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Re: [InetBib] Urheberrecht an digitalisierten Werken



Liebe Frau Lübcke,

wie mir scheint haben Sie bisher noch keine seriöse Antwort auf Ihre Frage erhalten. Ich will das mal in der gebotenen Kürze versuchen.

Im Urheberrechtsgesetz gibt es eine Vorschrift über den Rechtsschutz von Lichtbildern (§ 72 UrhG). Er lautet:
"(1) Lichtbilder und Erzeugnisse, die ähnlich wie Lichtbilder hergestellt werden, werden in entsprechender Anwendung der für Lichtbildwerke geltenden Vorschriften des Teils 1 geschützt.

(2) Das Recht nach Absatz 1 steht dem Lichtbildner zu.

(3) Das Recht nach Absatz 1 erlischt fünfzig Jahre nach dem Erscheinen des Lichtbildes oder, wenn seine erste erlaubte öffentliche Wiedergabe früher erfolgt ist, nach dieser, jedoch bereits fünfzig Jahre nach der Herstellung, wenn das Lichtbild innerhalb dieser Frist nicht erschienen oder erlaubterweise öffentlich wiedergegeben worden ist. Die Frist ist nach § 69 zu berechnen."

Obwohl es noch kein Urteil über die Frage der Digitalisierung (Scannen) gibt, wollen die juristischen Kommentare diese Vorschrift auch auf "digitale Lichtbilder" angewendet wissen, wenn dazu eine persönliche Leistung eingesetzt wird. Was bedeutet das im Ergebnis?

Durch § 72 UrhG wird die erzeugte Abbildung geschützt, nicht das Original, die Vorlage. Das heißt, das Digitalisat einer Bibel genießt Rechtsschutz zugunsten des Herstellers, hindert Sie aber nicht daran, von der gleichen Originalvorlage eine neue digitale Kopie anzufertigen. Den Schutz nach § 72 können nur Menschen erlangen, nicht aber Bibliotheken, Archive usw. (Man kann sich aber als Bibliothek das Nutzungsrecht vom Lichtbildner vertraglich übertragen lassen.)

Ich würde Ihnen raten, alle gewünschten Digitalisate durch eigenes Personal vornehmen zu lassen. Dem Besteller übertragen Sie sodann vertraglich lediglich ein einfaches Nutzungsrecht an der Digitalkopie. Damit erhalten Sie Ihrer Bibliothek die volle Verfügungsfreiheit über den Altbestand und die daraus angefertigten digitalen Kopien.

Mit freundlichen, juristischen Grüßen
(für die DBV-Rechtskommission)

--
Dr. Harald Müller

Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht / Bibliothek
Max Planck Institute for Comparative Public Law
and International Law / Library
Im Neuenheimer Feld 535; D-69120 Heidelberg
Phone: +49 6221 482 219; Fax: +49 6221 482 593
Mail: hmueller@xxxxxxx



---------- Original Message ----------------------------------
From: VIZ Charlottenburg-Wilmersdorf <viz@xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx>
Reply-To: Internet in Bibliotheken <inetbib@xxxxxxxxxxxxxxxxxx>
Date:  Mon, 26 Sep 2005 16:05:10 +0200

>Liebe Kollegen und Kolleginnen,
>
>irgendwann habe ich einmal gehört bzw. verstanden, dass derjenige, der zuerst z.B. ein Buch, dessen Urhberrechte erloschen sind, digitalisiert, auch die Urheberrecht
>an diesem digitalisierten Buch besitzt. Kann mir jemand sagen, ob das stimmt?
>Hintergrund: Wir besitzen einen großen Altbestand, und immer mehr Institutionen möchten Fotos oder ganze Bücher aus unserem Bestand digitalisieren. Auf meine
>Nachfrage hin heißt es dann oft,  das Digitalisat solle in den eigenen Bestand aufgenommen werden.
>Über zahlreiche Antworten würde ich mich freuen.
>
>Mit den besten Grüßen
>Monika Lübcke
>
>VIZ Charlottenburg-Wilmersdorf
>Otto-Suhr-Allee 100
>10585 Berlin
>
>Tel.: 030/9029-12420
>Fax: 030/9029-12228
>
>E-Mail: viz@xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx
>
>Die E-Mail-Adresse ist nicht als elektronische Signatur geeignet.
>





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