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Re: Registerarie
Neuer Vorschlag zur Datenbank-Metaphorik
Zu der vorgeschlagenen Sichtweise des Sinns und Nutzens von
Registern haben sich keine Gegenstimmen erhoben.
Auch scheint die Opern-Analogie Beifall zu finden: eine
Datenbank mit Registern als "Don-Giovanni-Datenbank" zu
bezeichnen draengt sich auch zweifellos auf. Und gerade solche
eingaengigen, plastischen Metaphern werden gebraucht, ist
doch das Datenbankwesen eine viel zu abstrakte, der Alltags-
erfahrung entrueckte Domaene. Es muessen Begriffe her, bei denen
man sich etwas Zutreffendes denken kann! Manche Metaphern,
die jeder verwendet, sind truegerisch, wie "Treffer" oder
sogar "Suchen". Der unverbildete Alltagsverstand bemerkt dabei
nicht die grosse Diskrepanz zwischen Wort und Wirklichkeit.
Besser sind Metaphern, die sich deutlich als solche zu erkennen
geben, denn das tun "Treffer" und "Suchmaschine" eben gerade nicht.
Also z.B. "Don-Giovanni-Datenbank" oder von mir aus "Leporello-DB"
fuer eine solche, die Register besitzt.
Erhebt sich die Frage: gibt es eine aehnlich erhellende und
eingaengige Metapher, und warum nicht ebenfalls aus der
Opernwelt, fuer Datenbanken, die NICHT ueber Register verfuegen?
In der Tat, es gibt sie: "Freischuetz-Datenbank" liegt dafuer
auf der Hand. Warum? Dazu ein paar wenige Hinweise:
Mozarts Zeit war trotz Puder und Peruecken von der Aufklaerung
gepraegt, das ist wichtig: Fakten wurden gewissenhaft aufge-
zeichnet, es galt das, was man sehen, zaehlen, wiegen, messen
konnte.
Eine Datenbank mit Registern, (die genau zeigten, was vor-
handen war, und dadurch sofort auffindbar machten, was man
nicht mehr so genau gewusst hatte und erkennbar machten, was
nicht vorhanden war), das war das einzig angemessene Werkzeug,
zumal fuer einen Erfolgsmenschen wie D.G., der seine Interessen
in grossem Stil verfolgte und darauf angewiesen war, die
Uebersicht zu behalten - sich aber zweifellos nicht z.B. die
Schreibweise aller Namen praezise merken konnte.
Im mancher Hinsicht eine spaete Gegenbewegung zur Aufklaerung war
die Periode der deutschen Romantik im fruehen 19. Jh. Und da schuf
Carl Maria von Weber die bedeutendste Oper, noch heute geradezu
das Markenzeichen der Epoche: den "Freischuetz".
Die Handlung ist zwar im 17. Jh. angesiedelt, kurz nach dem
30jaehrigen Krieg, doch das tut nicht viel zur Sache.
Im "Freischuetz" befaellt den Forstanwaerter Max die Versagensangst:
er muss nach alter Vaetersitte einen sog. "Probeschuss" tun, und der
muss sitzen, sonst bekommt er die Planstelle im Forstamt nicht und
auch nicht seine Agathe, des Oberfoersters Tochter.
Samiel, ein undurchsichtiger Bursche, kann angeblich "Freikugeln"
herstellen, die zu 100% treffen, ob man eine ruhige Hand hat oder
nicht. Max geht mit ihm bei Vollmond in die Wolfsschlucht, nur dort
kann angeblich die Herstellung stattfinden. Das haette ihm schon
verdaechtig vorkommen muessen. Wie die Sache weitergeht
und wie sie ausgeht, ist bekannt und hier nicht weiter wichtig.
Entscheidend ist dies:
Max bedient sich einer Technik, die er nicht durchschaut, und
vertraut einem Verfahren, das ihm die eigene Bemuehung ersparen
soll. Sich auf so etwas zu verlassen, erweist sich denn auch
als grob leichtsinnig. Und damit sind wir wieder beim Thema, denn
so ist es auch mit Datenbanken, die dem Nutzer ein schlichtes
kleines Eingabefeld anbieten und dann eine Liste von sog. Treffern
auswerfen. Man hat keinen Durchblick, was da ablaeuft, man sieht
nur, was man getroffen, aber nicht, was man knapp verfehlt hat.
Einfache Gemueter werden allein durch das Wort "Treffer" zu der
Annahme verleitet, die Ergebnisse seien die Antwort auf die
gestellte Frage, und etwas anderes gebe es wohl nicht. Dass unter
den "Treffern" faustdicke Nieten sind, wird bereitwillig den noch
vorhandenen Unvollkommenheiten der Softwareversion zugute gehalten.
Dass es echte, wirkliche Treffer gibt, die man verpasst hat, das
daemmert wenigen. ("Treffer" ist somit eine durchaus unpassende
Metapher fuer das, was bei Suchmaschinenabfragen herauskommt.)
Sich auf so etwas zu verlassen - ist das weniger leichtfertig als die
Verwendung von "Freikugeln"? Doch es gibt einen weit verbreiteten,
meist uneingestandenen Hang zum Aberglauben, wie vor kurzem in
einer Studie gefunden wurde - die Romantik ist in dieser Hinsicht
noch nicht ueberwunden. In lichten Momenten wissen oder ahnen wir
Heutigen, dass es keine Freikugeln gibt, gleichwohl bedienen
wir uns undurchschaubarer Dienste mit grosser Selbstverstaendlichkeit.
Besonders, wenn sie kostenlos sind. Auch Max bezahlte nicht mit Geld
fuer die Freikugeln. Sondern mit dem Verzicht auf seinen kuehlen
Verstand.
N.B.
Nein, heute ist nicht der 1.4., und das ist auch gut so. Wer haette
sonst ein Wort ernst genommen...
Eine Debatte um angemessene Metaphorik bis hin zur voelligen
Vermeidung von assoziationsbeladenen Alltagsbegriffen in der
Informatiksprache wird seit Jahren gefuehrt, losgetreten von dem
Niederlaender Edsger Dijkstra in CACM 32(1989)12
Als ganz nebensaechlich sollte man das wohl nicht abtun, und dieses
sollte einmal illustriert werden.
Weitere Hinweise:
http://www.biblio.tu-bs.de/allegro/news/acn011/acn011.htm
Bernhard Eversberg
Universitaetsbibliothek, Postf. 3329,
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