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Re: Enzensberger-Schelte
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
besser spaet als nie! "Vergiss Amerika", moechte frau angesichts der
durch HMEs Artikel angezettelten "Diskussion" re Service an deutschen
Bibliotheken rufen.
Nach zweijaehrigem (zugegebenermassen lange zurueck liegenden)Aufenthalt
in den USA und fleissiger Nutzung der dortigen Bibliothek kann ich
sagen: Klar war/ist manches besser - aber eben nicht alles. Auch dort
wurde/wird nur mit Wasser gekocht, das wird hier gern vergessen.
Uebrigens auch der hohe soziale Preis, den amerikanische Kollegen/innen
fuer die staendige "Verfuegbarkeit" zahlen.
Vorweg sei bemerkt: Ja, ich bin (auch) der Meinung, dass der Service/die
Kundenorientierung in (deutschen) Bibliotheken (wie uebrigens auch in
anderen oeffentlichen Einrichtungen) besser sein koennte. Und ich bin
nicht grundsaetzlich gegen laengere und/oder sonntaegliche Oeffnungszeiten.
Aber:
In den Reaktionen auf HMEs Artikel geht es ausschliesslich um laengere
Oeffnungszeiten. (Ja, ich weiss: Jemand hat speziell danach
gefragt.)Trotzdem finde ich es merkwuerdig, dass sich zu den von HME
erhobenen Vorwuerfen niemand so richtig aeussert. Es scheint also ums
deutsche Bibliothekswesen in der Tat so schlecht bestellt zu sein wie
von ihm beschrieben. Haben wir wirklich nur schlechten Service, ruppiges
Personal etc zu bieten? Kein Widerspruch, nirgends?
Und:
Liest man die Mails, koennte man glauben, das Heil verbesserter
Dienstleistungen laege einzig und alleine in laengeren Oeffnungszeiten.
Nun wissen alle, dass das so nicht stimmt. Anfangen muss man viel
frueher und an anderer Stelle, naemlich bei:
- Benutzerschulungskonzepten
- benutzerorientierter Sprache, kein Fachchinesisch
- (zielgerichteter) Mitarbeiterfortbildung
- interner Kommunikation
- Oeffentlichkeitsarbeit
- Marketing der vorhandenen(!!)Dienstleistungen
und, und, und.
Das sind in vielen Bibliotheken m.E.immer noch Grundprobleme, die auch
und als erstes geloest werden muessen, bevor Bibliothek auf den Zug der
staendigen Verfuegbarkeit aufspringt. Umso mehr, als die stolz
verkuendete laengere oder sonntaegliche Oeffnungszeit oftmals nur eine
Art Not"service" zu beinhalten scheint!
Was die "Sonntagsarbeit" betrifft, so meine ich, dass wir uns - bei
aller Befuerwortung eines veraenderten Serviceangebots an deutschen
Bibliotheken - gesamtgesellschaftlich gesehen ein Armutszeugnis
ausstellen.
Mir scheint das Eine (laengere Oeffnungszeiten) nicht ohne das Andere
(motivierte und umfassend informierte und geschulte Mitarbeiter/innen)zu
funktionieren.
Ja, es gibt manches zu verbessern. Aber anstatt bei jeder Kritik an
Bibliotheken sofort "mea culpa" und "Sie haben ja so recht" zu rufen und
nach Amerika zu schielen, sollte unsere Zunft sich wieder auf ihre
durchaus vorhandenen Staerken und ihre(nach PISA noch viel
wichtigere)Rolle als Wissens- und Informationsvermittler besinnen.
Freundliche Gruesse,
Gisela Broeckerhoff
(die ihren Beruf mag und ihn keinesfalls in Amerika ausueben moechte)
--
Gisela Broeckerhoff
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