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Donaueschingen digital
Es war ja zu erwarten, daß irgendjemand darauf hinweisen würde, daß
man, hätte man die Donaueschinger Bestände digitalisiert, den Verlust
verschmerzen könnte. Nun war Herr Umstätter dieser Jemand.
Vielleicht tut es not, in dieser Liste auf den Umstand hinzuweisen,
daß die Digitalisierung alter Drucke und Handschriften die Arbeit am
Original keineswegs immer ersetzt: wie soll man Untersuchungen zum
Wasserzeichen, zum Papier, zu den Tinten usw. an einer digitalen
Reproduktion vornehmen? Mehr noch: wie will man garantieren, daß die
Farben bei den Miniaturen usw. auch wirklich echt sind, wenn man sie
auf dem Bildschirm sieht? Und vor allem: Die Digitalisierung bricht
mit der Materialität des überlieferten Buches, das als ein
Sammelobjekt eben gerade auch wegen all der materiellen Qualitäten
gesammelt wurden, die ihm anhaften. Der Text des Werkes, Satzspiegel,
Buchmalerei und Einband gehen dabei mit der Sammlung insgesamt eine
Synthese ein, die durch die Digitalisierung zerstört wird.
Was man statt dessen erhält, ist im besten Falle eine Art Fernsehbuch,
das weniger zeigt als ein Faksimile. Denn das Faksimile erhält ja die
Materialität des ursprünglichen Objektes. Solche Fernsehbücher mögen
ihre Notwendigkeit haben, ein Ersatz sind sie nicht.
Unverständlich ist mir auch die Unterscheidung Umstätters zu Kulturgut
und Kulturwert: wenn ein in privater Hand befindliches Kulturgut einen
Kulturwert besitze, dann sei es nur noch bedingt privates Eigentum. Wo
bitte soll hier denn die Grenze verlaufen? Wenn die Laßbergische
Sammlung als Schenkung nach Donaueschingen kam, dann ist das doch wohl
eine Sache zwischen Laßberg (bzw. seinen Erben) und den Fürstenbergern
gewesen. Zu beklagen gibt es hier wie in anderen Fällen nur die
mangelnde Bereitschaft der öffentlichen Hände, im Verkaufsfalle
zuzugreifen. Aber, um eine Bemerkung aus einer anderen Liste
hierherzusetzen: über diese mangelnde Bereitschaft dürfen sich die
fleißig digitalisierenden Bibliothekare ja auch nicht wundern, die in
diversen Expertengremien den Politikern von der Zaubermacht der
Digitalisierung flüstern. Wer so spricht, hat das Buch als materielles
Objekt samt seinem komplexen kulturgeschichtlichen Zusammenhang
innerlich ja schon verabschiedet. Weinen hilft dann nicht. Es sind
Krokodilstränen.
Ihr
Uwe Jochum
Listeninformationen unter http://www.inetbib.de.