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AW: Benutzungsordnung



Liebe Kolleginnen und Kollegen,

Rechtsrat in einzelnen Fällen zu erteilen, ist nur besonderen Personen
gestattet, Bibliothekare verweisen daher nur auf andere, die eine Meinung
generell geäußert haben.
Da trifft es sich gut, dass wir
a) auf den von Dr. Graf bereits erwähnten Heidelberger Kollegen Dr. Müller
und
b) meinen Amtsvorgänger Dr. Hildebert Kirchner
verweisen können, die sich beide in besonderem Masse der Rechtsfragen im
Bibliothekswesen angenommen haben.

Kirchner hat mit Rosa Wendt 1990 beim DBI die dbi-materialien 93
"bibliotheksbenutzungsordnungen - Regelungsgegenstände, Formulierungshilfen,
Rechtsgutachten - herausgegeben (Auch hierzu hat übrigens Frau Morgenstern
vom DBI wertvolle Entstehungshilfe geleistet).
Darin findet sich im 3. Teil, Gutachten über Rechtsfragen von
Benutzungsordnungen, 4. Vergleich der gesetzlichen Rechtslage bei
privatrechtlicher und öffentlich-rechtlicher Nutzung der Punkt "4.4
Minderjährige". Den dort folgenden Text gebe ich Ihnen nachstehend wieder.
Er sollte auch für nicht Nichtjuristen klar machen, dass es möglich ist, auf
die Einwilligung von Erziehungs(bzw. Sorge-)berechtigten (eine/r muß
reichen) zu verzichten, wenn man es so will in Kenntnis der Schwierigkeiten,
die man sich aus der Nichtdurchführbarkeit von Zwangsmaßnahmen gegen den
unbotmäßigen Benutzer einhandeln kann.
Wie die Formulierung des Landesverwaltungsamtes abgefasst ist und ob dieses
gegenüber der betroffenen Bibliothek nur etwas empfehlen oder Ihnen
gegenüber auch etwas anordnen kann, habe ich nicht geprüft. Vielleicht läßt
sich auf Basis dieser dbi-Materialie eine einvernehmliche Lösung finden in
der Richtung, dass die Bibliothek sich zu einer Änderung der
Benutzungsordnung bereithält, wenn innerhalb einer gewissen Zeit eine
bestimmte Menge von definierten Problemfällen aufgetreten ist.

Mit freundlichen Grüßen

Dietrich Pannier

Bundesgerichtshof - Bibliothek-, Herrenstrasse 45a, D-76133 Karlsruhe
Tel. +49(0)721 159300, Fax +49(0)721 159824; Mail:
pannier.dietrich _at__ bgh.bund.de
Homepage: http://www.bundesgerichtshof.de

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Auszug:

4.4 Minderjährige
Die Fähigkeit, Verträge abzuschließen, erfordert die Geschäftsfähigkeit der
handelnden person. Minderjährige sind entweder geschäftsunfähig oder
zwischen der Vollendung des 7. Lebensjahres bis zur Vollendung des 18.
Lebensjahres beschränkt geschäftsfähig (§§ 104 - 106 BGB). Geschäftsunfähige
können auch nicht mit Zustimmung ihrer gesetzlichen Vertreter wirksam
rechtsgeschäftlich handeln. Sie sind allerdings von den Folgen solcher
Rechtsgeschäfte betroffen, die die gesetzlichen Vertreter in ihrem Namen
vorgenommen haben. Für einen Sechsjährigen können also nur die Eltern ein
Benutzungsverhältnis eingehen. Wer mit einem Geschäftsonfähigen selbst einen
Vortrag schließt, wird nach dem Gesetz in keiner Weise geschützt.21) Auch
bei dem beschränkt Geschäftsfähigen sind es in der Regel die gesetzlichen
Vertreter, die an seiner Stelle mit Wirkung für ihn Rechtsgeschäfte
vornehmen. Gesetzliche Vertreter sind im allgemeinen die Eltern. Der
Minderjährige kann jedoch auch einen Vormund haben. Grundsätzlich besteht
für die Eltern Gesamtvertretung. Doch ist es möglich, daß die
Vertretungsmacht zusammen mit dem Sorgerecht einem Elternteil übertragen
worden ist. Auch kann ein Elternteil den anderen ermächtigen, Erklärungen im
Hinblick auf den Minderjährigen auch in seinem Namen abzugeben. In diesen
Fällen genügt also die Zustimmung eines Eiternteils. Davon ist auch
auszugehen, wenn im Sinne einer Funktionsteilung üblicherweise ein
Elternteil für bestimmte Vorrichtungen allein die Zustimmung ausspricht. Die
Bibliothek kann sich daher mit der Zustimmung zur Bibliotheksbenutzung durch
einen Eiternteil begnügen. In besonderen Fällen räumt allerdings das Gesetz
dem beschränkt Geschäftsfähigen das Recht ein, selbst gültige Geschäfte
abzuschließen. So ist ein Rechtsgeschäft von Anfang an gültig, wenn es dem
Betreffenden lediglich einen rechtlichen Vorteil bringt oder wenn der
gesetzliche Vertreter von vornherein zugestimmt hat (§ 107 BGB). Der erste
Fall scheidet aus, sobald irgendein rechtlicher Nachteil mit dem Geschäft
verbunden ist. Sind Vor- und Nachteile miteinander abzuwägen, so muß die
Entscheidung darüber, ob das Geschäft im wohlverstandenen Interesse des
Minderjährigen liegt, von den gesetzlichen Vertretern getroffen werden.22)
Daher ist selbst bei einem Leibvertrag, weil mit ihm außer der
Rückgabeverpflichtung auch noch Sorgfalts-  und Obhutspflichten verbunden
sind, die Einwilligung der gesetzlichen Vertreter erforderlich.23) Fehlt die
Einwilligung, ist der Vertrag zunächst schwebend unwirksam. Die gesetzlichen
Vertreter können ihm durch nachträgliche Genehrnigung aber noch rückwirkend
Gültigkeit verleihen (§ 108 BGB). Die Ungewißheit, ob solche Leihverträge
genehmigt werden, ist in einem Massengeschäft risikoreich, denn dadurch wird
die Abwicklung möglicher Schadensfälle unkalkulierbar. Gleiches gilt für den
sog. Taschengeldparagraphen (§ 1 1 0 BGB), der die Gültigkeit des Geschäfts
rückwirkend von der Erfüllung der Ver-   tragspflichten mit freien Mitteln
abhängig macht. In Dauerschuldverhältnissen ist seine Anwendbarkeit ohnehin
fraglich. So schafft nur die im voraus erklärte Einwilligung
Rechtssicherheit. Will die Bibliothek allerdings, um den Minderjährigen
nicht von der Bibliotheksbenutzung abzuhalten, auf die ausdrückliche
Einwilligung der gesetzlichen Vertreter verzichten, so bleiben also die
jeweiligen Vertragsabschlüsse gem. § 108 BGB schwebend unwirksam. Die
Parteien können aus ihm keine Rechte und Pflichten herleiten.24) Weigert
sich mithin der Minderjährige, die infolge der Fristversäumung angefallenen
Mahnkosten oder die Vertragsstrafe zu zahlen, so kann die Bibliothek sie
nicht einklagen. Da die Rückgabepflicht nicht aufgrund eines Vertrages
entstanden ist, läßt sich der Herausgabeanspruch der Bibliothek nur aus dem
Eigentumsrecht herleiten (§ 985   BGB). Wegen Verlusten und Beschädigungen
kann sich die Bibliothek außerdem auf § 823 BGB berufen. Jedoch nützt eine
darauf gestützte Klage nichts, wenn der Minderjährige vermögenslos ist. Bei
älteren Jugendlichen allerdings wird man ganz allgemein davon ausgehen
dürfen, daß die gesetzlichen Vertreter in wohlverstandener Ausübung ihres
Erziehungsrechts (§ 1626 BGB) ihren Heranwachsenden eine generelle
Einwilligung in Geschäfte erteilt haben, die wie die Bibliotheksbenutzung in
einem finanziell überschaubaren Rahmen bleiben und dem Alter entsprechende
Benutzungsmöglichkeiten betreffen, so daß hier auch Benutzungsvorträge von
Anfang an wirksam sein dürften. (Das wird man z.B. bei einem Schüler
hinsichtlich der Ausleihe unterrichtsbegleitender Literatur bzw. bei einem
Auszubildenden für Ausbildungsschrifttum annehmen dürfen). Das schließt
nicht aus, bei   wertvollem Leihgut zuvor die Einwilligung festzustellen.
Die Einwilligung bzw. Genehmigung bewirkt lediglich, daß das Rechtsgeschäft
mit dem Minderjährigen zustandekommt. Nur er selbst wird also daraus
berechtigt und verpflichtet. Die Eltern werden nicht Vertragspartner und
haben daher grundsätzlich nicht für Pflichtverletzungen ihrer Kinder
einzustehen. Soll die Möglichkeit eröffnet werden, sich außer an den
Minderjährigen  wegen eventueller Ansprüche auch an dessen gesetzliche
Vertreter zu  halten, müssen diese entweder veranlaßt werden, für die
Verpflichtungen des Minderjährigen eine Bürgschaft zu übernehmen oder sich
neben ihnen - etwa durch Schuldbeitritt - als Gesamtschuldner zu
verpflichten.25) Im Falle der Bürgschaft haben die Eltern eine schriftliche
Bürgschaftserklärung abzugeben (§ 766 BGB). Da ein Schuldbeitritt oder gar
darüber hinausgehend ein Garantieversprechen formlos möglich ist, ließe sich
daran denken, in der Einwilligung einen Schuldbeitritt oder einen
Garantievertrag zu sehen. Solch weitgehende Folgerungen können jedoch im
Zweifelsfall nicht gezogen werden. Auch ein entsprechender Passus in der
Benutzungsordnung würde nicht weiterführen,  weil dann feststehen müßte, daß
die gesetzlichen Vertreter davon  Kenntnis genommen haben. So ist in jedem
Falle die Schriftform empfehlenswert.  Ist das Benutzungsverhältnis
öffentlich-rechtlich geregelt, so gelten  über § 12 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG die
Regeln des bürgerlichen Rechts entsprechend. Eine spezielle gesetzliche
Regelung, die den Minderjährigen Handlungsfähigkeit auf dem Gebiet des
Bibliothekswesens einräumt, besteht nicht. Selbst in denjenigen
Bundesländern, in denen das Satzungsrecht der Gemeinden, Landkreise,
Hochschulen und anderer Selbstverwaltungskörperschaften den
Landesverwaltungsgesetzen vorgeht,26) dürfte eine Begründung der
Handlungsfähigkeit durch  Satzung nicht möglich sein, weil die
Leitbildfunktion des in Frage kommenden Landesverwaltungsverfahrensgesetzes
nicht beiseite geschoben werden kann, was darauf hinausläuft, daß die
Regelung des Gesetzes erhalten bleibt. Durch die Einwilligung der
gesetzlichen Vertreter wird also wiederum  nur der Minderjährige Benutzer,
denn Benutzer ist derjenige, der die Einrichtung unmittelbar in Anspruch
nimmt. Sollen die Eltern für Schäden aus diesem Benutzungsverhältnis haften,
müßten sie wie im  Privatrecht eine entsprechende Erklärung abgeben. Eine
Besonderheit gilt hinsichtlich kommunaler Gebührenschulden. Im
Geltungsbereich der jeweiligen kommunalen Abgabengesetze führt die
Verweisung auf die Anwendbarkeit der Abgabenordnung zur Begründung einer
eigenen abgabenrechtlichen Pflicht der gesetzlichen  Vertreter. Gem. § 34 AO
haben die gesetzlichen Vertreter die Pflichten der nicht handlungsfähigen
Person zu erfüllen. Dadurch werden sie aber nicht selbst Gebührenschuldner,
sondern nur verpflichtet, an deren Stelle zu handeln, d.h. die
Verpflichtungen der Minderjährigen aus deren Vermögen zu erfüllen. Verletzt
der Vertreter jedoch grobfahrlässig diese Pflicht, so haftet er auch
persönlich mit seinem Vermögen,  §§ 44 Abs. 1 Satz 1, 69 AO. Dieser Fall
setzt aber bei den Minderjährigen bzw. deren Eltern ein irgendwie geartetes
Vermögen voraus. Eltern und Kinder immer gleichzeitig durch Satzung zu
Benutzern zu  erklären, um sie damit zu Gesamtschuldnern zu machen (etwa wie
Eigentümer und Mieter bei der Müllabfuhr), dürfte am Prinzip der
Gegenleistung und dem Veranlassungs- und Verursachungsprinzip scheitern.27)



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