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[InetBib] Do Not Track
- Date: Sun, 17 Jan 2021 12:12:46 -0000 (UTC)
- From: Marcus Latour via InetBib <inetbib@xxxxxxxxxx>
- Subject: [InetBib] Do Not Track
Aus https://netbib.hypotheses.org/78636676 "Von inetbib bis in die FAZ: Das
Thema Überwachung der Wissenschaftler*innen":
Letzten Oktober fand auf inetbib [...] eine Debatte über das Tracking von
Wissenschaftler*innen durch Verlage statt. Jetzt wurde das Thema in der FAZ
in einem Artikel mit dem Titel „Auf einmal Laborratte“ aufgegriffen und
ausgeführt.
https://zeitung.faz.net/faz/geisteswissenschaften/2020-12-02/auf-einmal-laborratte/539535.html?GEPC=s3
Abgesehen der Nachverfolgung über Web-Tracker auf den Verlagswebseiten - werden
die Forschenden eventuell auch verlagsübergreifend über ihre Zugriffe via DOI
verfolgt? Stehen die Zugriffe auf doi.org Forschenden für Analysen zur
Verfügung? ("Users accessing this article, often also accessed the following
ones ...")
Sind Tracker neben mangelnder Barrierefreiheit/Auffindbarkeit und umständlichen
Zugangs ein weiteres Argument für die Nutzung von Sci-Hub, selbst für die
Bezahlkunden?
Do Not Track Me, Pretty Please.
On Thu, 22 Oct 2020 07:55:09 +0000, Siems, Renke via InetBib wrote:
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
seitens der MPDL wird aktuell der Abschluss der Rahmenvereinbarung für einen
Open Access-Transformationsvertrag mit Nature verkündet, was auf Twitter dann
viele Anmerkungen vor allem zum Thema Kosten nach sich zog. Ich möchte gerne
auf einen anderen Aspekt hinweisen, nämlich, welchen Dingen man schon jetzt
begegnet, wenn man sich auf der Nature-Webseite bewegt. Als ich mir Ende
August, also einige Zeit nach dem Schrems II-Urteil des EuGH, das letzte Mal
die Seite näher ansah, waren dort folgende Tracker und verwandte
Webtechnologien verankert:
Celtra
Usabilla
Google Tag Manager
Zemanta
Facebook Connect
ScoreCard Research Beacon
Google Analytics
AppNexus
Twitter Advertising
Permutive
Twitter Conversion Tracking
Facebook Custom Audience
Google Publisher Tags
Google Safeframe
Moat
Google Adsense
Google Ads Measurement
Amazon Associates
Rubikon
Amazon Mobile Ads
Rhythmone Beacon
Tradedesk
Adobe Audience Manager
Mediamath
Liveramp
Unruly Media
Yahoo Ad Manager Plus
DataXu
SiteScout
Simpli.fi
Turn Inc.
Rocket Fuel
Index Exchange
Yahoo Ad Exchange
Quantcast
Adition
MBR Targeting
Adform
Impresssion Desk
BidTheatre
Dotomi
Delta Projects
BlueKai
Beeswax
BidSwitch
OpenX
Teads
Bidtellect
Videology
MySpace
gumgum
AdGear
ScaleOut
Doubleverify
SpotXChange
PulsePoint
Tribal Fusion
Flashtalking
DoubleClick Spotlight
Advertising.com
Crimtan
Acuity Ads
Smart AdServer
The Reach Group
DoubleClick Floodlight
Affiliate Window
Atlas
Sie haben hier folglich das gleiche Potpourri an Third Parties wie bei
Webseiten im frei zugänglichen Internet, die ihre Angebote über Werbetracking
monetarisieren: einzelne Tracker, Audience Tools, die Informationen aus
unterschiedlichsten Quellen gebündelt auswerten (und dafür mit vielen
Partnern Daten austauschen), Real Time Bidding Data (also die
Echtzeitversteigerung von Nutzerdaten) und Browser Fingerprinting, um
Seitenbesucher zu identifizieren, die das durch ihre Browser-Einstellungen
eigentlich unterbinden wollen.
Die eingesetzten Technologien sind in der Lage, jeden Seitenbesucher zu
identifizieren und sein Informationsverhalten auszuwerten. Manche dieser
Anbieter gehen dabei so weit, dass sie sich wie BlueKai (gehört zu Oracle)
gegenwärtig Sammelklagen in den Niederlanden und Großbritannien
gegenübersehen. Die Praxis personalisierter Werbung, die auf
Echtzeitauktionen basiert, wird von der britischen Datenschutzbehörde
mittlerweile als unvereinbar mit der DSGVO betrachtet. Anbieter wie
Acxiom/liveramp sind wiederum seit Jahrzehnten im Geschäft und können daher
für personalisierte Profilbildung auf Daten bis in analoge Zeiten
zurückgreifen.
Für die Transformation des wissenschaftlichen Publikationswesens hin zu Open
Access ist es wichtig, diese Entwicklung im Blick zu behalten. Der Einsatz
dieser Technologien und deren Ergebnis wird durch eine Richtungsänderung der
Zahlungsströme an sich erstmal nicht tangiert. Wir sehen seit Jahren eine
Mutation der großen Verlage weg von einem Inhaltsanbieter zu einem data
analytics business (das lässt sich in der „landscape analysis“ von SPARC
komprimiert nachlesen) und manche werden sicher auch noch die Aussage des
Marktführers im Ohr haben, zum „Betriebssystem der Wissenschaft“ werden zu
wollen. Je nach eigener Meinung kann man das unterschiedlich wahrnehmen, auf
den Einsatz von ThreatMetrix auf der Plattform ScienceDirect wurde hier auf
der Liste ja auch gerade hingewiesen. Die Verlage bringen in diesem Kontext
momentan gerne das Argument von der IT-Sicherheit und dem Schutz der
Bibliotheksnutzer vor, gerade mit Verweis auf die böse Plattform aus dem
Osten. Wenn m
an sich aber das Spiel erlaubt, den gleichen Artikel auf der Nature-Webseite
und auf der Webseite der Frau-dessen-Name-nicht-genannt-werden-darf aufzurufen,
so findet man bei Nature eben die Liste oben und auf der anderen Plattform
Yandex Metrics, einem Pendant zu Google Analytics. Das Spiel geht also mit dem
Endergebnis 73:1 aus, und da kann sich jede*r selbst seinen Reim auf das Thema
Nutzerdatenschutz machen.
Es wäre daher gut, wenn die Kolleg*innen der MPDL bei den in Aussicht
gestellten Detailinformationen auch genau darüber unterrichten, was die
getroffenen Vereinbarungen im Bereich User Tracking und Datenschutz generell
sind. Schließlich sind das ja alles keine neuen Erkenntnisse, sondern war
auch schon zur Zeit der Verhandlungen des Springer-DEAL-Vertrags bekannt. Es
wird gerade die Wissenschaftler*innen, die in patent-relevanten
Forschungsbereichen aktiv sind oder generell in Bereichen, wo es eine starke
Konkurrenz zwischen öffentlicher und kommerzieller Forschung gibt wie KI,
personalisierte Medizin oder Materialwissenschaften, sicher interessieren,
wer in welcher Form ihr Informationsverhalten beobachtet und wo die Daten
dann überall hingehen. Ebenso möchten die Einrichtungen, die dem
Nature-Vertrag beitreten wollen, vielleicht sicher sein, dass sie damit nicht
einem neuen double dipping Vorschub leisten, worin Autoren mit APCs bezahlen
und Leser mit der Preisgabe ihrer pe
rsönlichen Daten. Wir wollen alle Open Access unterstützen, aber vielleicht
nicht gerade solche Dinge.
Wer sich mit der Thematik etwas mehr auseinandersetzen möchte, hier ein paar
Links:
https://www.codyh.com/writing/tracking.html
https://www.youtube.com/watch?v=uAzt-iJEkvU&feature=youtu.be
http://www.inthelibrarywiththeleadpipe.org/2019/ice-surveillance/
https://twitter.com/WolfieChristl/status/1286341387718397952
Viele Grüsse von R. Siems
Listeninformationen unter http://www.inetbib.de.