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Re: Dissertationen als CD-ROM/BOD



Walther Umstaetter wrote:
> 
 
> Das bereits erwähnte Problem der Grauen Literatur ist Ihnen sicher geläufig.

Ja, in der Tat!

> Ich denke schon dass es notwendig ist, die unterschiedlichen
> Publikationsformen etwas differenzierter zu sehen. Das ist der Sinn dieses
> begriffs. Die Einführung von ISBN-Nummern hat durchaus einen Sinn, ebenso
> die Registrierung von Publikationen bei der Library of Congress. Ob man
> einen geheimgehaltenen Report beispielsweise als Publikation bezeichnen kann
> würde ich in Zweifel ziehen.

Man sollte Kraut und Rueben auseinanderhalten. ISBN und Registrierung in
den USA sind juristisch 2 Paar Stiefel.

> > IGNORANZ DER HOCHSCHULBIBLIOTHEKEN
> >
> > (Achtung, Provokation!)
> >
> > ins Wanken bringt, begruesse ich ausdruecklich.
> 
> Die Frage bleibt, welchen Sinn es hat, Quellen zu zitieren, die für den
> Leser nicht nachprüfbar sind, bzw. die beliebig verändert werden können.

Pruefungsarbeiten sind oft in den Institutsbibliotheken, Archiven usw.
dokumentiert. Diesen Status teilen sie mit weiterer grauer Literatur im
Hochschulbereich, die durchaus auch zitiert wird (vor allem wenn sie von
Professoren stammt ...).

Was die Veraenderbarkeit von Internetpublikationen angeht, so ist dies
ein anderes Thema. Auch Bibliothekswissenschaftler sollten in der Lage
sein, einigermassen  stringent zu argumentieren. Ich merke nur an, dass
es einige Hochschulbibliotheken gibt, die auch Magisterarbeiten u. dgl.
auf ihren Hochschulschriftenservern akzeptieren.

> Ihre Aussage:
> >  Es gibt KEIN Recht der
> > Universitaet/Bibliothek/Fachbereichs etc., auf die Veroeffentlichung der
> > Arbeit Einfluss zu nehmen.
> 
> ist falsch. Sie können dies in unserer Promotionsordnung, die Sie übrigens
> im Internet bei der Philosophischen Fakultät I der Humboldt-Universität zu
> Berlin finden, überprüfen. Ich habe diese Promotionsordnung übrignes nicht
> für diese Diskussion manipuliert und hoffe, dass sie mit der gedruckten Form
> noch immer übereinstimmt ;-).

Eine universitaere Satzung wird nicht dadurch rechtmaessig, dass niemand
an ihr bislang Anstoss genommen hat. Insoweit sie gegen Verfassungsrecht
verstoesst, ist sie nichtig. Eine verfassungskonforme Auslegung von
Satzungen (wie bei Gesetzen) ist nicht moeglich.

Ich habe mich auf Pruefungsarbeiten, nicht auf Dissertationen bezogen.
Es waere nuetzlich gewesen, die URL anzugeben:

http://www2.hu-berlin.de/geschichte/philfak1/ordnung/promo.htm

Gemeint ist vermutlich Paragraph 10:

"(1) Der Kandidat/die Kandidatin hat nach Bestehen der mündlichen
Prüfung die angenommene Dissertation,
gegebenenfalls mit den vom Fakultätsrat verlangten bzw. genehmigten
Änderungen, drucken oder fotomechanisch
vervielfältigen zu lassen."

Dies bedeutet einen unzulaessigen Erlaubnisvorbehalt, denn es ist aus
der Norm nicht ersichtlich, aus welchen Gruenden Auflagen
(Grundrechtseingriff!) gemacht werden koennen. (Ich kann bei Bedarf gern
nach den klassischen Formulierungen des Bundesverfassungsgerichts zu
Erlaubnisvorbehalten kramen ...) Wenn ich recht sehe, ist eine
entsprechende Entscheidungsfindung des Fakultaetsrats in anderen
Paragraphen nicht vorgesehen. Ich denke nicht, dass die Fakultaet eine
Chance haette, vor Gericht mit dem Entzug des Titels im Fall
ungenehmigter Aenderungen durchzukommen. Aus der Wissenschaftsfreiheit
folgt, dass ein Recht des Wissenschaftlers besteht, die Arbeit
inhaltlich zu veraendern, ggf. auch zu kuerzen (trotz Verbot des
"Teildrucks"!). Entweder die Arbeit kann akzeptiert werden, dann sollte
sie auch so wie sie ist zum Druck gebracht werden koennen. Was masst
sich der Fakultaetsrat da eigentlich an? Vielleicht legt der
Bibliothekswissenschafler ja grossen Wert auf die neue deutsche
Orthografie und besteht auf ihrer Einhaltung, und ein anderes Mitglied
des HOHEN FAKULTAETSRATS pflegt vielleicht ein anderes Steckenpferd
......

Aber ich gebe gern zu, dass verschlafene Hochschuljuristen das alles
anders sehen!

> > Ein solches Recht im Sinne eines
> > Erlaubnisvorbehalts wuerde die freie Meinungsaeusserung beschneiden und
> > beduerfte als Grundrechtseingriff einer gesetzlichen Grundlage! Doch
> > selbst wenn es ein solches Gesetz gaebe, stellte sich die Frage nach der
> > Verhaeltnismaessigkeit.
> 
> Sie haben doch selbst Promoviert

argumentum ad personam (Muessen wir Akademiker wirklich auf Teufel komm
raus zusammenhalten ...?)

 und wissen über die Einflussnahme bei einer
> solchen Arbeit. Sie liegt lediglich darin, dass Sie ihre Thesen
> wissenschaftlich verteidigen können müssen. Haben Sie das als einen Eingriff
> in Ihre Grundrechte empfunden? Interessant finde ich auch die hier
> beobachtbaren Ressentiments gegenüber der Wissenschaft, bei Wissenschaflern.

Ressentiments gegen eine juristisch unzulaessige Einmischung in die
Wissenschaftsfreiheit (Art. 5 GG) leiste ich mir als Wissenschaftler
gern.

> Wir sollten die Kriche doch im Dorf lassen.

Ich habe die Kriche immer im Dorf gelassen! 

> 
> > Auch Pruefungsarbeiten, die von irgendwelchen
> > unfaehigen Pruefern schlechter bewertet werden, koennen exzellente
> > Leistungen sein. Bewertung im universitaeren Pruefungsverfahren und
> > wissenschaftlicher Gehalt muessen nicht uebereinstimmen.
> 
> Das ist ein völlig anderes Thema, bei dem ich Ihnen gar nicht widersprechen
> will. Mit dieser Fehlbarkeit von Prüfern (Sie und mich mit einbezogen)
> werden wir weiterhin leben müssen. Sie werden daraus aber sicher nicht den
> Schluss ziehen wollen alle Prüfungen und alle Doktorväter abzuschaffen.

Mein Argument war: Eine Einflussnahme auf die Publikationsmodalitaeten
der Arbeit aufgrund der Note ist nicht zulaessig.
Veroeffentlichungswesen und Pruefungswesen sind mit guten Gruenden
getrennte Bereiche. Bei der Publikation spielen die Wertungen des
Urheberrechts, die Meinungs- und Pressefreiheit und die
Forschungsfreiheit eine zu grosse Rolle, als dass die Anmassung der
Fakultaeten rechtmaessig sein koennte.

MfG
Dr. Graf


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