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[InetBib] CfP LIBREAS. Library Ideas #44: Grassroots Open Access



Werte Damen und Herren,
liebe Vereinsmitglieder,

gerne schicke ich Ihnen / euch den CfP für die Ausgabe #44 der LIBREAS. Library 
Ideas, die sich - anlässlich des 20. Jahrestages der 'Berliner Erklärung' - mit 
dem Open Access ausserhalb der grossen Verlage, Verträge und Verhandlungen 
beschäftigen soll. Wir hoffen auf zahlreiche, auch kritische Einreichungen.

m.f.G. / Grüsse,
für Redakion und Vereinsvorstand,
Karsten Schuldt



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CfP LIBREAS. Library Ideas #44: Grassroots Open Access

Im Oktober 2003, vor etwa zwanzig Jahren, wurde mit der “Berliner Erklärung 
über den offenen Zugang zu wissenschaftlichem Wissen” ein Grundlagentext der 
Open-Access-Bewegung publiziert. Eine Unterzeichnung der Erklärung entsprach 
und entspricht seitdem, auf gewisse Weise, einem performativen Bekenntnis zu 
Open Access.
Open Access hat sich in diesen zwanzig Jahren als Thema vom Rand des 
Progressiven zur allgegenwärtigen Publikationsform und damit  auch zum 
institutionalisierten Arbeitsfeld in Bibliotheken, Wissenschaftseinrichtungen, 
bei Forschungsförderern und Wissenschaftsverlagen sowie der Forschungspolitik 
etabliert. Wir stehen heute an einem Punkt, an dem nationale und föderale 
Open-Access-Strategien erlassen wurden, Policies von Förderern und Hochschulen 
die Publikation von Texten und Forschungsdaten nach den FAIR- und 
CARE-Prinzipien vorschreiben und Read-and-Publish-Verträge auf nationaler Ebene 
zum Normalfall geworden sind. Ressourcen wurden mobilisiert und Infrastrukturen 
gebaut ‒ angefangen von Repositorien über Open-Access-Transformationsverträge 
für, unter anderem, den Zugriff auf große Journalportfolios, bis hin zu 
Personalstellen und Systemen, um die Compliance mit Open-Access-Vorgaben der  
Wissenschaftsorganisationen und Förderer sowie die Einhaltung von 
Vertragsklauseln zu überprüfen. Open Access ist, in gewisser Weise und immer 
mit noch unerschlossenen Potenzialen, zum Normalfall im Wissenschaftsbetrieb 
geworden. Zu einem Normalfall, der allein im DACH-Raum jährlich hunderte 
Millionen Euro und Franken kostet ‒ für Lizenzen, für Personalstunden, für 
Hard- und Software. Er ist ein Industriezweig geworden ‒ einer, der polemisch 
als “Big OA” bezeichnet werden kann.

Zurückblickend auf die Berliner Erklärung und die Atmosphäre, in der diese und 
weitere Erklärungen verfasst wurden, kommen auch schnell Zweifel auf. Ist es 
wirklich das, was Open Access sein sollte? Wenn in der Erklärung geschrieben 
wird: “Die Vision von einer umfassenden und frei zugänglichen Repräsentation 
des Wissens lässt sich nur realisieren, wenn sich das Internet der Zukunft 
durch Nachhaltigkeit, Interaktivität und Transparenz auszeichnet. Inhalte und 
Software müssen offen zugänglich und kompatibel sein.” ‒ Ist diese Vision dann 
in der heutigen Realität von Big OA umgesetzt? Schauen wir zurück, welche 
Projekte in der Wissenschaftskommunikation damals, 2003, als mögliche Vorbilder 
galten ‒ arXiv, von Forschenden selbst betriebene Homepages, erste 
elektronische Zeitschriften, die von Forschenden oder Künstler*innen mehr oder 
minder privat betrieben wurden ‒ ist ein Unterschied schnell ersichtlich. Wir 
müssen, als Beispiel, die programmatischen Sätze aus dem ersten Editorial der 
First Monday ‒ einer der ersten dieser Zeitschriften ‒ zitieren, um an einen 
ganz anderen Geist erinnert zu werden:

“Information, equivalent to millions of printed pages, appears in one form or 
another on the Internet. Much of it is interesting, valuable, fascinating, 
intriguing, educational and humorous. Some of this digital information is 
arrogant, foolish and stupid. What's the solution?
An information oasis, where contributions are read, meditated upon, edited, 
re-written before posting to the Internet and its many users. That's the basic 
idea of ‘First Monday.’ A place where you can find contributions about the 
Internet from experts and colleagues around the world. A place where the ‘First 
Monday’ editors work their way through the Internet to find interesting and 
timely articles for you.” (Valauskas, Dyson, Ghosh, 1996)

Sicher: Der Eindruck, dass ein sich von den Wurzeln weg und hin zu komplexen 
Institutionalisierungen entwickeltes Feld sich von ebendiesen Wurzeln mitunter 
bis zur Selbstverleugnung entfernt, betrifft Open Access nicht exklusiv. Eher 
ist dies die Norm. Ebenso die Dynamik: Schon die Geschichte der Informations- 
und Publikationsmärkte ist von einer Dialektik der Institutionalisierung in 
immer größeren Verlagen und Unternehmen auf der einen Seite und Gegenbewegungen 
(Gründung kleiner Verlage, Verlage mit explizit nicht gewinnorientierten 
Betriebsmodellen, Selbstpublikationen und Fanzines) geprägt. Neben 
beispielsweise Penguin Random House und Bastei Lübbe gibt es immer auch den 
Antje Kunstmann Verlag, Guggolz oder den Verlag Grasswurzelrevolution. Neben 
den gedruckten Büchern mit ISBN gibt es, in guten Buchhandlungen, immer auch 
Fanzines und selbstverlegte Werke. Parallel zu der reputationsorientierten und 
Pfadabhängigkeiten aufbauenden Web-of-Science-Welt, gibt es weltweit vernetzte 
Linked-Open-Data-Initiativen und Social-Media-Plattformen, die praktizierte 
offene Wissenschaft in allen disziplinären und gesellschaftlichen Kontexten 
sichtbar machen.


Was uns in der Ausgabe #44 interessiert, sind diese Gegenbewegungen im Bereich 
des Open Access. Nicht Big OA, sondern das Gegenteil ‒ small OA oder, wie wir 
es nennen wollen, Grassroots OA. Modelle, mit denen vielleicht eher Forschende 
selbst oder Bibliotheken und andere Gedächtnisinstitutionen die offene 
Publikation von Wissen und Daten als Diskussionen in die Hand nehmen wollen. 
Projekte, die nicht auf große Gewinnmargen aus sind, sondern idealistisch auf 
die Verbreitung und Ordnung von Information und Wissen. Anwendungen, die 
vielleicht auch unter der Hand der etablierten Modelle laufen, und deshalb in 
Bibliotheken ‒ deren Arbeitsstrukturen mehr und mehr auf das Funktionieren im 
Rahmen von “Big OA” orientiert sind ‒ praktisch nicht mehr auftauchen.

Wir denken zum Beispiel an Berichte aus der Realität von kleinen 
Diamond-Open-Access-Journalen, von scholar-led Publikationsformen wie 
Blogjournalen und alternativen offenen wissenschaftlichen Veröffentlichungen, 
die sich eben nicht mehr als Zeitschriften oder Bücher bezeichnen. Wir denken 
an Berichte von Forschenden, die an den Strukturen der etablierten 
Wissenschaftskommunikation vorbei offen Wissen verbreiten ‒ in Podcasts, in 
Videos oder anderen Darbietungsformen. Wir denken aber auch an Berichte von 
Publikationen, die sich in gewisser Weise “am Rand” des Wissenschaftsbetriebes 
befinden, beispielsweise in praxisorientierten Feldern (wie der 
Bibliothekswissenschaft) und deshalb im Rahmen von Big OA weitgehend übergangen 
werden.

Selbstverständlich interessieren uns aber auch kritische Beiträge zur Politik 
und Struktur des Open-Access-Feldes. Wie kam es dazu, dass wir heute von Big OA 
reden können und müssen? Was ist mit all den Ansätzen zur Veränderung des 
Feldes der wissenschaftlichen Kommunikation passiert, die sich in den 
vergangenen 20 Jahren (nicht) etabliert haben?

LIBREAS. Library Ideas lädt für ihre Ausgabe #44 zur Einreichung von Beiträgen 
ein, die Entwicklungen am Rand, unterhalb oder auch gegen die jetzt etablierten 
Strukturen beleuchten. Sie sollen Möglichkeiten aufzeigen, Open Access auch 
anders, besser, vielleicht auch politisch und moralisch vertretbarer zu 
organisieren.

Die Form der Beiträge ist dabei offen. Gerne diskutiert die Redaktion im 
Vorfeld von Einreichungen auch Ideen. Deadline ist der 30.09.2023. Weitere 
Angaben zu Einreichungen (unter anderem Formalia und Stil, Umgang mit 
begleitenden Materialien, zur redaktionellen Bearbeitung) finden sich in den 
“Autor*innenhinweisen” von LIBREAS. Library Ideas.


Voller Interesse, Ihre / eure
Redaktion LIBREAS. Library Ideas
(Berlin, Göttingen, Hannover, Lausanne, München, Potsdam, Zürich)


*Literatur
- Berliner Erklärung über den offenen Zugang zu wissenschaftlichem Wissen 
(2003). 
https://openaccess.mpg.de/68053/Berliner_Erklaerung_dt_Version_07-2006.pdf
- Valauskas, Edward J. ; Dyson, Esther ; Ghosh, Rishab Aiyer (1996). Editors' 
Introduction. In: First Monday 1 (1996) 1, 
https://firstmonday.org/ojs/index.php/fm/article/view/464/385


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