[Date Prev][Date Next][Thread Prev][Thread Next][Date Index][Thread Index]
Zukunft Buch Bibliothek Bibliothekare
- Date: Thu, 29 May 1997 14:32:02 +0200
- From: "Martin Baumgaertel" <baumg _at__ dbi-berlin.de>
- Subject: Zukunft Buch Bibliothek Bibliothekare
Den von Herrn Hapke am 26.5.97 empfohlenen Artikel von Herrn Odlyzko
habe ich in der Fassung vom 08.05.97 gelesen.
Vorab: Die von Odlyzko zitierten Orgininalquellen habe ich nicht gelesen.
Einigen vom Autor geaeusserten Thesen stimme ich ebenfalls zu, insbesondere
der Schlussfolgerung am Ende des Artikels, dass die von Crawford beschriebenen
Staerken der heutigen Bibliotheken weiter auszubauen und durch weitere
Aktionen in Richtung Benutzerfreundlichkeit etc. zu betonen sind.
Fernab liegt mir auch die unkritische Sicht auf das Erscheinungsbild
der Bibliotheken bzw. die Qualitaet bibliothekarischer Leistungen fuer
den Benutzer. Das hier viel zu tun ist - und viel getan wird - liegt
auf der Hand.
Die Quintessenz des Artikels geht jedoch m.E. in eine andere Richtung,
es wird das Berufsbild der Bibliothekare angegriffen.
Demgegenueber zeichnet der Autor ein anderes Berufsbild auf Seiten der
DV-Technik. Die Wichtigkeit der eigenen Arbeit zu electronic publishing
wird hier in eine Reihe gestellt mit der Bedeutung der Umwaelzungen muendliche
Information -> Schreiben -> Drucken.
Einige Passagen stellen einen Rueckfall in die Frage des exklusiven ODER dar,
da der Autor auf lange Sicht nur der elektronischen Form der Information
Zukunft gibt (lediglich von einem Uebergangszeitraum der parallelen Praesenz
wird gesprochen - "die eine oder andere Dekade"). Befoerdert wird dies durch den
Vergleich Vinyl-LP <-> CD. Dieser Vergleich stellt darauf ab, dass beide Medien
identische Information transportieren. Bei den signifikanten Unterschieden in den
Gebrauchsweisen (bedingt durch die Gebrauchseigenschaften) wird dann in Kategorien
von klaren "Gewinnern" und "Verlierern" argumentiert.
Die Bibliotheken werden hier wohl sorfaeltig anhand der von ihr bedienten Klientel
entscheiden und ggf. parallele Zugaenge anbieten. Auch in dieser Runde gehoerte
Stimmen von Mathematikern und Informatikern lassen vermuten, dass gedruckten Formen
noch auf unabsehbare Zeit ihre Vorzuege ausspielen werden.
"While librariens do not think of themselves as providers of
inferior data, to a large extent that is what they have been since
the beginning"
Neben derartigen Aeusserungen entwickelt Odlyzko ein Modell fuer kleinere, wiss.
Spezialbibliotheken, in dem ganz auf Bibliothekare verzichtet wird und die Wissenschaftler
diese in Eigenregie betreiben.
Da diese Mail sich vom Volumen her der Schmerzgrenze naehert, moechte ich dazu nur einen
Punkt zu bedenken geben:
Der Wissenschaftsrat hat unlaengst positive Stellungnahmen zu Projekten abgegeben, wie sie
z.B. die Laender Berlin und Brandenburg in Adlershof bzw. Golm planen/durchfuehren.
An den Bezeichnungen dieser Projekte ("Wissenschafts- und Forschungspark") kann man bereits
erkennen, dass die Integration von universitaerer und industrieller Forschung und Entwicklung
ein Kerngedanke dabei ist.
Hinzu kommt die Tatsache, dass gerade in Rand- und Ueberlappungsbereichen der Wissenschaften
die vielversprechendsten Ergebnisse zu erwarten sind. Diesem Sachverhalt durch eine
entsprechende Infrastruktur zu begegnen erscheint logisch. Das dazu eine funktionierende
Campus-Bibliothek gehoert, ebenfalls.
Waehrend meiner Taetigkeit in einem Forschungsinstitut auf dem Adlershofer Gelaende konnte ich
die Erfahrung machen, dass kleinere Institute sich keinesfalls nach einer eigenen,
abgeschlossenen, in Eigenregie betriebenen Bibliothek sehnten, sondern vielmehr einer
leistungsstarken Campusbibliothek entgegenfiebern. (Die vorhandene Campusbibliothek wird bis
zum definitiven Umzug der naturwissenschaftlichen Fakultaet der Humboldt-Universitaet bei allem
ehrenwerten Bemuehen diesen Anspruechen nicht genuegen.)
-----------------------------------------------------------------------
Ein Wandel wird und muss sich in den Bibliotheken einstellen. Das Berufsbild der Bibliothekare
ist bereits von ihm erfasst - und wird uns hoffentlich erhalten bleiben.
Martin Baumgaertel
(Dipl.-Math.)
************************************************
DBI
Alt-Moabit 101 A
10559 Berlin
baumgaertel _at__ dbi-berlin.de
Telefon: 030 / 390 77 147
FAX: 030 / 390 77 100
*************************************************
Listeninformationen unter http://www.inetbib.de.