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[InetBib] Zeitgemäßer Name für den "Bibliothekar"tag



Guten Morgen zusammen, 

dass Sie sich so viele beteiligen zeigt meines Erachtens deutlich, dass 
Redebedarf besteht. Daher freut es mich, dass dieser damit angeschnitten wurde. 

Ich möchte mich bei allen Kolleg:innen bedanken, die sich bis jetzt und auch 
zukünftig zivil und offen an der Diskussion beteiligt haben und werden.
Trotzdem weise ich an dieser Stelle ebenfalls darauf hin, dass am Kern der 
Petition vorbei diskutiert wird. 

Wenn Sie mit dem Status Quo zufrieden sind, dann prangert das niemand an. Im 
Gegenteil, dann können Sie sich einfach zurücklehnen.

Aber über 1000 Menschen haben mit der Unterzeichnung gezeigt, dass sie sich von 
der aktuellen Bezeichnung unseres Fachkongresses nicht abgebildet sehen oder 
Ihnen der Gedanke einer gemeinschaftlichen Abbildung fehlt. 
Eine Entscheidung für den Begriff „Bibliothekartag“ wäre also, zumindest meines 
Erachtens, eine Entscheidung, diesen Teil unserer Berufswelt auszugrenzen.

Das ist, wie ich finde, eine Aussage, und in meinem Falle keine, in der ich 
mich wiederfinden möchte. 
Denn dass wir als uns ständig entwickelnde und zeitgemäße 
Informationseinrichtungen nicht fähig sind, einen Kompromiss bezüglich der 
Bezeichnung zu finden, der auch das Kompetenzwachstum und Diversitätswachstum 
unseres Berufs abdeckt, möchte ich als vom Prinzip Bibliothek überzeugter 
Mensch nicht glauben. 

Mir tut es nicht weh, unsere Fachwelt inklusiver zu gestalten, und für manche 
macht es einen gewaltigen Unterschied, den sich unsereins nicht vorstellen kann.
Solange uns das nicht gelingt, können wir meines Erachtens auch nicht guten 
Gewissens auf einer Fachkonferenz über Themen wie Diversität in Bestand & 
Personalgewinnung, Relevanz von Quereinstieg, Erweiterung des Berufsfeldes und 
Offenheit sprechen. 

Lassen Sie uns gern diskutieren – aber dabei möchte ich nachdrücklich alle 
Kolleg:innen bitten, das mit dem gebührenden Respekt und Offenheit zu tun. 

Freundliche Grüße, bleiben Sie gesund und eine angenehme Woche Ihnen allen, 
Yvonne Fischer 

PS: Sollten Sie tatsächlich an der Wirkung von Sprache und ihrer Veränderung 
interessiert sein empfehle ich Ihnen einen Blick in den 
sozialwissenschaftlichen Bestand Ihrer Einrichtung. Viele der Werke greifen Pro 
und Contra Argumente auf, wobei ich aus eigener (Lese)Erfahrung zumindest sagen 
kann, dass die Pro Argumente deutlich häufiger mit Belegen & Studien 
untermauert sind und häufig gegen Contra „Meinungsäußerungen“ stehen.

-----Ursprüngliche Nachricht-----
Von: InetBib <inetbib-bounces@xxxxxxxxxx> 
Gesendet: Dienstag, 29. Juni 2021 10:09
An: inetbib@xxxxxxxxxx
Betreff: Re: [InetBib] Gendern (War: Re: Antw: Re: Zeitgemäßer Name für den 
"Bibliothekar"tag)

Liebe Liste

es sind mir doch zu viele Hüte im Spiel, wobei: eigentlich mag ich ja de Bono 
als Methode ganz gerne, um einen Sachverhalt multiperspektivisch zu 
betrachten...

Lieber Michael - danke für deine klaren Worte, mir haben bei Herrn Knochs Ton 
auch schon die Finger gezuckt. Ich bewerte gerade studentische Arbeiten zu 
'Medien an den Rändern' - da sind die wirklichen Aluhüte zu finden (nicht bei 
den Studierenden, sondern bei den besprochenen Texten). Zurück zum Thema: Ich 
fände es sehr hilfreich, wenn wir alle etwas toleranter miteinander umgehen 
könnten, etwas 'würdiger' die jeweils andere Seite (und die vielen Graubereiche
dazwischen) verstehend.

Für mich ist Sprache etwas sehr lebendiges, und als jmd., der sich viele Jahre 
in der Lesben- und Schwulenbewegung engagiert hat, weiss ich auch um die 
Sensibilität und die Verletztheit, die sie braucht bzw. erzeugen kann. Und ich 
weiss auch um die Gradwanderung der CancelCulture und der Sprachpolizei, ihren 
(nötigen!) Grenzen aber auch dem ihr innewohnenden positiven, appelativen und 
sanktionierenden Charaktar... Dies weiss ich aus eigener Erfahrung als Sender 
(ich lege wahrlich nicht immer meine Worte auf Goldwagen) wie auch als 
Empfänger (Freunde dürfen mich 'du blöde Tucke' nennen, weil ich es entweder 
bin oder weil es liebevoll gemeint ist oder weil ich {als ich jünger war, 
damals} das Spielen mit der Männerrolle noch sehr genossen habe, heute gestatte 
ich mir das nicht mehr - nennt man wohl erwachsen und verspiesst...)

Und die Diskussion geht m.E. nicht wirklich um den Genderstern, sondern um die 
Haltung dahinter... Als Bibliotheken sind wir öffentliche und offene Räume, 
unser Job ist es, in diesen unseren Besucher*innen und Kund*innen gegenüber 
einen SafeSpace zu garantieren, der sowohl diskriminierungsfrei zu sein hat, in 
dem aber auch kritische und polarisierende Diskussionen geführt werden sollen, 
dürfen und müssen. 
Auch hier wieder: viel Gradwanderung.

Wenn wir das als Raum BIbliothek nach aussen sein wollen, sollen und
(gefälligst!) müssen - dann sollten wir das auch als Haltung im Miteinander 
einüben. Mit all den Fehlern auf dem Weg dahin. Fehler kann man aber in der 
Diskussion erkennen, und sollte sie dann beheben: Die Bezeichnung unsereres 
Fachkongresses ist sicher (damals) kein Fehler gewesen, aber wird heute als 
diskrimierender oder zumindest nicht inkludierender Name verstanden.

'Nur was sich verändert, bleibt' - ist doch ein schönes Motto, sowohl für die 
Sprache wie auch für das Miteinander hier in der LIS-Community, und - auch wenn 
ich hier eine sehr, sehr starke Beharrungsmentalität in der letzten Dekade 
erlebt habe - viellicht auch (irgendwann) beim bib*tag.

Tom (Becker)

Am 29.06.21 um 09:01 schrieb Michael Schaarwächter via InetBib:
Hallo Herr Knoch,

Ihre Formulierungen sind polemisch und entbehren jeglicher Argumente, 
die Wortwahl teilweise weit unterhalb einer Schmerzgrenze 
("ideologische Vereinahmung", "Volkserziehung", "nach jahrzehntelanger 
Abstinenz").

Ich würde mich freuen, wenn wir zur Sachlichkeit zurückfinden würden.

Mit freundlichen Grüßen
Michael Schaarwächter


Am 29.06.2021 um 08:38 schrieb Stefan Knoch via InetBib:
Liebe Frau Gastinger,

die Stimme der Vernunft, für die Sie dankenswerterweise eine Lanze 
brechen, findet leider immer weniger Gehör. Dabei sollte eigentlich 
gerade unsere Berufsgruppe allergisch auf jegliche ideologische 
Vereinnahmung der Sprache reagieren, doch im Gegenteil: VDB, dbv und 
etliche andere bibliothekarische Institutionen und Einzelpersonen 
propagieren schon seit längerem Genderstern & Co. mit einem solch 
missionarischen Eifer, daß man meinen könnte, sie seien nach 
jahrzehntelanger Abstinenz froh, sich endlich wieder einmal der 
Volkserziehung widmen zu können. Daß dies ungefähr soviel mit 
Gleichberechtigung zu tun hat wie das Tragen von Aluhüten mit dem 
gesunden Menschenverstand, macht die Sache dann leider auch nicht 
besser.

Viele Grüße

Stefan Knoch


Dr. Stefan Knoch
Stellvertreter der Bibliotheksdirektorin Staatsbibliothek Bamberg 
Neue Residenz, Domplatz 8, 96049 Bamberg
Telefon: 0951 / 95503-114



Almuth Gastinger via InetBib <inetbib@xxxxxxxxxx> 28.06.2021 16:06

Liebe Kolleginnen und Kollegen

Als Deutsche, die seit 24 Jahren im Ausland lebt und deren täglicher 
Sprachgebrauch (norwegisch und englisch) keine Unterscheidung 
zwischen männlicher und weiblicher Form macht, ist diese Diskussion 
nicht einfach so nachzuvollziehen. Ich verstehe natürlich, dass man 
in Deutschland eben oft nicht an Frauen UND Männer denkt (und was ist 
mit den anderen Geschlechtern?), wenn man die eine Form benutzt, 
während für mich immer beide oder alle Geschlechter gemeint sind.
Allerdings ist das, was jetzt passiert, für mich übertrieben. Ich 
muss zugeben, dass ich das Gender-Sternchen oder was auch immer 
furchtbar finde. Am schlimmsten aber finde ich die mündliche Form mit 
der kurzen Pause. Für mich ist das dann verhunzte deutsche Sprache.
Tut mir wirklich leid, wenn ich jetzt einige vor den Kopf stoße, aber 
ich wollte diese Perspektive von außen beisteuern. Und ich frage mich 
eben immer wieder, ob denn die Benutzung dieser Formen wirklich ein 
Umdenken in der Bevölkerung bewirkt?

Aber was ich vor allem sagen wollte: bitte nicht 
Bibliothekarinnentag! Warum denn nicht ganz einfach Bibliothekstag?
Es geht doch um Bibliotheken (und Informationseinrichtungen), in 
denen sowohl Bibliothekarinnen, Bibliothekare, und viele andere 
Berufe arbeiten. Im Englischen sagt man doch auch Library Congress 
oder Library Conference.

Viele Grüße aus Trondheim,
Almuth Gastinger


--
Dr. Tom Becker
===
Professor für Medienmanagement und Medienvermittlung in Bibliotheken (FH) 
Studiengangsleiter B.A. 'Bibliothek und digitale Kommunikation'
Bundesvorstandsmitglied im Berufsverband Information Bibliothek (BIB e.V. | 
bib-info.de)

TH Köln
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