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[InetBib] [Inetbib] Re Newsletter Börsenverein (Posting von Christian Sprang, Justiziar des Börsenvereins)



Liebe Inetbib-Liste,

 

getreu dem Motto "Ist der Ruf erst ruiniert, mailt sich's gänzlich ungeniert" 
möchte ich heute als Novize des konspirativen elektronischen Gedankenaustauschs 
zwischen Bibliothekaren und anderen Granden der Informationsszene mein bereits 
avisiertes erstes Posting machen. Ihnen, liebe Frau Mahrt-Thomsen, will ich 
dabei gleich eingangs die Aufmunterung zurufen, es mit der Akribie künftig noch 
ein bisschen ernster  zu nehmen. Über die unterlassene Nachfrage hinsichtlich 
der Veröffentlichung meiner verbandsinternen Newsletter (wo doch auf jedem 
unten meine Telefonnummer prangt!) haben wir ja schon den Schwamm drüber 
gewischt, aber dass Sie im Anschluss gleich unser Telefonat völlig verzerrt 
wiedergeben, stimmt mich doch verdrießlich.

 

Ich würde nämlich niemals einem Bibliothekar unterstellen, es mit dem 
Urheberrecht nicht genau zu nehmen. Im Gegenteil habe ich schon immer die (gern 
wiederholte) Auffassung von Frau Beger geteilt, dass es wenige Menschen auf 
Erden gibt, die es mit dem Einhalten von Rechtsvorschriften genauer nehmen als 
Bibliothekare. Nach meinen (zugegebenermaßen nicht ganz repräsentativen) 
empirischen Studien im Freundes- und Bekanntenkreis wird es ohne 
Gewissenhaftigkeitsgen mit einer Karriere als Bibliothekar nicht viel. 
Deswegen, liebe Frau Mahrt-Thomsen, ist es auch etwas ganz anderes, ob ein 
Bibliothekar es mit dem Urheberrecht nicht genau nimmt oder ob die im sog. 
Urheberrechtsbündnis organisierten Bibliothekare es mit dem Urheberrecht nicht 
genau nehmen, gell?

 

Womit wir gleich beim zweiten Punkt dieses Postings bzw. meines ruinierten Rufs 
wären. Ich gestehe, dass ich ob eines "Bildungsmafia" - entgegen einer hier 
geäußerten Vermutung - nicht rot anlaufe, schon weil die Adressaten meines 
Newsletters aufgrund der Anführungsstriche und ihres Empfängerhorizonts diesen 
Begriff anders als die fragliche Kollegin ganz sicher ironisch nehmen.

 

Glücklich oder gar präzise ist die Wortwahl zwar sicherlich nicht. Aber - mit 
Verlaub! - immerhin doch besser als die Bezeichnung "Aktionsbündnis FÜR 
Urheberrecht in Bildung und Wissenschaft", die ich zu vermeiden trachtete. Mir 
als Urheberrechtler geht es mit dieser Bezeichnung wie dem Bücherdieb in dem 
alten irischen Bücherfluch: Es müsste mir das Gemächt verdorren, wenn mir 
dieser Name für diese Inhalte über die Lippen ginge bzw. in die Tastatur 
flösse. Hier hat man ein GEGEN Urheberrecht in Bildung und Forschung 
gerichtetes Bündnis in bewusst irreführender Weise "Aktionsbündnis FÜR 
Urheberrecht in Bildung und Forschung" genannt. Wer sich inhaltlich mit diesem 
Lobbybündnis auseinandersetzt, wird nicht eine Forderung finden, die auf eine 
echte Stärkung des geistigen Eigentums von Autoren gerichtet ist. Vielmehr 
agiert das Bündnis durch und durch autoren- und vor allem verlagsfeindlich. 
Aber schauen Sie selbst: www.urheberrechtsbuendnis.de. 

 

Mir persönlich ist übrigens durchaus unklar, wer denn eigentlich nach der 
Abschaffung des Urheberrechts in Bildung und Wissenschaft all die Aufgaben 
übernehmen soll, für die im Wissenschaftsbereich seit alters her die Verlage 
zuständig sind. Wer soll billiger, effizienter und neutraler als Verlage 
Veröffentlichungen aufbereiten und für den wissenschaftlichen Diskurs 
erschließen, wer Informationen selektieren, wer durch Wissen navigieren? Der 
Staat als Informationsgarant? Helfen uns wirklich weitere Millionen-Euro-Gräber 
wie German Academic Publishers und seine diversen Vorgänger- und 
Nachfolgeprojekte?

 

Dass es damit besser wird, muss man übrigens schon nach einem Blick auf die 
Historie bezweifeln: In den letzten 300 Jahren hat es immer wieder Gründungen 
von Autorenverlagen gegeben aus dem Ansatz heraus, die Kette vom Autor zum 
Leser ohne das private Kapital von Verlagen und dessen Interessen zu schließen. 
Keines dieser Konzepte hat sich länger am Markt behaupten können. Hingegen sind 
unter den ältesten Unternehmen überdurchschnittlich viele Verlage, die zum Teil 
auf ein mehrhundertjähriges Bestehen zurückblicken können. Sind wir also 
wirklich an einer Stelle, an der die Nutzung privaten Unternehmergeistes und 
Kapitals aufgrund technischer Entwicklungen für die (Wissens-)Gesellschaft 
entbehrlich ist? Ist der Verleger durch die Erfindung des Internets zum Heizer 
auf der E-Lok geworden? Oder sollte der Staat nicht vielmehr gerade jetzt auf 
die Stärkung des geistigen Eigentums und ein Wachsen der Etats von Bibliotheken 
setzen, wo wir uns in DSL-Geschwindigkeit durch einen riesigen Kübel von 
Informationen bewegen, die ein einzelner Nutzer nicht mehr in sinnvoller Weise 
für sich erschließen kann?

 

Wer mehr darüber wissen möchte, zu welchen Antworten auf diese Fragen der 
Börsenverein gekommen ist, kann sich dazu gerne informieren: Zum aktuellen 
Stand des Zweiten Korbs z.B. unter 
http://www.boersenverein.de/de/69181?rubrik=82993&dl_id=101234, zur Haltung der 
Verlage zu Subito (eine etwas ältere, aber im Kern immer noch gültige 
Stellungnahme) unter 
http://www.urheberrecht.org/topic/Info-RiLi/st/Memorandum03.rtf


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