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Re: AW: Benutzungsordnung



Liebe Kolleginnen und Kollegen,
meines Erachtens sollte man die Antwort von Kollegen Pannier ergänzen:
Wenn nämlich der Minderjährige von seinen gesetzlichen Vertretern ermächtigt
wird, in Dienst oder Arbeit zu treten und ein rechtsgültiger Arbeits- bzw.
Ausbildungsvertrag zustande kommt, dann ist  der Minderjährige für
Rechtsgeschäfte  geschäftsfähig, die sich aus der Erfüllung der sich aus einem
solchen Verhältnis ergebenden Verpflichtungen ergeben.
In diesem Sinne ist der Jugendliche (über 15 Jahre) für die Bibliotheksbenutzung
sicherlich geschäftsfähig.
(vgl. Arbeitsrechtsliteratur "Minderjährige")
Auch nach dem Sozialgesetzbuch können Minderjährige mit Vollendung des 15.
Lebensjahres Anträge auf Sozialleistungen stellen, verfolgen sowie
Sozialleistungen entgegennehmen - sind hierfür also ebenfalls geschäftsfähig.
Auch Bibliotheksbenutzung dürfte in diesem Sinne als kommunale Sozialleistung
betrachtet werden können.
Insofern also erscheint es durchaus berechtigt, dass Unterschiede zwischen
Kindern und Jugendlichen in der Benutzungsordnung festgelegt werden.
Was meinen die Bibliotheksjuristen dazu?
MfG Dietmar Kummer

Pannier schrieb:

> Liebe Kolleginnen und Kollegen,
>
> Rechtsrat in einzelnen Fällen zu erteilen, ist nur besonderen Personen
> gestattet, Bibliothekare verweisen daher nur auf andere, die eine Meinung
> generell geäußert haben.
> Da trifft es sich gut, dass wir
> a) auf den von Dr. Graf bereits erwähnten Heidelberger Kollegen Dr. Müller
> und
> b) meinen Amtsvorgänger Dr. Hildebert Kirchner
> verweisen können, die sich beide in besonderem Masse der Rechtsfragen im
> Bibliothekswesen angenommen haben.
>
> Kirchner hat mit Rosa Wendt 1990 beim DBI die dbi-materialien 93
> "bibliotheksbenutzungsordnungen - Regelungsgegenstände, Formulierungshilfen,
> Rechtsgutachten - herausgegeben (Auch hierzu hat übrigens Frau Morgenstern
> vom DBI wertvolle Entstehungshilfe geleistet).
> Darin findet sich im 3. Teil, Gutachten über Rechtsfragen von
> Benutzungsordnungen, 4. Vergleich der gesetzlichen Rechtslage bei
> privatrechtlicher und öffentlich-rechtlicher Nutzung der Punkt "4.4
> Minderjährige". Den dort folgenden Text gebe ich Ihnen nachstehend wieder.
> Er sollte auch für nicht Nichtjuristen klar machen, dass es möglich ist, auf
> die Einwilligung von Erziehungs(bzw. Sorge-)berechtigten (eine/r muß
> reichen) zu verzichten, wenn man es so will in Kenntnis der Schwierigkeiten,
> die man sich aus der Nichtdurchführbarkeit von Zwangsmaßnahmen gegen den
> unbotmäßigen Benutzer einhandeln kann.
> Wie die Formulierung des Landesverwaltungsamtes abgefasst ist und ob dieses
> gegenüber der betroffenen Bibliothek nur etwas empfehlen oder Ihnen
> gegenüber auch etwas anordnen kann, habe ich nicht geprüft. Vielleicht läßt
> sich auf Basis dieser dbi-Materialie eine einvernehmliche Lösung finden in
> der Richtung, dass die Bibliothek sich zu einer Änderung der
> Benutzungsordnung bereithält, wenn innerhalb einer gewissen Zeit eine
> bestimmte Menge von definierten Problemfällen aufgetreten ist.
>
> Mit freundlichen Grüßen
>
> Dietrich Pannier
>
> Bundesgerichtshof - Bibliothek-, Herrenstrasse 45a, D-76133 Karlsruhe
> Tel. +49(0)721 159300, Fax +49(0)721 159824; Mail:
> pannier.dietrich _at__ bgh.bund.de
> Homepage: http://www.bundesgerichtshof.de
>
> -------------
> Auszug:
>
> 4.4 Minderjährige
> Die Fähigkeit, Verträge abzuschließen, erfordert die Geschäftsfähigkeit der
> handelnden person. Minderjährige sind entweder geschäftsunfähig oder
> zwischen der Vollendung des 7. Lebensjahres bis zur Vollendung des 18.
> Lebensjahres beschränkt geschäftsfähig (§§ 104 - 106 BGB). Geschäftsunfähige
> können auch nicht mit Zustimmung ihrer gesetzlichen Vertreter wirksam
> rechtsgeschäftlich handeln. Sie sind allerdings von den Folgen solcher
> Rechtsgeschäfte betroffen, die die gesetzlichen Vertreter in ihrem Namen
> vorgenommen haben. Für einen Sechsjährigen können also nur die Eltern ein
> Benutzungsverhältnis eingehen. Wer mit einem Geschäftsonfähigen selbst einen
> Vortrag schließt, wird nach dem Gesetz in keiner Weise geschützt.21) Auch
> bei dem beschränkt Geschäftsfähigen sind es in der Regel die gesetzlichen
> Vertreter, die an seiner Stelle mit Wirkung für ihn Rechtsgeschäfte
> vornehmen. Gesetzliche Vertreter sind im allgemeinen die Eltern. Der
> Minderjährige kann jedoch auch einen Vormund haben. Grundsätzlich besteht
> für die Eltern Gesamtvertretung. Doch ist es möglich, daß die
> Vertretungsmacht zusammen mit dem Sorgerecht einem Elternteil übertragen
> worden ist. Auch kann ein Elternteil den anderen ermächtigen, Erklärungen im
> Hinblick auf den Minderjährigen auch in seinem Namen abzugeben. In diesen
> Fällen genügt also die Zustimmung eines Eiternteils. Davon ist auch
> auszugehen, wenn im Sinne einer Funktionsteilung üblicherweise ein
> Elternteil für bestimmte Vorrichtungen allein die Zustimmung ausspricht. Die
> Bibliothek kann sich daher mit der Zustimmung zur Bibliotheksbenutzung durch
> einen Eiternteil begnügen. In besonderen Fällen räumt allerdings das Gesetz
> dem beschränkt Geschäftsfähigen das Recht ein, selbst gültige Geschäfte
> abzuschließen. So ist ein Rechtsgeschäft von Anfang an gültig, wenn es dem
> Betreffenden lediglich einen rechtlichen Vorteil bringt oder wenn der
> gesetzliche Vertreter von vornherein zugestimmt hat (§ 107 BGB). Der erste
> Fall scheidet aus, sobald irgendein rechtlicher Nachteil mit dem Geschäft
> verbunden ist. Sind Vor- und Nachteile miteinander abzuwägen, so muß die
> Entscheidung darüber, ob das Geschäft im wohlverstandenen Interesse des
> Minderjährigen liegt, von den gesetzlichen Vertretern getroffen werden.22)
> Daher ist selbst bei einem Leibvertrag, weil mit ihm außer der
> Rückgabeverpflichtung auch noch Sorgfalts-  und Obhutspflichten verbunden
> sind, die Einwilligung der gesetzlichen Vertreter erforderlich.23) Fehlt die
> Einwilligung, ist der Vertrag zunächst schwebend unwirksam. Die gesetzlichen
> Vertreter können ihm durch nachträgliche Genehrnigung aber noch rückwirkend
> Gültigkeit verleihen (§ 108 BGB). Die Ungewißheit, ob solche Leihverträge
> genehmigt werden, ist in einem Massengeschäft risikoreich, denn dadurch wird
> die Abwicklung möglicher Schadensfälle unkalkulierbar. Gleiches gilt für den
> sog. Taschengeldparagraphen (§ 1 1 0 BGB), der die Gültigkeit des Geschäfts
> rückwirkend von der Erfüllung der Ver-   tragspflichten mit freien Mitteln
> abhängig macht. In Dauerschuldverhältnissen ist seine Anwendbarkeit ohnehin
> fraglich. So schafft nur die im voraus erklärte Einwilligung
> Rechtssicherheit. Will die Bibliothek allerdings, um den Minderjährigen
> nicht von der Bibliotheksbenutzung abzuhalten, auf die ausdrückliche
> Einwilligung der gesetzlichen Vertreter verzichten, so bleiben also die
> jeweiligen Vertragsabschlüsse gem. § 108 BGB schwebend unwirksam. Die
> Parteien können aus ihm keine Rechte und Pflichten herleiten.24) Weigert
> sich mithin der Minderjährige, die infolge der Fristversäumung angefallenen
> Mahnkosten oder die Vertragsstrafe zu zahlen, so kann die Bibliothek sie
> nicht einklagen. Da die Rückgabepflicht nicht aufgrund eines Vertrages
> entstanden ist, läßt sich der Herausgabeanspruch der Bibliothek nur aus dem
> Eigentumsrecht herleiten (§ 985   BGB). Wegen Verlusten und Beschädigungen
> kann sich die Bibliothek außerdem auf § 823 BGB berufen. Jedoch nützt eine
> darauf gestützte Klage nichts, wenn der Minderjährige vermögenslos ist. Bei
> älteren Jugendlichen allerdings wird man ganz allgemein davon ausgehen
> dürfen, daß die gesetzlichen Vertreter in wohlverstandener Ausübung ihres
> Erziehungsrechts (§ 1626 BGB) ihren Heranwachsenden eine generelle
> Einwilligung in Geschäfte erteilt haben, die wie die Bibliotheksbenutzung in
> einem finanziell überschaubaren Rahmen bleiben und dem Alter entsprechende
> Benutzungsmöglichkeiten betreffen, so daß hier auch Benutzungsvorträge von
> Anfang an wirksam sein dürften. (Das wird man z.B. bei einem Schüler
> hinsichtlich der Ausleihe unterrichtsbegleitender Literatur bzw. bei einem
> Auszubildenden für Ausbildungsschrifttum annehmen dürfen). Das schließt
> nicht aus, bei   wertvollem Leihgut zuvor die Einwilligung festzustellen.
> Die Einwilligung bzw. Genehmigung bewirkt lediglich, daß das Rechtsgeschäft
> mit dem Minderjährigen zustandekommt. Nur er selbst wird also daraus
> berechtigt und verpflichtet. Die Eltern werden nicht Vertragspartner und
> haben daher grundsätzlich nicht für Pflichtverletzungen ihrer Kinder
> einzustehen. Soll die Möglichkeit eröffnet werden, sich außer an den
> Minderjährigen  wegen eventueller Ansprüche auch an dessen gesetzliche
> Vertreter zu  halten, müssen diese entweder veranlaßt werden, für die
> Verpflichtungen des Minderjährigen eine Bürgschaft zu übernehmen oder sich
> neben ihnen - etwa durch Schuldbeitritt - als Gesamtschuldner zu
> verpflichten.25) Im Falle der Bürgschaft haben die Eltern eine schriftliche
> Bürgschaftserklärung abzugeben (§ 766 BGB). Da ein Schuldbeitritt oder gar
> darüber hinausgehend ein Garantieversprechen formlos möglich ist, ließe sich
> daran denken, in der Einwilligung einen Schuldbeitritt oder einen
> Garantievertrag zu sehen. Solch weitgehende Folgerungen können jedoch im
> Zweifelsfall nicht gezogen werden. Auch ein entsprechender Passus in der
> Benutzungsordnung würde nicht weiterführen,  weil dann feststehen müßte, daß
> die gesetzlichen Vertreter davon  Kenntnis genommen haben. So ist in jedem
> Falle die Schriftform empfehlenswert.  Ist das Benutzungsverhältnis
> öffentlich-rechtlich geregelt, so gelten  über § 12 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG die
> Regeln des bürgerlichen Rechts entsprechend. Eine spezielle gesetzliche
> Regelung, die den Minderjährigen Handlungsfähigkeit auf dem Gebiet des
> Bibliothekswesens einräumt, besteht nicht. Selbst in denjenigen
> Bundesländern, in denen das Satzungsrecht der Gemeinden, Landkreise,
> Hochschulen und anderer Selbstverwaltungskörperschaften den
> Landesverwaltungsgesetzen vorgeht,26) dürfte eine Begründung der
> Handlungsfähigkeit durch  Satzung nicht möglich sein, weil die
> Leitbildfunktion des in Frage kommenden Landesverwaltungsverfahrensgesetzes
> nicht beiseite geschoben werden kann, was darauf hinausläuft, daß die
> Regelung des Gesetzes erhalten bleibt. Durch die Einwilligung der
> gesetzlichen Vertreter wird also wiederum  nur der Minderjährige Benutzer,
> denn Benutzer ist derjenige, der die Einrichtung unmittelbar in Anspruch
> nimmt. Sollen die Eltern für Schäden aus diesem Benutzungsverhältnis haften,
> müßten sie wie im  Privatrecht eine entsprechende Erklärung abgeben. Eine
> Besonderheit gilt hinsichtlich kommunaler Gebührenschulden. Im
> Geltungsbereich der jeweiligen kommunalen Abgabengesetze führt die
> Verweisung auf die Anwendbarkeit der Abgabenordnung zur Begründung einer
> eigenen abgabenrechtlichen Pflicht der gesetzlichen  Vertreter. Gem. § 34 AO
> haben die gesetzlichen Vertreter die Pflichten der nicht handlungsfähigen
> Person zu erfüllen. Dadurch werden sie aber nicht selbst Gebührenschuldner,
> sondern nur verpflichtet, an deren Stelle zu handeln, d.h. die
> Verpflichtungen der Minderjährigen aus deren Vermögen zu erfüllen. Verletzt
> der Vertreter jedoch grobfahrlässig diese Pflicht, so haftet er auch
> persönlich mit seinem Vermögen,  §§ 44 Abs. 1 Satz 1, 69 AO. Dieser Fall
> setzt aber bei den Minderjährigen bzw. deren Eltern ein irgendwie geartetes
> Vermögen voraus. Eltern und Kinder immer gleichzeitig durch Satzung zu
> Benutzern zu  erklären, um sie damit zu Gesamtschuldnern zu machen (etwa wie
> Eigentümer und Mieter bei der Müllabfuhr), dürfte am Prinzip der
> Gegenleistung und dem Veranlassungs- und Verursachungsprinzip scheitern.27)

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