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Re: [InetBib] WG: AW: Die Kosten der Open Access-Transformation modellieren und vergleichen - MPDL Services GmbH stellt DEAL Kostenmodellierungstool bereit



Sehr geehrter Herr Dr. Schwesinger,

vielen Dank, dass Sie sich die Zeit für ein detailliertes Feedback zum DEAL 
Kostenmodellierungstool genommen haben. Da ich die Datengrundlage und 
Berechnungsmechanismen des Tools mit entwickelt habe, möchte ich gerne direkt 
auf Ihre methodischen Bedenken eingehen.

Sie beanstanden, dass das Tool für hybride OA-Publikationen ein exponentielles 
Wachstum projiziert, da die durchschnittliche Wachstumsrate in den Jahren vor 
den DEAL-Verträgen zugrunde gelegt wurde. Tatsächlich war die Entscheidung für 
diese Methodik das Ergebnis intensiver Diskussionen im Vorfeld der 
Veröffentlichung des Tools, und ich möchte Ihnen die Gründe hierfür gerne 
erläutern. Dabei wird sich zeigen, dass es für die Berechnungszeiträume des 
DEAL Kostenmodellierungstools de facto keinen Unterschied macht, ob mit 
exponentiellem oder linearem Wachstum kalkuliert wird.

Der Hauptgrund für die Entscheidung zur Annahme eines exponentiellen Wachstums 
bei hybriden ("double dipping"-) OA-Publikationen liegt in der Beobachtung der 
Entwicklung in den Vorjahren.  Hätten wir uns für ein lineares oder sogar 
logarithmisches Wachstum entschieden, so würde das den Trends widersprechen, 
die seit längerem global beobachten werden können.

Sieht man sich die öffentlich zugänglichen Unterlagen wie Jahresberichte, 
Gewinnaufrufe, Aktionärspräsentationen usw. an, so lässt sich feststellen, dass 
beispielsweise Wiley in den letzten Jahren kontinuierlich "starke zweistellige 
Wachstumsraten" für Open-Access-Inhalte (und Einnahmen) berichtet hat, siehe z. 
B.

·         
https://s27.q4cdn.com/812717746/files/doc_financials/2019/q4/Q419-Earnings-Presentation.pdf

·         
https://s27.q4cdn.com/812717746/files/doc_presentation/2020/Q420-Earnings-Presentation-FINAL-(1).pdf

·         
https://s27.q4cdn.com/812717746/files/doc_financials/2021/q4/Q421-Earnings-Presentation-Final.pdf
Ein "starkes zweistelliges Wachstum" in mehreren aufeinanderfolgenden Jahren 
kann demnach durchaus über einem linearen Wachstum liegen. Letztlich ließe sich 
aber auch entgegnen, dass selbst dann, wenn dadurch die Wachstumsraten für 
Hybrid für die kommenden Jahre überschätzt würden, auch jede andere Annahme, in 
der das Wachstum geringer ausfiele, als ebenso "rein hypothetisch" angesehen 
werden müsste. Es liegt in der Natur der Sache, dass jeder Versuch einer 
Vorhersage für die Zukunft von bestimmten Annahmen ausgeht, die möglicherweise 
nicht von allen so geteilt werden.

Wir möchten Ihnen jedoch insofern zustimmen, dass man sicher davon ausgehen 
(und dies wurde sowohl intern, mit mehreren Verlagen, als auch innerhalb der 
ESAC-Datengruppe diskutiert), dass der Hybrid-Anteil auf einem bestimmten 
Niveau stagniert, dass also eine Sättigung eintritt, und es gab auch 
Überlegungen, hierfür ein Maximum im Tool zu definieren, doch dann stellt sich 
wiederum die Frage, welcher Wert hierfür auf welcher Grundlage angenommen 
werden müsste. Da sich hierfür keine valide datengestützte Methodik festmachen 
ließ, haben wir letzten Endes darauf verzichtet.

Wie bereits im Webinar diskutiert, kann das Szenario "x% OA bis 2025" aber in 
der Tat so verwendet werden, dass der Endpunkt der hypothetischen OA-Anteile im 
Jahr 2025 ein Niveau widerspiegelt, das dem/ der jeweiligen Anwender*in am 
realistischsten erscheint - das ist sicherlich nicht das perfekteste 
Instrument, aber damit wird Ihren Bedenken zumindest in Teilen Rechnung 
getragen.

Tatsächlich liegen die Hybrid-Anteile für beide Verlage im Jahr 2025 auch bei 
exponentiellem Wachstum bei etwa 25% - was unserer Ansicht nach ein durchaus 
vorstellbarer Wert für die hybriden OA-Anteile in einer Zukunft ohne 
DEAL-Vertrag ist.

Entscheidend ist jedoch darüber hinaus, dass die Effekte des zugrunde gelegten 
exponentiellen Wachstums im Vergleich zu einem logarithmischen Wachstum in 
unserem Kontext tatsächlich weniger drastisch sind, als man vielleicht auf 
Anhieb vermuten würde, zumindest für die in dem Tool gezeigten Projektionen bis 
2025. Wie Sie selbst feststellen, gibt es für die erste Verlaufsphase keine 
große Abweichung der Kurven.


[cid:image001.png@01D78F60.34106100]

Würden die Wachstumsraten in der Tool-Berechnung entsprechend Ihrem Vorschlag 
geändert, so sähen die Projektionen für Deutschland im Vergleich folgendermaßen 
aus:

[cid:image002.png@01D78F61.70AF5F20]

[cid:image003.png@01D78F61.70AF5F20]

Wir möchten damit Ihrer Aussage, dass die Entwicklung bei den Hybridartikeln 
"eine der entscheidenden, wenn nicht die entscheidende Variable im Modell" sei, 
widersprechen.

Maßgeblicher Faktor für die Kostenentwicklung ist vielmehr die Tatsache, dass, 
während unter dem "Status quo" alle Kosten für hybride 
Open-Access-Publikationen als zusätzliche Kosten zu den Subskriptionsausgaben 
anfielen (unabhängig davon, ob sie unter der Kontrolle der Bibliothek standen 
oder nicht), diese unter DEAL in einer einzigen Gebühr erfasst werden. Wenn 
also die Hybrid-OA-Anteile unter dem hypothetischen "Status quo"-Szenario höher 
als 0% sind, wird DEAL immer das bessere Ergebnis sein, da hier eben keine 
zusätzlichen Gebühren "in the wild" gezahlt werden. Dies gilt grundsätzlich für 
die Kostenentwicklung insgesamt, aber auch für die meisten Bundesländer und für 
die überwiegende Zahl der Einrichtungen im DEAL-Konsortium.

Dabei ist es keineswegs das Anliegen des Tools zu "beweisen", dass DEAL der 
bessere Weg ist. Ziel ist es, den Einrichtungen eine einheitliche Datenbasis 
und einen Modellierungsrahmen zur Verfügung zu stellen, um ihre mittelfristigen 
Ausgabenentwicklungen zu kalkulieren und Finanzierungslücken, die sich aus der 
Neuverteilung der Ausgaben nach dem Publikationskostenmodell ergeben können, zu 
identifizieren. Ihr Feedback ist aus diesem Grund sehr wertvoll und ich hoffe, 
dass meine Ausführungen verständlich waren und zu einem gemeinsamen Verständnis 
beigetragen haben.

Um auch Ihre weiteren Punkte noch zu adressieren:

·         Es wurden durchweg Nettokosten zugrunde gelegt.

·         Gold OA APCs: Leider liegen keine belastbaren Daten zu 
durchschnittlichen Rabatten aufgrund von Mitgliedschaften und anderen 
Vereinbarungen, die Einrichtungen individuell treffen, vor, ansonsten hätten 
wir diese verwendet, was selbstverständlich aber nicht bedeutet, dass es sie 
nicht gibt. Erwähnt wird dies auch in der Methodik des Tools.

·         PAR Fee: Diese wird tatsächlich bis 2025 als konstant angenommen.

·         Contentzuwachs: dieser Wert kann auf jeden beliebigen Wert geändert 
werden, den die Benutzer*innen für angemessen halten.

·         Datengrundlage: wir erwähnen dies auch in der Methodik: "Gesamtzahl 
der Artikel und Reviews von korrespondierenden Autor*innen aus Deutschland, die 
zwischen 2015 und 2019 in Zeitschriften veröffentlicht wurden, die unter die 
DEAL-Vereinbarung fallen."

·         Szenarien: Die Szenarien basieren auf einer validen Datengrundlage 
und ihre Parameter lassen sich, wie schon erwähnt und wie im Tool beschrieben, 
durchaus verändern und an die eignen Gegebenheiten anpassen. Wie bereits 
dargestellt ist es nicht das Ziel des Tools, irgendetwas in irgendeinem Licht 
darzustellen. Ich möchte hier abschließend aus den Diskussionspapier zitieren: 
"Das DEAL Kostenmodellierungstool ist aber wesensbedingt nur ein Instrument und 
Hilfsmittel. Es ersetzt nicht die Debatten in Bezug auf zukünftige Organisation 
und Finanzierung, die an den einzelnen Einrichtungen und im Dialog mit den 
Unterhaltsträgern noch geführt werden müssen."
Bei weiteren Rückfragen stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen,
Adam Der

--
Adam Der
Licence Management                                   E-Mail: 
der@xxxxxxxxxxx<mailto:der@xxxxxxxxxxx>
Max Planck Digital Library (MPDL)           Tel: +49-89-909311-278
Amalienstr. 33, D-80799 München          
http://www.mpdl.mpg.de<http://www.mpdl.mpg.de/>







-----Ursprüngliche Nachricht-----
Von: InetBib <inetbib-bounces@xxxxxxxxxx<mailto:inetbib-bounces@xxxxxxxxxx>> Im 
Auftrag von Schwesinger, Dr. Georg via InetBib
Gesendet: Dienstag, 10. August 2021 13:50
An: inetbib@xxxxxxxxxx<mailto:inetbib@xxxxxxxxxx>
Betreff: [InetBib] WG: AW: Die Kosten der Open Access-Transformation 
modellieren und vergleichen - MPDL Services GmbH stellt DEAL 
Kostenmodellierungstool bereit





Sehr geehrte Frau Geschuhn,



vielen Dank für die Links  zum Kostenmodellierungstool der MPDL. Nachdem ich 
mir das Tool gründlich angesehen habe, halte ich einen wesentlichen Punkt im 
Modell für sehr kritisch und befürchte, dass dadurch unrealistische Ergebnisse 
für die 5 Szenarien produziert werden, die in allen Fällen Prognosen zugunsten 
der DEAL Kostenschätzung erzeugen.



Herr Dér, der wohl auch an der Konstruktion des Modells mitgewirkt hat, hat im 
How-To-Webinar am 29.7. bestätigt, dass das Modell ein exponentielles Wachstum 
für die Zahl der Hybrid OA Artikel annimmt. Dies kommt dadurch zustande, dass 
die durchschnittliche Wachstumsrate der Jahre vor DEAL (in der Frühphase der 
Transformation), für die ja Daten vorliegen, 1:1 in die Zukunft projiziert 
wird. Angenommen werden Raten von ca. 20 % Zuwachs pro Jahr (bei Springer 18,3 
bei Wiley 21,5). Diese Annahme ist rein hypothetisch, es wären diverse andere 
Formen von Wachstum, z.B. lineares Wachstum denkbar, leider wird die Annahme 
eines exponentiellen Verlaufs nirgends näher begründet.

Tatsächlich wird in der Innovationsforschung logistisches Wachstum und kein 
exponentielles Wachstum erwartet, wenn es um die Ausbreitung von Neuerungen in 
einem Markt geht. Dies ist auch empirisch gut belegt (die englischsprachige 
Wikipedia liefert hier einen guten Einstieg und zugehörige Verweise zur 
umfangreichen Literatur: Standardmodell für Diffusion von Innovationen nach 
Rogers<https://en.wikipedia.org/wiki/Diffusion_of_innovations#Criticism>: 
https://en.wikipedia.org/wiki/Diffusion_of_innovations<https://en.wikipedia.org/wiki/Diffusion_of_innovations#Criticism<https://en.wikipedia.org/wiki/Diffusion_of_innovations%3chttps:/en.wikipedia.org/wiki/Diffusion_of_innovations#Criticism>>).



In einer graphischen Darstellung sieht das so aus [Abbildung 1]:



[cid:7ea66a5f-cfb5-47d9-95fc-8ab55586d049]





In der Frühphase der Transformation sind beide Kurven identisch, dann sinkt 
aber die Zahl der Autoren, die Hybrid - OA wählen im Standardmodell deutlich 
ab, während sie sich beim exponentiellen Verlauf im Kostenmodellierungstool 
noch beschleunigt. Ich nehme an, dass die Kostenschätzung vor allem deswegen so 
positiv für DEAL ausfällt, weil das Wachstum der Hybrid OA Artikel stark 
überschätzt wird. Ein fortgesetztes exponentielles Wachstum würde bedeuten, 
dass innerhalb weniger Jahre alle Autoren - unabhängig von DEAL (!)- in allen 
Springer und Wiley Zeitschriften beinahe ausschließlich OA Publizieren würden. 
Diese Annahme ist nicht realistisch. Da Hybrid-Kosten dezentral bezahlt 
werden/wurden und Bibliotheken tendenziell von diesem Modell abgeraten haben 
("Double Dipping"), ist irgendwann das Eintreten einer Sättigung zu erwarten 
und vermutlich vorher schon ein Absinken der Zuwachsraten. Viel realistischer 
ist es daher, ein logistisches Wachstum anzunehmen, das obiger S - Kurve 
("Logistic") folgt.

Herr Dér hatte im Webinar darauf hingewiesen, dass der exponentielle Zuwachs 
der OA Artikel im Modell begrenzt werden kann, indem man die Zielmarke für OA 
Publikationen deutschlandweit insgesamt im Szenario "BMBF Ziel" anpasst. Leider 
ändert das nichts am exponentiellen Verlauf der Kurve:

[Abbildung 2]



[cid:6e8269dc-8567-43d7-bcec-53e5120032bc]





Auch hier liegt die exponentielle Kurve immer höher als die logistische und 
macht damit das DEAL Szenario immer kostengünstiger, als es realistischer Weise 
zu erwarten wäre.

Es wäre daher dringend erforderlich, dass eine Version zum Download 
bereitstünde, die nicht schreibgeschützt ist und in der man die exakten Formeln 
nachvollziehen kann, um das zu klären. In dieser Form ist das Modell meiner 
Ansicht nach nicht geeignet, für die eigene Einrichtung realistische 
Kostenschätzungen vorzunehmen. Die Zahl der künftigen Hybridartikel ist eine 
der entscheidenden, wenn nicht die entscheidende Variable im Modell, die 
festlegt wie sich DEAL finanziell auswirkt.  Auch weitere Punkte würden klarer, 
wenn der datenerzeugende Mechanismus im Modell offengelegt würde:



  *   Nettokosten: Unterschiedliche Steuersätze bei Subskription und 
Publikationsgebühren unklar

  *   Gold OA: Bei Gold OA wird so anscheinend so modelliert, als hätten alle 
Einrichtungen Listenpreise bezahlt und würden nun via DEAL Rabatte erhalten. De 
facto hatten viele Einrichtungen solche Rabatte schon vorher im Rahmen 
institutioneller Mitgliedschaften.

  *   PAR Fee: Wird bis 2025 als konstant angenommen, de facto müsste dies noch 
mit den Verlagen verhandelt werden.

  *   Contentzuwachs: Es wird angenommen, dass durch den Zugriff aufs volle 
Portfolio über alle Einrichtungen ein Contentzuwachs von 40% generiert wird. 
Begründet wird dies durch 40% höhere Zugriffszahlen aus D auf die 
Zeitschriften. Warum hier - anders als bei den Publikationszahlen - keine 
Corona-Sonderkonjunktur zumindest als Teilerklärung in Betracht gezogen wird, 
bleibt unklar.

  *   Datengrundlage: Nur Hinweis WoS, genaue Erhebung unklar.

  *   Szenarien: Es gibt direkt auswählbar nur "DEAL-freundliche" Szenarien. 
Annahmen, bei denen DEAL schlechter wegkommt, sind nur indirekt (Zuwachs der 
Artikelzahlen, durch Lenkung von Publikationen von anderen Verlagen zu DEAL; 
Sättigung bei hybrid OA,...) oder gar nicht (Höhe PAR Fees, eigene OA Rabatte 
ohne DEAL,...) einstellbar.



Mich würde auch interessieren wie die Kolleginnen und Kollegen hier über das 
Kostenmodellierungstool denken, liege ich hier falsch?





Mit besten Grüßen,



Georg Schwesinger



Dr. Georg Schwesinger



Fachreferent für Medizin, Biologie und Wirtschaftswissenschaften



Universitätsbibliothek Heidelberg





Listeninformationen unter http://www.inetbib.de.