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[InetBib] Prüfungsarbeiten in Bibliotheken?!
- Date: Mon, 9 Jan 2006 15:12:09 +0100 (CET)
- From: Eric Steinhauer <eric.steinhauer@xxxxxxxxx>
- Subject: [InetBib] Prüfungsarbeiten in Bibliotheken?!
Liebe Frau Kustos, liebe Liste,
auch Dissertationen sind Prüfungsleistungen. Sie unterliegen dem Prüfungsrecht
der Hochschule, das eine Veröffentlichung zwingend vorschreibt. So gesehen ist
der Hinweis, Diplom- und Masterarbeiten seien Prüfungsarbeiten, wenig hilfreich.
Ich will einmal grunsätzlich werden:
Die ganze Diskussion, die hier immer wieder in der Liste geführt wird, hat zwei
Gründe, einen faktischen und einen politischen.
1. Der faktische Grund ist ein zweifacher.
1.1 Zum einen werden Auskunftsbibliothekare und Fernleihmitarbeiter immer
wieder mit Anforderungen nach Prüfungsarbeiten unterhalb der Promotion
konfroniert. Es gibt hier ein faktisches Informationsbedürfnis, das an die
Bibliotheken herangetragen wird.
1.2 Zum anderen finden sich aus verschiedenen, meist irgendwie gewachsenen
Gründen heraus in Bibliotheken mehr oder weniger große Bestände von
Prüfungsarbeiten, die im Katalog verzeichnet sind und zur Benutzung
bereitgestellt werden, obwohl sie streng genommen gar nicht "publiziert" sind.
Über die rechtlichen Probleme hierbei wurde in der Liste schon lang und breit
diskutiert.
Die zwei faktischen Gründe bringen das Thema Prüfungsabreiten immer wieder ans
Licht und zwingen die Bibliothek zu Reaktionen. Da die Rechtslage hier etwas
kompliziert ist, gibt es hier wenig Routine und damit überdurchschnittlichen
Verwaltungsaufwand in der Bibliothek.
2. Daraus folgt der zweite, der politische Grund, warum wir uns mit
Prüfungsarbeiten beschäftigen sollen. Er hat wiederum zwei Aspekte
2.1 Es wäre für die Bibliotheken sehr angenehm, wenn das Prüfungsrecht der
eigenen Hochschule die Publikation von Prüfungsarbeiten regeln würde. Dann wäre
die Bibliotheksarbeit erleichtert. Auch wäre dies ein Feld, auf dem sich die
Bibliothek als zentrale Einrichtung der Hochschule gut positionieren kann. Es
ist daher eine bibliothekspolitische Forderung, Prüfungsarbeiten zu publizieren
und zu erschließen.
2.2 Schließlich reden wir hier über wissenschaftliche Arbeiten. Diskussion und
Kritik sind konstitutiv für Wissenschaft. Beides ist nur möglich, wenn
Ergbenisse publiziert sind. Wer sich mit dem Anspruch der Wissenschaftlichkeit
im System Wissenschaft bewegt, ist gehalten, seine Ergebnisse zu publizieren.
Es ist schlicht widersinnig, Prüfungsleistungen, die einen wissenschaftlichen
Ausbildungsstand dokumentieren sollen, nicht zu veröffentlichen. Erst die
Publikation unterscheidet Wissenschaft von Schule oder rein
erwerbswirtschaftlich orientiertem Arbeiten. In diesem Sinne ist auch die
Kritik von Herrn Graf zu sehen, der aus der Wissenschaft kommt und völlig zu
Recht weitgehende Publizität wissenschaftlicher Ergebnisse anmahnt. Ob diese
schon auf dem BA-Niveau beginnen sollen, darüber kann man streiten. Eine
sinnvolle wissenschafspolitische Forderung ist es allemal. Es dient überdies
der Qualitätssicherung. Das ist ganz gewiß auch ein Grund, warum die
Publikation derartiger Arbeiten auch und gerade von Seiten der Professoren
kritisch gesehen wird.
Langer Rede kurzer Sinn: Das Thema Prüfungsarbeiten unterhalb von
Dissertationen ist für Bibliotheken aus rein tatsächlichen Gründen relevant.
Sofern sich Bibliotheken als Akteure im Wissenschaftssystem verstehen, sollten
sie hier auch Partei ergreifen und politische Forderungen formulieren. Eine
Bibliothek freilich, die nur Buchverwahranstalt ist, kann sich mit dem
bescheiden, was ihr vorgelegt wird, ohne danach zu fragen, ob das nun sinnvoll
ist oder nicht. Ich denke, das ist nicht der Ansatz der meisten Kolleginnen und
Kollegen, die ihre Kompetenz als Informationsspezialisten durchaus auch
politisch verstehen wollen und den Anspruch haben, das Informationsangebot und
das Publikationswesen an ihrer Hochschule zu verbessern und zu gestalten.
Viele Grüße aus Thüringen
Eric Steinhauer
http://www.steinhauer-home.de
Listeninformationen unter http://www.inetbib.de.