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Re: AW: Verlags-Dissertationen



Liebe Liste,

   ein paar Ueberlegungen und Fragen (meine Sicht: Nutzer, 
kleinere Institutsbibliothek, Autor):
1.    Unbestritten: die Hemmschwelle sich eine elektronische 
      Version einer Diss anzugucken ist geringer als die
      das Buch anzuschaffen oder aus einener anderen Biblio-
      thek auszuleihen. Voraussetzung ist aber, dass man auf
      irgendweine Weise mitbekommt, dass es diese Diss. gibt.
      Und zumindest in einigen Faechern gibt's halt kein
      Gegenstueck zu arxiv.org, wo man von Zeit zu Zeit
      reingucken kann ob's da in letzter Zeit was Neues auf
      dem eigenen Gebiet gegeben hat. Daher:
2.    Verlags-Dissertationen koennen die Information "da gibt's
      jetzt ein Buch zu X [wozu's vorher noch nie was gab]"
      ueber Prospekte an Personen und Einrichtungen bringen, 
      die diese Information sonst nicht erhalten haetten.
3.    Analog sieht's mit Rezensionen aus (durch die zumindest
      ich gelegentlich von Sachen erfahre, die mich inter-
      essieren, von deren Existenz ich aber vorher nichts
      wusste). Solange (zumindest in einigen Faechern) keine
      wesentliche Rezesionskultur fuer elektronische 
      Dissertationen da ist, scheint mit (zumindest in 
      solchen Faechern) die Verlagsdissertation nach wie vor
      von Vorteil.
4.    Es gibt Faecher da finden die Buecher oft ihre Leser 
      erst mit betraechtlichem Zeitverzug. D.h.: Fachbiblio-
      graphien sind wichtig. Wie sicher kann man derzeit 
      sein, dass z.B. eine nur elektronisch vorliegende
      Dissertation ihre Verzeichnung in der "Bibliographie 
      internationale de l'Humanisme et de la Renaissance"
      findet?
5.    Wie sicher ist die Langzeitarchivierung? (Dass PDF
      in 200 Jahren noch irgendwer liest, halte ich fuer
      recht unwahrscheinlich; und ueber Migrationssicherheit
      ueber die Jahrhunderte lassen sich was EDV betrifft
      wohl noch keine echten Erfahrungswerte vorweisen: 
      d.h.: echte Langzeitarchivierung braucht u.U. weiter-
      hin Papier: und da frage ich mich, an weivielen 
      Stellen Papierkopien der elektronischen Dissen stehen
      werden, und an wievielen Exemplare der Verlagsdisser-
      tationen.) Wie steht's mit der Katastrophensicherheit?
6.    Manches entdeckt man weil's ein Buch ist, das neben einem 
      anderen Buch seteht, das man sich eigentlich angucken 
      wollte. Um bei Bibliotheken die systematisch aufstellen
      den Nutzeren solche Findeerlebnisse zu ermoeglichen 
      braucht's einen Papierausdruck im Regal. Ist da die
      elektronsiche Version plus Ausdruck plus Binden 
      immer billiger als der Erwerb der Verlagsdissertation?

Ich bitte obiges nicht als Argumentation *gegen* elektronische
Veroeffentlichung zu verstehen (elektronische Veroeffent-
lichung fuehrt gewiss zu Lektuere die's sonst nicht gaebe),
sondern als Ueberlegungen ob nicht zumindest in einigen Faechern
zumindest derzeit parallele Veroeffentlichung als Verlags-
Dissertation nicht zusaetzlichen Nutzen bringen kann.
Und ob daher nicht zumindest in einigen Faellen ein Anschaffungs-
stop fuer Verlagsdissertationen - der ja wohl zu einem
Aussterben derselben fuehren wuerde - zu auch bei Nutzern
und Autoren uenerwuenschten Ergebnissen fuehren wuerde.

   Mit freundlichen Gruessen aus Muenchen (blaue Flecken
am Himmel)

Heinrich C. Kuhn

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|    Dr. Heinrich C. Kuhn
|    Seminar fuer Geistesgeschichte der Renaissance
|    Ludwig-Maximilians-Universitaet Muenchen
|    D-80539 Muenchen / Ludwigstr. 31/IV
|    T.: +49-89-2180 2018, F.: +49-89-2180 2907
|    inst. URL: http://www.phil-hum-ren.uni-muenchen.de/
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