen nicht ganz repräsentativen) empirischen
Studien im Freundes- und Bekanntenkreis wird es ohne Gewissenhaftigkeitsgen mit einer Karriere als
Bibliothekar nicht viel. Deswegen, liebe Frau Mahrt-Thomsen, ist es auch etwas ganz anderes, ob ein
Bibliothekar es mit dem Urheberrecht nicht genau nimmt oder ob die im sog. Urheberrechtsbündnis
organisierten Bibliothekare es mit dem Urheberrecht nicht genau nehmen, gell?
Womit wir gleich beim zweiten Punkt dieses Postings bzw. meines ruinierten Rufs wären. Ich gestehe, dass ich
ob eines "Bildungsmafia" - entgegen einer hier geäußerten Vermutung - nicht rot anlaufe, schon
weil die Adressaten meines Newsletters aufgrund der Anführungsstriche und ihres Empfängerhorizonts
diesen Begriff anders als die fragliche Kollegin ganz sicher ironisch nehmen.
Glücklich oder gar präzise ist die Wortwahl zwar sicherlich nicht. Aber - mit Verlaub! - immerhin doch besser als die Bezeichnung "Aktionsbündnis FÜR Urheberrecht in Bildung und Wissenschaft", die ich zu vermeiden trachtete. Mir als Urheberrechtler geht es mit dieser Bezeichnung wie dem Bücherdieb in dem alten irischen Bücherfluch: Es müsste mir das Gemächt verdorren, wenn mir dieser Name für diese Inhalte über die Lippen ginge bzw. in die Tastatur flösse. Hier hat man ein GEGEN Urheberrecht in Bildung und Forschung gerichtetes Bündnis in bewusst irreführender Weise "Aktionsbündnis FÜR Urheberrecht in Bildung und Forschung" genannt. Wer sich inhaltlich mit diesem Lobbybündnis auseinandersetzt, wird nicht eine Forderung finden, die auf eine echte Stärkung des geistigen Eigentums von Autoren gerichtet ist. Vielmehr agiert das Bündnis durch und durch autoren- und vor allem verlagsfeindlich. Aber schauen Sie selbst: www.urheberrechtsbuendnis.de.
Mir persönlich ist übrigens durchaus unklar, wer denn eigentlich nach der Abschaffung des Urheberrechts in Bildung und
Wissenschaft all die Aufgaben übernehmen soll, für die im Wissenschaftsbereich seit alters her die Verlage
zuständig sind. Wer soll billiger, effizienter und neutraler als Verlage Veröffentlichungen aufbereiten und für
den wissenschaftlichen Diskurs erschließen, wer Informationen selektieren, wer durch Wissen navigieren? Der Staat als
Informationsgarant? Helfen uns wirklich weitere Millionen-Euro-Gräber wie German Academic Publishers und seine diversen
Vorgänger- und Nachfolgeprojekte?
Dass es damit besser wird, muss man übrigens schon nach einem Blick auf die Historie bezweifeln: In den letzten 300 Jahren hat es immer wieder
Gründungen von Autorenverlagen gegeben aus dem Ansatz heraus, die Kette vom Autor zum Leser ohne das private Kapital von Verlagen und dessen
Interessen zu schließen. Keines dieser Konzepte hat sich länger am Markt behaupten können. Hingegen sind unter den ältesten
Unternehmen überdurchschnittlich viele Verlage, die zum Teil auf ein mehrhundertjähriges Bestehen zurückblicken können. Sind wir also
wirklich an einer Stelle, an der die Nutzung privaten Unternehmergeistes und Kapitals aufgrund technischer Entwicklungen für die
(Wissens-)Gesellschaft entbehrlich ist? Ist der Verleger durch die Erfindung des Internets zum Heizer auf der E-Lok geworden? Oder sollte der Staat nicht
vielmehr gerade jetzt auf die Stärkung des geistigen Eigentums und ein Wachsen der Etats von Bibliotheken setzen, wo wir uns in DSL-Geschwindigkeit
durch einen riesigen Kübel von Informationen bewegen, die ein einzelner Nutzer nicht mehr in sinnvoller Weise für sich erschließen kann?
Wer mehr darüber wissen möchte, zu welchen Antworten auf diese Fragen der Börsenverein
gekommen ist, kann sich dazu gerne informieren: Zum aktuellen Stand des Zweiten Korbs z.B. unter
http://www.boersenverein.de/de/69181?rubrik=82993&dl_id=101234, zur Haltung der Verlage zu Subito (eine
etwas ältere, aber im Kern immer noch gültige Stellungnahme) unter
http://www.urheberrecht.org/topic/Info-RiLi/st/Memorandum03.rtf