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Was ist Internet? (Tutorial)
Den folgenden Einführungstext stelle ich als "Literary Freeware" zur
Verfügung (kommerzielle Nutzung ausgeschlossen) - z.B. für
Inetbib'ler, die in die Verlegenheit kommen, eine Einführung in das
Internet geben zu sollen... Die Quellenangaben sind Teil des Textes.
Wolfgang Binder September 1995
EINFÜHRUNG IN DAS INTERNET
Internet ist nicht mehr nur das tägliche Brot oder Hobby eines
exklusiven Nutzerkreises, der mit Computern und Netzen umzugehen
versteht, - auch nicht nur ein Gegenstand der öffentlichen
Aufmerksamkeit - die Zeitungen sind inzwischen voll davon -, sondern
auch ein Thema für Bibliotheken und Bibliothekare, was der vergangene
Bibliothekartag in Göttingen in seinem Programm deutlich gemacht hat.
Es scheint mir nicht sehr sinnvoll - zumindest nicht als Einstieg in
das Internet -, sich sozusagen die wissenschaftlichen und
bibliothekarischen Rosinen herauszusuchen - wie es häufig geschieht -,
bevor man den ganzen Kuchen probiert und in Augenschein genommen hat.
Wie ich im folgenden noch ausführen werde, ist Internet in gewissem
Sinne ein neues Medium, genauso wie die Zeitung oder das Fernsehen.
Und man fragt auch nicht: "Was bringen die Zeitungen den
Bibliotheken?" oder "Welche Vorzüge haben Medienarchive für die
wissenschaftliche Forschung?" Deshalb möchte ich das Phänomen
Internet zunächst umfassend behandeln, d.h. mich nicht von vornherein
auf eine bestimmte Anwendersicht beschränken. Ein anderer Grund ist
der, daß Bibliothekare natürlich selbst ihren spezifischen Nutzen aus
dem Internet ziehen können, z.B. durch Teilnahme an bibiothekarischen
Diskussionslisten, Recherchen in externen Bibliothekskatalogen usw.
Was aber andrerseits den individuellen Benutzer interessiert, ist
schlicht nicht prognostizierbar - besonders nicht im Bereich der
öffentlichen Bibliotheken, in dem das Interessenspektrum breit
gestreut ist. Der eine möchte bestimmte Daten recherchieren, der
nächste sucht in einer Newsgroup Hilfestellung für seine PC-Probleme,
der nächste möchte elektronische Zeitungen lesen oder elektronische
Museen besuchen und ein weiterer interessiert sich vielleicht für
Kochrezepte im Internet. - Bibliotheken haben sich immer bemüht,
im Rahmen ihrer Möglichkeiten die Wünsche ihrer Benutzer zu erfüllen,
selbst wenn diese in dem einen oder anderen Fall vielleicht skuril
oder ausgefallen erscheinen.
Ich habe - sozusagen im Vorbeigehen - schon einige
Anwendungsbeispiele von Internet erwähnt. Ich möchte aber, um eine
Ausgangsbasis zu haben, einen kleinen Abschnitt aus einem Internet-
Text für Bibliothekare von J. Sellers übersetzen mit der Überschrift
"What is the Internet?" (Die Zahlenangaben habe ich aktualisiert.)
"Das Internet ist ein Zusammenschluß von etwa 50.000 miteinander
verbundenen Computernetzen auf der ganzen Welt, die es erlauben, fast
augenblicklich an Informationen teilzuhaben. Die Netzwerke gehören
unzähligen Forschungs- , Regierungs- , Bildungseinrichtungen und
Firmen sowie Privatpersonen. Das Internet erlaubt 6 1/2 Mio. Computern
und schätzungsweise 30-40 Mio. Nutzern eine leichte und schnelle
Zusammenarbeit über Nachrichtenaustausch, Diskussionsgruppen und
Conferencing. Die Nutzer sind in der Lage, Personen und Informationen
zu entdecken und zu erreichen, Informationen zu verteilen und mit
neuen Technologien und Diensten zu experimentieren. Das Internet hat
sich zu einer bedeutenden globalen Infrastruktur für Bildung,
Forschung, öffentliche Dienstleistungen und den kommerziellen
Sektor entwickelt und wächst monatlich um etwa 10% ." (Anmerkung: 15%
im Schnitt sind realistischer.)
Dies ist eine gute einführende Gesamtbeschreibung. Um einige wichtige
Aspekte noch deutlicher hervorzuheben, fasse ich zusammen, wozu man
das Internet nutzen kann:
1. kommunizieren
2. entferne Rechner benutzen
3. Informationsangebote nutzen
(Rechnerbenutzung und Informationsbeschaffung sind genaugenommen
natürlich auch spezielle Aspekte des Kommunizierens.)
Wenn man den Schwerpunkt auf Kommunizieren legt, wird man sagen:
Internet ist die Gesamtheit der öffentlich zugänglichen Netze, die mit
bestimmten Protokollen arbeiten, die in Wissenschaftsnetzen
verbreitet sind. Sie sind so miteinander verknüpft, daß sie für den
Benutzer als einheitliches Netz erscheinen. Dieses ermöglicht eine
weltweite Kommunikation, bei der Entfernungskosten keine Rolle
spielen. - Jede Organisation, die ein Teilnetz unterhält, zahlt selbst
die Kosten (Leitungskosten, Rechnerkosten), die in ihrem Bereich
anfalllen.
Interessant ist vielleicht noch, daß es das Internet offiziell
überhaupt nicht gibt. Es gibt keine rechtliche Körperschaft, der
das Internet gehört, oder die das Internet betreibt. Es gibt nur
bestimmte Gremien, die sich mit den Standards und den Prinzipien der
Adressenvergabe befassen. Ansonsten kann sich jeder Netzbetreiber,
der sich an die vereinbarten Protokolle hält, an das Internet
anschließen (salopp gesagt: es brauchen nur ein paar Leitungen
geschaltet zu werden). Die verwendeten Protokolle sind der
dezentralen Netzstruktur angepaßt und sorgen dafür, daß die
Kommunikation dann auch funktioniert. Es gibt also keinen zentralen
Computer, der die Nachrichtenübermittlung steuert.
Wenn man beim Internet die Nutzung fremder Rechner im Auge hat
(remote access), dann steht Internet sogar für die dritte Welle des
Computing, des elektronischen Rechnens: Die erste Welle (60-er, 70-er-
Jahre) war die der Großrechner, bei der viele Personen einen
einzelnen Rechner benutzten. Die zweite Welle (80-er-Jahre) war die
des Personal Computing, bei der idealiter jeder Benutzer seinen
eigenen Rechner (PC) hat. Bei der dritten Welle des Computing kann
nun jeder über das Internet auf eine fast unbeschränkte Zahl externer
Rechner zugreifen.
Stellt man die Funktion Informationsbeschaffung oder -vermittlung in
den Vordergrund, so kann man, wie schon erwähnt, das Internet als ein
neues Medium mit neuen Formen und Inhalten betrachten. Dies ist
insofern wichtig, als Bibliotheken es auch in der Vergangenheit als
ihre Aufgabe angesehen haben, ihren Benutzern neue Medien zugänglich
zu machen. Beziehungsweise das Selbstverständnis der Bibliotheken hat
sich der technischen Entwicklung insofern angepaßt, daß sie nun die
Informationsbeschaffung in jeder Form und nicht nur durch
Bereitstellung von Büchern als ihre Aufgabe ansehen.
Bevor ich mich mit den medialen Aspekten befasse, möchte ich zunächst
noch etwas auf das Internet als Kommunikationsnetz und auf die
Entwicklung bis zu seiner heutigen Form eingehen.
Ich sagte schon, daß das Internet Protokolle, d.h. Standards für die
Nachrichtenübertragung, verwendet, wie sie in Wissenschaftsnetzen
verbreitet sind. Diese benötigt man für
- eine effiziente und kostengünstige Übertragung großer Datenmengen
(File transfer)
- die effiziente Nutzung fremder Rechner einschließlich ihrer Dateien.
Während "einfache" Datenübetragungsnetze bzw. -dienste wie DATEX-P
mit Protokollen auskommen, die den Datenaustausch im wesentlichen auf
der physikalischen Ebene regeln, braucht man für die genannten
Aufgaben "höhere" Protokolle, die den Datenaustausch auf einer mehr
logischen Ebene steuern. Als de-facto-Standard haben sich die im
Internet verwendeten TCP/IP-Protokolle durchgesetzt, die sehr
zuverlässig sind und in den USA praktisch zu einem Regierungsstandard
erklärt wurden. Wichtig ist noch, daß alle diese Protokolle den
Datenaustausch hardwareunabhängig regeln, d.h. die Fabrikate und
Betriebssysteme der beteiligten Rechner spielen keine Rolle.
Wie so oft stand auch bei dieser Entwicklung die militärische
Anwendung Pate.
Vor etwa 30 Jahren machte man sich in der Rand Corporation, der
großen Denkfabrik der Vereinigten Staaten, Gedanken, wie man ein
Kommunikationsnetz auslegen und betreiben könnte, so daß es nach
einem feindlichen Atomschlag noch funktionstüchtig sein würde. Zwei
Punkte der Vorschläge waren:
- eine dezentrale Netzstruktur, bei der im Prinzip alle Computer
gleichberechtigt sind und über alle Funktionen verfügen,
- störungssicherer Nachrichtenaustausch: die Informationen sollten auf
einer Vielzahl von Wegen zum Ziel gelangen können.
Auf dieser Basis wurde 1969 als Demonstrationsnetz und erste
Anwendung unter der Ägide des Verteidigungsministeriums das ARPANET
installiert, das zunächst vier für die militärische Forschung
wichtige Supercomputer miteinander verband. - Das Internet feierte
deshalb im vergangenen Jahr sein 25-jähriges Jubiläum. - Zum Ärger
der Verantwortlichen wurde dieses Netz von seinen Nutzern zunehmend
für den persönlichen Datenaustausch mißbraucht. (Die erste
Diskussionsgruppe überhaupt - die auf diese Weise auffiel - war eine
aus jener Zeit über "Science fiction".) TCP/IP wurde relativ früh
zum Standard in diesem Netz, der auch sehr bald von anderen Netzen
genutzt wurde, die sich an ARPANET anhängten. 1983 wurde der
militärische Teil aus dem ARPANET ausgegliedert und in ein eigenes
Netz, das MILNET, überführt. Das neue Netz wurde nun unter dem Namen
"Internet" bekannt. Ab 1984 nahm die National Science Foundation die
Entwicklung in die Hand. Sie vernetzte fünf Supercomputer durch ein
"backbone" (backbone: System von Hochgeschwindigkeitsverbindungen =
Hauptadern des Kommunikationsnetzes). Um einen besseren Zugang zu
schaffen, finanzierte sie regionale Netzwerke an Universitäten,
Laboratorien usw. - aber nur unter der Bedingung, daß diese sich
verpflichteten, auch anderen Nutzern Zugang zu verschaffen, z.B.
ihren Studenten. Da dies gerade die Zeit war, in der überall lokale
Netze aufgebaut wurden, und sich neben der National Science
Foundation auch andere nationale Einrichtungen der USA (NASA,
Department of Energy,...) beteiligten, nahmen Nutzung und Größe des
Internet von Jahr zu Jahr beachtlich zu - Anfang der 90-er-Jahre
sogar mit einer Zuwachsrate von monatlich 20% . Das Internet wurde zu
einem Magnet, der alles an sich zog. Das kanadische Backbone, das
sich von Osten nach Westen quer durch Kanada zieht, wurde mit dem
amerikanischen verknüpft ; immer mehr Netze in Übersee, in Europa,
in Australien schlossen sich an. Inzwischen beteiligen sich über 200
Länder an Internet. Aus vier Computern im Jahr 1969 wurden 6.642.000
im Juli 1995. 5% der Hostrechner stehen in Deutschland, 63% in den
USA. Besonders dramatisch ist das Wachstum im neusten Zweig des
Internet, dem World Wide Web. Von Juni 1993 bis Juni 1994 erhöhte
sich die Zahl der WWW-Server von 130 auf 1265 und ist bis heute - ein
gutes Jahr später - auf etwa 30.000 angewachsen.
Auch eine Reihe großer Netze, die nicht das TCP/IP-Protokoll
benutzen, ermöglichen ihren Benutzern über Gateways inzwischen den
vollen Zugang zu den Internet- Diensten, so BITNET, America Online,
Compuserve u.a.
Mit dem Wachstum des Internet änderten sich auch die Struktur der
Nutzerschaft und das inhaltliche Spektrum. Während zunächst die
wissenschaftliche (und militärische Nutzung) im Mittelpunkt stand,
wurde als nächstes das akademische Umfeld integriert: Studenten, High
Schools, Bibliotheken - es gibt sogar ein Electronic Library Act (von
1993) , also ein Gesetz, das sich mit der Nutzung von Internet durch
Bibliotheken befaßt. Elektronische Publikationsformen etablierten
sich neben Rechnerbenutzung und persönlicher Kommunikation. Als
nächstes folgten Public Libraries, Secondary und Primary Schools,
dann Firmen und Privatpersonen. Das inhaltliche Spekrum deckte -
unterstützt durch neue benutzerfreundliche Dienste - bald alle Themen
und Lebensbereiche ab. In einem Internet-Text des Global Network
Navigators wird dieser Wandel zutreffend charakterisiert als der von
einem "global research network" zu einem "global general purpose
network".
Während man zunächst versuchte, kommerzielle Anbieter aus dem
Internet herauszuhalten (indem man den Zugang nicht gestattete oder
beschränkte), sind heute bereits etwa 50% der Anbieter kommerzielle
Anbieter, die Produkte und Dienste anbieten, Kundenkontakte pflegen
und auch Bestellungen ermöglichen.
Leider hat die Zunahme der Benutzung auch zu erheblichen Engpässe bei
der Datenübertragung vor allem zu den USA geführt, die voraussichtlich
erst im nächsten Jahr durch Kapazitätserweiterungen gemildert werden
können. (Wenn heute gefragt wird, ob das Internet an seinem eigenen
Erfolg zugrunde geht - infolge nutzungsbedingter Engpässe - , so
zeigt ein Blick auf die Geschichte des Internet, daß dies schon immer
so war: Das ARPANET ging an seinem Erfog zugrunde und wurde vom
NSFNet der National Science Foundation abgelöst. Auch das NFSNet
ging an seinem Erfolg zugrunde und ging in einem leistungsfähigeren
Netz der Merit Network Inc. auf. Das in den USA im Aufbau befindliche
National Research and Education Network (NREN) wird ein noch
leistungsfähigeres Netz sein, das in der Lage sein wird, innerhalb
einer Sekunde den ganzen Informationsgehalt der Encyclopedia
Britannica zu übertragen ("Super-Highway").
Die Kommunikation im Internet ist durch vier gemeinsame Aspekte
geprägt:
1. "Kostenlosigkeit" für privilegierte Nutzer mit Internet-
Direktanschluß (leider gilt dies nicht, wenn man erst eine
Telefonverbindung zu einem Internet-Direktanschluß herstellen
muß)
2. Internationalität: Die Welt rückt zusammen - Stichwort "global
village"
(Im Zusammenhang mit den Diensten WWW und Gopher komme ich darauf
zurück.)
3. Die Kommunikation ist in hohem Maße interaktiv.
4. Alle Formen von Informationen sind inzwischen vertreten: (ASCII-)
Texte, Programme (Binärdateien), Bilder bzw. Graphik, bewegte
Bilder, Ton- bzw. audiovisuelle Informationen.
((Hypertext erwähne ich hier nicht, da es dabei mehr um die
Organisation von Daten als um ihre Präsentation geht.))
Ich komme nun auf die Internet-Nutzung unter inhaltlichem Aspekt
zurück, wobei mir die bewährte, wenngleich etwas künstliche
Einteilung in Kommunizieren, Rechnerbenutzung und Informations-
beschaffung als Gliederungsschema dient.
Der Nutzungsform "Kommunizieren" läßt sich der Dienst "Electronic
Mail" zuordnen, der einschließlich der auf ihm basierenden
Anwendungen wie Diskussionsgruppen und Newsgruppen der mit Abstand am
meisten genutzte Internetdienst ist. Interessanterweise gehörte
E-mail nicht zu den ursprünglich intendierten Anwendungen - bis einige
Programmierer darauf kamen, daß man Internet auch hierzu benutzen
kann.
Es geht in der einfachsten Form darum, daß sich individuelle Nutzer
über das Internet Nachrichten zuschicken, die i.d.R. als ASCII-Texte
vorliegen. Man kann diesen Dienst aber auch nutzen, um in einem
"elektronischen Umschlag" Programme, seltener auch digitalisierte
Ton- oder Bildinformationen, zu übersenden. Interessant ist, daß man,
um E-mail zu praktizieren, keinen Internet-Direktanschluß benötigt.
Allerdings fallen dann - wie schon erwähnt - , Telefongebühren zum
nächsten Internet-Anschluß an.
Interessant sind vor allem die "kollektiven Weiterentwicklungen" des
E-mail-Nachrichtenaustauschs in Form von mailing lists oder
Diskussiongruppen und Newsgroups.
Die als mailing lists realisierten Diskussionslisten basieren darauf,
daß jede Nachricht an alle Mitglieder einer Gruppe verschickt wird.
Dabei kann es sich um offene oder geschlossene Gruppen handeln. Die
Listen können moderiert oder unmoderiert sein. Diskussionsgruppen gibt
es praktisch zu allen Themenbereichen. Viele Diskussionslisten, vor
allem in den USA, beschäftigen sich mit bibliothekarischen oder
bibliotheksrelevanten Themen, so daß sie inzwischen sogar auf einem
WWW-Server nachgewiesen sind. Besondere Bedeutung im deutschsprachigen
Bereich hat die Gruppe Diskussionsgruppe inetbib, die von der UB
Dortmund betreut wird.
Eine Zahlenangabe zu den Diskussionslisten habe ich nicht, nur den
Hinweis eines Autors, daß die ausgedruckte Liste der Adressen (welche
ein Umweltfrevel!) 300 Seiten lang war.
Die Newsgroups unterscheiden sich von den Diskussionsgruppen dadurch,
daß die Nachrichten nicht an die Abonnenten der Newsgroups
verschickt, sondern auf speziellen News-Servern "geposted" werden,
d.h. man kann sie sich bei Bedarf ansehen und ggf. mit einem
Kommentar versehen wieder zurückschicken. Die News-Server bilden ein
organisatorisch eigenständiges Netz, das USENET. Es gibt etwa 5000
Newsgroups weltweit zu praktisch allen Themen. Die Newsgroups sind
nach Gruppen und Untergruppen hierarchisch gegliedert. Letztere
spiegeln sich auch in den Namenskomponenten wieder. Beispielsweise
steht der erste Namensbestandteil
comp für Computer
rec (recreation) für Hobby, Freizeit, Kunst
talk für Foren, die kontroverse Themen behandeln
usw.
Nach meinem eigenen, zugegebenermaßen etwas oberflächlichen Eindruck
geben die Newsproups für deutsche Nutzer im großen und ganzen nicht
sehr viel her. Eine Ausnahme bildet die Erörterung ausgesprochener
Fachfragen, z.B. im EDV-Bereich. Für die meisten USENET-Nutzer
stellt die Teilnahme an den Diskussionen eine Art Freizeit-
beschäftigung dar, so daß neben der Information auch das soziale
Moment eine Rolle spielt.
Im Prinzip ist USENET für öffentliche Bibliotheken aber interessant,
weil es ohne Internet-Direktanschluß nutzbar ist.
Auf der Basis von E-mail haben sich auch neue Formen des
elektronischen Publizierens etabliert. Hierzu gehören vor allem
elektronische Zeitschriften, Newsletters und Magazine. Bei dieser
Literaturgattung geht es wie bei den Diskussionslisten um die
Verteilung von Informationen an einen bestimmten Abonnentenkreis in
bestimmten Abständen. Aus diesem Grund kann man die gleiche oder
ähnliche Software benutzen wie z.B. bei moderierten Diskussionslisten.
Elektronische Zeitschriften, die auf E-mail-Basis realisiert werden,
werden überwiegend von Non-profit-Organisationen (Gesellschaften,
Bibliotheken, Museen etc.) herausgegeben und haben häufig noch ein
etwas amateurhaftes Erscheinungsbild. Kommerzielle Verlage bedienen
sich für ihre Parallelausgaben gedruckter Zeitschriften zunehmend
graphischer Darstellungsformen. Es gibt im Internet schätzungsweise
mehr als 1000 Zeitschriften, Zeitungen, Magazine u.ä.
Die zweite Nutzungsform des Internet war die Nutzung fremder Rechner.
Mit einem besonderen Dienst namens TELNET kann man seinen eigenen
PC als Ein- und Ausgabeterminal eines fremden Rechners benutzen. Man
kann eigene Programme ablaufen lassen, Anwendungen auf dem Rechner
nutzen, z.B. in Datenbanken recherchieren, oder auf öffentlich
zugängliche Dateien zugreifen. Unter Fremdrechner-Nutzung kann man
auch das Herunterladen von Dateien mit dem Filetransfer-Protokoll FTP
subsumieren. Filetransfer läßt sich grundsätzlich zwischen allen
Rechnern in einem TCP/IP-Netz durchführen. Es gibt im Internet aber
besondere Archiv-Server (FTP-Server), die Tausende von abrufbaren
Dateien bereithalten.
Der Dienst TELNET ist für Bibliothekare noch insofern von Interesse,
als über ihn noch ein großer Teil der Datenbankrecherchen und
Katalogrecherchen abgewickelt wird. Man kann über verschiedene
Dienste auf schätzungsweise 1000 Bibliothekskataloge zugreifen (wird
wenigstens behauptet). Ansonsten sind Datenbanken im traditionellen
Sinne, wie wir sie aus dem IuD-Bereich kennen (Medline, JURIS,
SOLIS,...), im Internet relativ schwach vertreten, wenn man einmal
davon absieht, daß sich alle großen Hosts heute bemühen, ihre Dienste
zusätzlich über Internet anzubieten.
(Da man auf die Datenbankinformationen in TELNET-Datenbanken nicht
direkt über das Internet, sondern nur indirekt zugreifen kann,
sind sie nur in einem eingeschränkten Sinne als Internet-
Informationen ansprechbar. Sie sind auch mit keiner Suchmaschine des
Internet recherchierbar.)
Der Filetransfer ist vor allem von Interesse für das elektronische
Publizieren. Er dient zum Herunterladen von elektronischen Büchern,
Texten aus Textsammlungen, Zeitschriftenarchiven usw. - Es gibt
größenordnungsmäßig etwa 5.000-10.000 frei (anonym) zugängliche FTP-
Server mit um die 2 Mio. public files. Die Datenmenge der insgesamt
über das Internet verfügbaren Programme, Textdateien usw. wird auf
etwa 6000 Gigabyte geschätzt. Das ist der Informationsgehalt von etwa
10.000 CD-ROMS !
Der letzte und interessanteste Teil der Internet-Nutzung ist die
Informationsbeschaffung bzw. der Informationsnachweis über höhere
Dienste oder auch "integrating services" - wie Gopher oder WWW.
Der Terminus "integrating services" beinhaltet: Die
Informationsangebote sind in besonderer Weise benutzerfreunlich in
sich strukturiert (ich komme später noch darauf). Und: Einfachere
Dienste wie TELNET oder FTP können als Teilangebote integriert sein.
(Aus diesem Grund habe ich den Filetransfer unter Rechnerbenutzung
subsumiert, obwohl es sich um inhaltlich ähnliche Informationen
handelt wie bei WWW und Gopher.) Was bieten diese Dienste aber nun
an Informationen, und wie funktionieren sie ?
Die Informationsvielfalt des "global general purpose network" kommt
in erster Linie bei diesen benutzerfreundlichen Diensten zum Tragen,
die neben E-Mail von der breiten Masse der Internet-Teilnehmer
genutzt werden. (Im Unterschied zu E-Mail handelt es sich hier um
- mehr oder weniger - "statische" Informationen, die aber
nichtsdestoweniger interaktiv nutzbar sind.) Wenn ich diese
Informationsvielfalt durch ein passendes Bild oder durch einen
Vergleich beschreiben sollte, würde ich das Informationsangebot
(von der inhaltlichen Struktur her) am ehesten mit dem einer großen
Tages- oder Wochenzeitung vergleichen. Abgesehen von der etwas
geringeren Tagesaktualität der Internet-Informationen, und der
Tatsache, daß sie teilweise im multimedialer Form vorliegen, gibt es
keinen Teil einer Zeitung, der nicht im Internet seine Entsprechung
finden würde. Hier eine Gegenüberstellung:
> Zeitung < > Internet <
Politik News (vergleichsweise unbedeutend)
größeren Raum nehmen ein:
Informationen von/über politische
Organisationen (z.B. UNO, Weißes
Haus, Regierungsstellen. Reden,
Programme, Denkschriften, offizielle
Dokumente jeder Art)
Feuilleton + Literaturbeilage elektronische Texte, Diskussions-
gruppen
Kulturelle Ereignisse, Bilder, Poster
Ausstellungen, Museen
Bildung, Weiterbildung Internet-Universitäten, Lehrtexte,
Trainingsprogramme, Tutorials
"Aus Wissenschaft und Technik" Diskussionsgruppen, elektronische
Zeitschriften, Daten, Bilder (z.B.
von Weltraummissionen)
Wirtschaft, Anzeigenteil Statistiken: Wirtschaftsdaten,
Censusdaten ;
Börseninformationen ;
Firmeninformationen (mit aufwendigem
Design, teilweise umfangreich)
Reise, Sport Berichte, Bilder, Karten, Angebote,
Almanache
Wetter Satelliten-Wetterkarten
Lokales Informationen über lokale
Einrichtungen, Organisationen,
Geschäfte, Restaurants ,
Service-Angebote (z.B. Fleuro-
Dienste, in Zukunft: Tele-banking,
Tele-shopping)
Unterhaltung, Denkaufgaben Cartoons,
Spiele im Internet (Schach u.a.)
Leserbriefe Diskussionslisten (E-mail)
Eine gute Strukturierung des Internet-Informationsangebots bietet
auch der Informationsdienst EINET Galaxy auf seiner Übersichtsseite,
die auch die Gewichtungen zutreffend wiedergibt
(http://galaxy.einet.net/galaxy.html).
Man kann nicht alles, was es im Internet gibt, vorführen oder sich
ansehen. Der Inhalt läßt sich nur in abstrakten Kategorien
beschreiben. Da jeder, auch wenn er lange recherchiert hat, nur einen
kleinen, meist zufälligen Teil des Informationsangebots ausschöpft,
gibt es viele individuelle Sichten des Internet. Vergleich: Für jeden
ist "Deutschland" ein fester Begriff. Dennoch hat jeder andere Städte
gesehen, ist andere Straßen gefahren, hat andere Wanderungen
gemacht...
Wie sind nun höhere Informationsdienste wie WWW oder Gopher
organisiert?
Sie berücksichtigen vor allem, daß Informationsangebote zu einem
bestimmten Thema oder Sachverhalt in der Regel aus mehreren
Teilinformationen oder Teildokumenten bestehen - wenn man so will,
aus einem ganzen Informationsbündel. Die Dienste müssen eine sinnvolle
Verknüpung der Teilinformationen ermöglichen verbunden mit der
Möglichkeit, von einer Information zur nächsten zu gelangen.
Ich möchte dies an einem Beispiel aus meinem Urlaub erläutern: Für
eine London-Reise hatte ich von der British Tourist Authority
Unterlagen angefordert und erhielt in einem Umschlag eine Karte,
eine Stadtbeschreibung, einen Hotelführer und Hinweise auf weitere
Informationsquellen. Wenn die British Tourist Authority in Zukunft
ihre London-Informationen über Internet anbietet, würde ich vielleicht
ein ähnliches Informationsbündel erhalten - evtl. noch bereichert um
ein Video oder eine Tonaufnahme, in der man die Uhren des Big Ben
schlagen hört. Auch hier werde ich Verweise auf andere Internet-
Informationen bekommen, die mir nützlich sein können. Sinnvollerweise
erhalte ich diese Informationen in strukturierter Form, d.h. ich
würde als erstes eine Übersicht der erhältlichen Materialien
bekommen, aus der ich auswählen kann. Diese sind dann möglicherweise
in sich weiter differenziert, z.B. der Hotelführer nach
Preiskategorien usw.
Die simpelste und vermutlich der bibliothekarischen Denkweise am
nächsten kommende Form des Nachweises ist die des GOPHER-Dienstes,
bei der man einfach eine Liste der Materialien angezeigt bekommt, aus
der man über Cursor-Auswahl oder Maus auswählen kann. Dies Form des
Nachweises , die 1993 noch sehr im Trend lag, stirbt aber für aktuelle
Informationen mehr und mehr aus und wird vielleicht nur noch für
Archivmaterialien eine Daseinsberechtigung behalten.
Eine anspruchsvollere und zugleich ansprechendere Form der Darbietung
bietet das World Wide Web (oder abgekürzt WWW). In meinem Beispiel
würde ich eine mit einem Photo oder Poster aufgemachte
Begrüßungsseite mit einem einladenden Text bekommen, in den geschickt
alle Punkte eingebaut sind, zu denen weitere Informationsseiten
erhältlich sind. Wenn ich zum Beispiel in dem Satz " 230 HOTELS in
jeder Lage und Preisklasse stehen zu Ihrer Auswahl bereit" das
farblich hervorgehobene Wort HOTELS mit der Maus anklicke, erhalte ich
die Übersichtsseite des Hotelführers. - Die Verknüpfungen zwischen
einzelnen Seiten bezeichnet man als L i n k s. Eine derartige
Organisationsform von Texten oder multimedialen Informationen
bezeichnet man als Hypertext bzw. Hypermedia. Die WWW-Seiten liegen
in einem bestimmten Format vor, dem HTML-Format, das auch die
Verknüpungsinformationen beinhaltet. Die erste Seite eines WWW-
Informationsangebots bezeichnet man als Home Page.
WWW und Gopher sind aber nicht auschließlich - nicht einmal in erster
Linie - für die Organisation von Informationen auf lokaler Basis
gedacht. Nicht umsonst enthält mein Beispiel auch Verweise auf
andere Informationsquellen im Internet. Viel reizvoller als in in
lokalen Informationsangeboten zu recherchieren, und in vielen Fällen
auch effektiver, ist eine Praxis, die man als "Surfen im Internet"
bezeichnen kann. Hinter allen Links stehen nämlich vollständige
Internet-Adressen. Es macht also überhaupt keinen Unterschied, ob mir
ein weiteres Dokument des gleichen Servers angeboten wird, oder eines,
das sich auf einem beliebigen Server der Welt befindet. Durch diese
Informationsverknüpfung über Kontinente hinweg wird das Internet zu
einem einzigen millionenseitigen Buch (einem "speculum mundi"), in
dem man beliebig hin und her blättern kann. Man spricht auch von einem
"global village", einem globalen Dorf, zu dem die Welt auf dem PC
zusammenrückt.
Neben der benutzerfreundlichen graphischen Darstellungsform macht
dies den besonderen Reiz und die Faszination des World Wide Web aus,
das für viele bereits ein Synonym für das Internet schlechthin
geworden ist, während die elementaren Dienste - von E-mail abgesehen -
immer mehr in den Hintergrund treten und zu einer Sache der
Fachspezialisten werden.
Gute Informationsangebote reichen allein nicht aus. Man muß sie auch
finden können. Ohne Register ist das Buch Internet mit seinen
Millionen von Seiten nicht benutzbar.
Zum einen kann man die vorhandenen Dienste Gopher oder WWW selbst
benutzen, um Informationen weltweit oder regional begrenzt
nachzuweisen. (Es macht keinen Unterschied, ob von der Home Page
eines Unternehmens auf dessen Filialen in aller Welt verwiesen
wird, oder ob z.B. unter der Home Page eines Informationsservers
Chemie Publikationen und Datensammlungen der Chemie zusammengeführt
werden.) Natürlich ist klar, daß die nachgewiesenen Informationen
immer nur eine Auswahl darstellen können.
Eine andere Möglichkeit ist der Einsatz von Suchmaschinen, die es für
verschiedene Dienste gibt, auf die ich nicht im Detail eingehen will.
Gopher-Angebote kann man z.B. über einen Suchdienst namens "Veronika"
recherchieren. Für WWW-Angebote gibt es den "WebCrawler" und andere
Suchmaschinen. Da i.d.R. nur nach Stichworten gesucht wird und ohne
Differenzierung nach bestimmten Typen von Suchfeldern, sind die
Suchergebnisse häufig zufällig, unpräzise und mit Ballast behaftet.
Deshalb gleich von einem Informationchaos zu reden, wäre sicher
übertrieben. Die unzureichenden Erschließungsinstrumente sind neben
den Leitungsengpässen aber derzeit die hauptsächlichen
Hinderungsgründe für eine noch effizientere Nutzung des Internet.
> Schlußbetrachtung: Zugang zum Internet in und über Bibliotheken <
Wenn man die Hauptaufgabe öffentlicher Bibliotheken - die
wissenschaftlichen eingeschlossen - in der Bereitstellung und
Vermittlung öffentlich zugänglicher Informationen sieht, sollten
Bibliotheken ihren Benutzern auch den Zugang zum Internet öffnen,
und ihnen, soweit möglich, auch Hilfestellung beim Auffinden der
Informationen anbieten, die für sie von Interesse sind, - durch
Beratung oder auch eigene Informationsführer. Internet steht zwar
im Prinzip allen Teilnehmern zur Selbstbedienung zur Verfügung und
ist auch so konzipiert. Die Bibliotheken werden in Zukunft aber
selbst, für ihre eigenen Informationsangebote, Schritt für Schritt
den Übergang vom "Resourcenprinzip" zum "Zugriffsprinzip"
praktizieren, wobei das Internet als Medium eine zentrale Rolle
spielen wird (vgl. das zum Abschluß des Bibliothekartags in
Göttingen verteilte Memorandum der Bundesvereinigung Deutscher
Bibliotheksverbände "Bibliotheken im Zeitalter der Datenautobahnen
und internationalen Netzen"). Die Einbeziehung der im Internet
bereits vorhandenen Informationsquellen ist ein logischer Schritt.
Öffentliche Bibliotheken müßten von der Nachfrage her im Prinzip die
volle thematische Breite des Internet-Informationsangebots abdecken ;
die wissenschaftlichen Bibliotheken können sich mehr auf die
Fachdisziplinen beschränken, müssen aber bei der Erschließung mehr in
die Tiefe gehen. Daß Bibliotheken und Bibliothekare auch selbst von
Internet-Informationen profitieren können - bei Auskunft,
Katalogisierung, Datenaustausch und Weiterbildung -, liegt auf der
Hand.
Q u e l l e n a n g a b e n
Texte:
Michael Malazdrewicz: An Internet Primer.
http://www.docker.com/primer.html
(gute Anregungen zur Stoffgliederung)
Tanya Herlick + Michael Bauer: Internet Basics: Basic Services.
http://www-e1c.gnn.com/gnn/helpdesk/basics/help1.html
Michael Bauer: What is the Internet? + FAQ's about the Internet
http://www-e1c.gnn.com/gnn/helpdesk/bauer.html
Ed Krol: The Whole Internet User's Guide & Catalog. Chapter 2: What
is the Internet?
http://www.lanl.gov:8010/general-information/internet-
information/what.is.internet
Bruce Sterling: Internet.
http://oingomth.uwc.edu/inetguide/the_internet.html
J. Sellers: FYI on Questions and Answers. Answers to Commonly Asked
"Primary and Secondary School Internet User" Questions. 3.1: What
is the Internet?
http://www.cusd.claremont.edu/www/people/rmuir/rfc1578.html
Zahlenangaben (zusätzliche):
Matthew Gray: Growth of the World Wide Web.
http://www.netgen.com/info/growth.html
Monika Cremer: Internet für Bibliotheksbenutzer. - In:
Bibliotheksdienst 29(1995)7, S.1125
Paul Gilster: Suchen und Finden im Internet. - München: Hanser 1995. -
S.14
Internet Domain Survey, July 1995
http://www.nw.com/zone/WWW/top.html
Internet Society Press Release, 4 August 1994 (rev.)
- Country Host Statistic
gopher://gopher.isoc.org/00/isoc/pub/press_releases/host-count.txt
Wolfgang Binder
binder _at__ ub.uni-bielefeld.de
Listeninformationen unter http://www.inetbib.de.