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Re: Zukunft Buch Bibliothek Bibliothekare
Nachdem Herr Baumgaertel zum Artikel von Odlyzko einige Anmerkungen
gemacht hat, denen ich im wesentlichen zustimme, moechte ich doch noch
selbst ein paar dazufuegen.
Entschuldigen Sie diese erneut etwas lange Mail ! Falls Sie an dieser
eher aephilosophischeno Diskussion nicht interessiert sind, bitte
jetzt die Delete-Taste druecken ! 8-)
Trotz der vielen Seitenhiebe in Richtung Bibliotheken finden sich auch
wohlwollende Formulierungen ueber Bibliotheken in diesem zum
Widerspruch reizenden Artikel. Fuer mich war die Meinung Odlyzkos
exemplarisch fuer eine weit verbreitete unter (Natur-)
Wissenschaftlern, mit der wir Bibliothekare uns natuerlich
auseinandersetzen muessen (Danke an Hr. Baumgaertel fuer seine
Stellungnahme !).
Die von Odlyzko angedeuteten Parallelen zwischen dem Uebergang von der
Handschrift zum Druck und der heute laufenden Umwaelzung Richtung
elektronischem Publizieren sind fuer mich ebenfalls sichtbar. Ob dies
nur populaere Ueberinterpretation historischer Quellen ist, koennen
wahrscheinlich nur Fachhistoriker sagen.
Zum Ersatz von Vinyl-LP durch die CD faellt mir kein Einwand ein,
warum dies nicht auch irgendwann beim Buch durch einen "aufgemotzten
Gameboy" passieren koennte (auch fuer mich eine Horror-Vision !). Zur
Zeit, dies betont uebrigens auch Odlyzko, hat das gedruckte Buch aus
technologischen und wirtschaftlichen Gruenden weiter Vorrang vor dem
elektronischen Format, zumindest fuer die naechsten Jahrzehnte
(Odlyzko spricht immer von einer Evolution, also einer eher langsamen
Entwicklung).
Ein weiterer interessanter Aspekt aus Odlyzkos Paper ist die Frage der
"Groessenordnung": Zeitlich gesehen sind fuer Odlyzko Bibliotheken
relativ neue Institutionen, die Produkte des Wachstum der Information
in unserer Gesellschaft sind (entstanden Ende des 19. Jahrhunderts,
wobei er hier neben dem Bereich der "public libraries" auch die
grossen wissenschaftlichen Bibliotheken meint). Dieser Wachstum hat
zur Standardisierung bei Rechercheinstrumenten (z.B. Kartenkatalog)
gefuehrt. Fuer mich ist angesichts der weiter zu erwartenden
Informationsexplosion elektronischer Publikationsprodukte diese
Standardisierung notwendiger denn je (siehe z.B. die
Metadaten-Initiativen). Ob Odlyzkos kleine von Wissenschaftlern
betriebenen Spezialbibliotheken, die ja auch schon Hr. Baumgaertel
erwaehnt hat, dies leisten, glaube ich nicht.
Ob der Fachwissenschaftler sich in Zukunft mit der Koordination,
Standardisierung, Bereitstellung und Archivierung elektronischer
Medien befassen will (eigentlich interessiert ihn ja sein Fach; woran
er natuerlich interessiert ist, dass seine Forschungsergebnisse
schnell und gut wiederauffindbar veroeffentlicht werden !), wage ich
zu bezweifeln. Hier wird es weiterhin eigene, vielleicht ja auch neue
Institutionen geben bzw. gibt es die schon, zu denen ganz sicher auch
Bibliotheken gehoeren werden.
Bibliotheken werden , wie Odlyzko es ausdrueckt, wie Verlage,
Buchhaendler, TV usw. oekologische Nischen der Informationsindustrie
besetzen, die miteinander in Konkurrenz stehen. Fuer Odlyzko klingt
dieses Argument nach Abwertung der Bibliotheken, wenn er ein "survival
of the fittest" prognostiziert. Dies widerspricht meiner Meinung nach
allen bisherigen Projekten im Bereich elektronischen Publizierens, in
denen es in der Regel zur Zusammenarbeit verschiedenster Institutionen
(dabei immer auch Bibliotheken) kommt. Trotzdem wird natuerlich eine
Konkurrenzsituation wachsen.
Ein weiteres fuer mich diskussionswuerdiges Statement aus dem Paper:
Bibliotheken werden in Zukunft nicht der Ort sein, wo Schulungen zum
Internet und zu digitalen Informationsmedien stattfinden werden. Dies
wird schon in den Schulen passieren muessen !
Entschuldigen Sie bitte nochmals diese lange Mail, aber manchmal
kribbelt es einem in den Fingern und man gibt der Versuchung nach !
8-)
Noch ein Hinweis: Die von Odlyzko kommentierten Quellen erscheinen mir
fuer eines Diskussion unseres Themas ebenfalls sehr interessant.
Herzliche Gruesse
T.H.
Thomas Hapke, Subject Librarian for Chemical Engineering
University Library, Technical University Hamburg-Harburg
D-21071 Hamburg, Germany
e-mail: hapke _at__ tu-harburg.d400.de, phone: 40 7718-3365,
fax: 40 7718-2248
WWW: http://www.tu-harburg.de/b/hapke/t_hapke.html
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