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Donaueschingen bei Reiss: Besichtigung



Durch den verregneten Taunus kam ich heute Nachmittag bei dem
Auktionshaus Reiss in Koenigsstein

http://www.reiss-sohn.de

an, wo ich Baende aus der Fuerstlich Fuerstenbergischen Hofbibliothek
Donaueschingen besichtigen wollte. Fuer mich war es eine Premiere,
wuerde ich doch zum ersten Mal eine Reihe von Buechern sehen, die mir
nur aus dem Auktionskatalog bekannt waren. Im Erdgeschoss befindet sich
ein Raum vergleichbar dem Benutzerraum einer Handschriftenabteilung und
eines Archivs mit einigen Tischen. Mehrere Besucher blaetterten bereits
in alten Folianten, als ich mich niederliess. Man fuellt ein Formular
mit Name und Anschrift und den gewuenschten Nummern aus. Die Buecher
werden von den Mitarbeitern aus Regalen, die in einem an der Stirnseite
anschliessenden Raum sichtbar sind, mit Buecherwagen zu den Besuchern
gebracht. Ich konnte etwa ein Dutzend Baende bearbeiten, mir also
Notizen ueber die ehemaligen Signaturen, Besitzvermerke und weitere
Eigentuemlichkeiten machen.

Am interessantesten waren die fuenf Buecher, die der aus Messkirch
stammende Pfarrer Magister Matthaeus Kempf mit Besitzvermerken in seiner
zierlichen Schrift versehen hatte. Die Marginalien von seiner Hand (und
wohl auch weiteren Haenden) lassen den Schluss zu, dass er ein
historisch sehr interessierter Landpfarrer war. In Nr. 169 und Nr. 48
findet sich im Anhang eine Art privates Register mit wichtigen
historischen Sachverhalten und den jeweiligen Seitenzahlen. Unter
anderem interessierte sich Kempf fuer die Geschichte der Schwaben, wie
aus den Eintraegen in Nr. 169 auf dem hinteren Spiegel hervorgeht. Nr.
169 und 48 gehoeren eng zusammen, denn sie weisen den identischen
Einband mit figuerlichen Mitteplatten (vorne: Kreuzigung, hinten:
Auferstehung) auf. Auf dem Titelblatt von Nr. 169 verewigte sich der
Geistliche so: "M. Matthaeus Kempf Messkirchensis parochus in
Weltrambsweil et ruralis Cap. Meßkirch Decanus legitimus possessor an.
1623". Gleich zwei Fehler weist der Reiss-Katalog auf: "Mosburger
Pfarrer" und die Jahreszahl 1643. Der Besitzeintrag von Nr. 48 lautet
(ebenfalls auf dem Titelblatt): "M. Matthaeus Kempf Möeskirchensis
legitimus possessor an. 1624". Er war der rechtmaessige Besitzer des
Bandes, nicht etwa, wie der Katalog will, Professor. Nr. 13 enthaelt
keine Datierung, aber den Kaufvermerk "M. Matthaeus Kempff" und
vermutlich keine Marginalien. Nr. 100 ist auf dem Titelblatt mit dem
Eintrag "M. Matthaeus Kempf Moeskirch. presbyter an. 1630"
gekennzeichnet. Nr. 148 weist einen von mir nicht vollstaendig
entzifferten Eintrag wohl aus dem Jahr 1635 auf. Kempff war demzufolge
zuvor Pfarrer von Messkirch (seit 1627 fuerstenbergisch) und Landdekan
gewesen, nun aber designierter Pfarrer von "Hewdorff" (wohl das
Pfarrdorf Heudorf bei Messkirch im heutigen Lkr. Sigmaringen).
(Weltrambsweil konnte ich noch nicht identifizieren.)

Nr. 101, urspruenglich aus dem Ulmer Wengenkloster, wurde erworben von
Friedrich von Lassberg (dem Sohn des Joseph von Lassberg) bei der
Auktion der Buecher des Ulmer Gymnasialprofessors M. G.
Veesenmeyer(Katalog: Neesenmayer!) - es handelt sich um den beruehmten
Ulmer Gelehrten Georg Veesenmeyer (1760-1833)-, der den Band 1818 mit
seinem Besitzvermerk und einer bibliographischen Notiz versah.

Diese Stichproben moegen demonstrieren, wie wichtig es waere, die
Donaueschinger Baende vor ihrer Zerstreuung einzusehen und die
buchgeschichtlichen Details zu notieren. Aber daran besteht von
Bibliothekarsseite kein Interesse; jedenfalls haben bislang alle von mir
persoenlich Angesprochenen - bis auf den Villinger Stadtarchivar (der
Villinger Oberbuergermeister hat zu Spenden fuer die Ersteigerung von
Baenden aus dem dortigen Franziskanerkloster aufgerufen) - abgewinkt und
auf ihre Arbeitsbelastung verwiesen ...

Klaus Graf


Listeninformationen unter http://www.inetbib.de.