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Was ist eine virtuelle Bibliothek? (war :Re: AW: Virtuelle
- Date: Mon, 5 Jul 1999 13:35:15 MEST
- From: "Sebastian Wolf" <WOLF _at__ iks.ik.fh-hannover.de>
- Subject: Was ist eine virtuelle Bibliothek? (war :Re: AW: Virtuelle
Liebe Inetbibler,
Walther Umstaetter <h0228kdm _at__ rz.hu-berlin.de> schrieb
> Nun muss ich doch fragen, ob man allgemein der Ansicht ist, dass es
sich
> hier um eine virtuelle Bibliothek handelt, oder eher um ein
> elektronisches Verweissystem? Nach meiner Einschaetzung kommen wir
> damit in die Gefahr, jeden online Katalog, der nicht nur auf
gedruckte
> Quellen verweist, auch als virtuelle Bibliothek zu bezeichnen?
>
Da die Frage jetzt auftaucht, moechte ich dies gleich als Anlass
nehmen, meine gesammelten Erkenntnisse, die ich im Rahmen meiner
Diplomarbeit gewonnen habe, an die Liste zu schicken.
Der Begriff "virtuelle Bibliothek" wird - wie koennte es anders sein -
unterschiedlich definiert. Einige sprechen vom gesamten Internet als
virtueller Bibliothek, in dem sich elektronische Informationen
aller Art befinden, andere sehen in einer virtuellen
Bibliothek einen Wegweiser auf diese Informationen.
Die verschiedenen Definitionen im Einzelnen (die Literaturquellen finden Sie
am Ende der Mail):
Virtuelle Bibliotheken entstehen laut Kuhlen "[...] durch das
Zusammenspiel von mehreren Bibliotheken und anderen
Informationssystemen mit elektronischen Dienstleistungsangeboten."
Kuhlen (1996), S. 138
Virtuelle Bibliotheksleistungen entstehen durch das Zusammenspiel
vieler fuer sich realer Dienstleistungen auf elektronischer Grundlage,
unabhaengig von der physischen Praesenz. "In virtuellen Bibliotheken
loest sich der statische, auf Speicher und Bereitstellen angelegte
traditionelle Bibliotheksbegriff auf."
Kuhlen (1993), S. 45
Binder spricht, aehnlich wie Kuhlen, von einer "virtuellen Bibliothek
Internet" und sieht das Internet als die Realisierung einer
"Elektronischen Bibliothek" an . In dieser virtuellen Bibliothek
finden sich elektronische Medien im Volltext, die ueber integrierte
Zugaenge, den Browsern (z. B. Netscape), abrufbar sind.
Zu digitalen Bibliotheken fuegt er an: "Bibliotheken dieses Typs
spiegeln und erschliessen Teile der virtuellen Bibliothek Internet."
Vgl. Binder (1996), S. 215 ff.
Lux geht mit der Definition konform, dass virtuelle Bibliotheken
digitale beinhalten, durch die Aussage: "Eine virtuelle Bibliothek
hat virtuelle Buecher fuer reale Nutzer, sie ist an jedem Ort zur jeder
Zeit fuer jedermann erreichbar."
Lux (1994),S. 861
Das "Lehrbuch der Bibliotheksverwaltung" sieht die Realisierung der
virtuellen Bibliothek darin, dass man in der Lage ist, Teile von
Bibliotheken komplett digitalisiert auf dem Bildschirm darzustellen.
Der Benutzer kann "...in die Regale und in die Buecher eintauchen."
Die virtuelle Bibliothek wird, anders als bei Binder und Lux, ebenso
wie die elektronische Bibliothek als Teilbereich der digitalen
Bibliothek angesehen und nicht umgekehrt.
Ewert/Umstaetter (1997), S. 14
Maelzer tendiert in seiner Beschreibung einer "Virtuellen Bibliothek"
unter der UEberschrift "Erneut auf dem Weg zur Universalbibliothek"
mehr dazu, sie als eine Sammlung von Informationsquellen im Internet
zu bezeichnen und nennt sie "...eine Einrichtung oder eine
Dienstleistung, die sich aus der Summe dessen ergibt, was man - grob
gesagt - durch geschicktes Suchen aus dem Internet zusammenholen
kann." Hierbei erwaehnt er auch, dass Kooperation eine grosse Rolle
spielt, um eine moeglichst grosse Themenabdeckung zu erreichen.
Maelzer (1997), S. 21
Als Befuerworter der "Sammelthese" sieht sich auch die Duesseldorfer
virtuelle Bibliothek und schreibt in ihrer Definition: "Eine
virtuelle Bibliothek sammelt elektronische Informationen, ordnet sie
und stellt sie zur Verfuegung." Die virtuelle Bibliothek verweist auf
Informationen, deren physischer Sitz ueber die ganze Welt verstreut
ist.
Vgl. Hilberer (1999), S. 54 - 58
Soweit die verschiedenen Definitionen. Aber auch die verschiedenen
vorhanden *virtuellen Bibliotheken* definieren
sich unterschiedlich. Die *Mutter aller Internet-Sammlungen* nennt
sich z.B. WWW _Virtual Library_ (URL: http://vlib.org) - hierbei handelt
es sich zweifellos um reine Verweislisten auf vorhandene
Internet-Quellen. Etwas aehnliches ist auch die *Duesseldorfer
virtuelle Bibliothek*.
Das DELTA-Projekt, das von PICA Leiden gemeinsam mit mehren
niederlaendischen Universitaetsbibliotheken getragen wird, hat das
Ziel, verschiedene bibliothekarische Angebote zu einer
synthetisierten Offerte, zu einer "virtuelle
Forschungsbibliothek" (Virtual Research Library), zu vereinigen (dazu
gehoeren dann auch elektronische Zeitschriften, Dokumentbestellungen
etc.)
Informationen dazu unter:
http://www.bis.uni-oldenburg.de/inetbib99/abstracts/yntema.html und
http://www.dbi-berlin.de/dbi_pub/bd_art/bd_99/99_04_11.htm
Das waren zwei Beispiele, um die Problematik der verschiedenen
Definitionen zu verdeutlichen.
Meines Erachtens beschreibt eine Sammlung von Internet-Quellen den
Begriff "virtuelle Bibliothek" besser, da man unter einer Bibliothek
einen geordneten Bestand von Informationsmitteln bzw. das Gebaeude, in dem
dieser Bestand untergebracht ist, versteht. Analog zum Gebaeude koennte
man bei einer "Virtuellen Bibliothek" von einem Server sprechen, auf
dem die Informationsquellen, ebenfalls in geordneter Form,
bereitliegen.
Das Internet im Ganzen als virtuelle Bibliothek zu bezeichnen ist fuer
mich etwas ungenau. Obwohl das Internet zweifelsfrei
einen virtuellen Charakter hat, ist es doch keine Bibliothek, da die
meisten Informationen, selbst im wissenschaftlich genutzten Bereich,
nur unzureichend, einige sogar ueberhaupt nicht erschlossen sind.
Als gemeinsamen Nenner der unterschiedlichen Definition kann man
sagen, dass eine virtuelle Bibliothek oertlich ungebunden ist
("Bibliothek ohne Waende") und dass sie, auf welche Weise auch immer,
Zugriffe auf elektronisch verfuegbare Information ermoeglicht und so
versucht, den Informationsmangel zumindest in Teilen zu beseitigen.
Soweit meine Erkenntnisse
Literatur
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Kuhlen, Rainer (1996): Zur Virtualisierung von Bibliotheken und Buechern
In: Literatur im Informationszeitalter / Hrsg.: Dirk Metejovski ... -
Frankfurt am Main [u.a.] : Campus-Verl, 1996. - (Schriftenreihe des
Wissenschaftszentrums Nordrhein-Westfalen ; 2). - S. 112 - 142
ISBN 3-593-35058-0
Kuhlen, Rainer (1993): Wie real sind virtuelle Bibliotheken und
virtuelle Buecher?
In: Neue Dimensionen in der Informationsverarbeitung : Proceedings
des 1. Konstanzer Informationswissenschaftlichen Kolloquiums (KIK
1993), Konstanz 29.-30. Oktober 1993 / Hochschulverband fuer
Informationswissenschaft (HI) e.V., Konstanz... Hrsg.: Josef Herget.
- Konstanz : Univ.-Verl., 1993. - (Schriften zur
Informationswissenschaft ; 13). - S. 41 - 57
ISBN 3-87940-475-5
Lux, Claudia (1994): Vom Bibliothekar zum Cybrarian : die Zukunft
des Berufs in der virtuellen Bibliothek.
In: BuB - Buch und Bibliothek, 46 (1994), S. 860 - 866
Maelzer, Gottfried (1998): Grenzen des Sammelns oder: Wir sind auf
dem Weg zur Universalbibliothek
In: De officio Bibliothecarii : Beitraege zur Bibliothekspraxis ;
Hans Limberg zum 65. Geburtstag gewidmet
Hrsg.: Gernot Gobel ... - Koeln : Greven, 1998. - S. 17 -24
ISBN 3-7743-0311-8
Ewert/Umstaetter (1997)
Lehrbuch der Bibliotheksverwaltung / auf der Grundlage des Werkes von
Wilhelm Krabbe und Wilhel Martin Luther voellig neu bearb. von Gisela
Ewert und Walter Umstaetter. - Stuttgart : Hiersemann, 1997. - XV, 204 S.
ISBN 3-7772-5730-5
Binder, Wolfgang (1996): Die virtuelle Bibliothek ist
Internet-Realitaet : Neue Rollen fuer reale Bibliotheken.
In: Nachrichten fuer Dokumentation : nfd ; Zeitschrift fuer
Informationswissenschaft und -praxis. - 47 (1996), S. 215 - 224
Hilberer, Thomas (1999): So laesst sich das Internet erschliessen! : Der
Trampelpfad der Duesseldorfer virtuellen Bibliothek (DVB)
In: Bibliotheksdienst, 33 (1999), S. 54 - 58
Auch unter dem URL:
http://www.dbi-berlin.de/dbi_pub/bd_art/bd_99/99_01_04.htm
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Viele Gruesse
Sebastian Wolf
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- Erstellt von: Sebastian Wolf -
- wolf _at__ iks.ik.fh-hannover.de -
- FH-Hannover, Fachbereich IK -
- Studiengang Bibliothekswesen -
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