Im Auftrag von Prof. Dr. Ulrich Johannes Schneider, Direktor der
Universitätsbibliothek Leipzig:
Lieber Herr Graf,
gestatten Sie, dass ich auf Ihre heutige Offensive antworte und
einiges richtigstelle, was Sie vorschnell behaupten. Sie werden sehen,
dass hier kein Grund zu Alarmismus besteht.
Die Privatbibliothek von Karl Sudhoff und dessen Nachlass kam in den
40er Jahren des 20. Jahrhunderts zur Bayerischen Staatsbibliothek
München und wurde dort erschlossen. Es verblieb in Leipzig in der
Obhut der Universitätsbibliothek Leipzig die Bibliothek des
Sudhoff-Instituts, in der sich keine Bücher aus Sudhoffs Privatbesitz
befanden.
Die Institutsbibliothek hat Karl Sudhoff zu Lebzeiten mit aufgebaut.
Nach seinem Tod ist auch seine Handbibliothek aus den Räumen des
Instituts Teil der Bibliothek geworden, wie zahlreiche andere Werke
wissenschaftlicher Art. Es handelte sich in weiten Teilen um eine
Fachbibliothek zur Geschichte der Medizin und Naturwissenschaften,
allerdings mit einem großen hausinternen Dublettenbestand. Wertvolle
Teile der Bibliothek (wie mittelalterliche Handschriften, Inkunabel,
Drucke des 16. und 17 Jahrhunderts, Teile des Nachlasses von Sudhoff
sind im 2. Weltkrieg verloren gegangen, das heißt die
Sudhoff-Bibliothek bestand nach 1945 gar nicht mehr in ihrer
ursprünglichen Form). Die Prüfung und Umsetzung der
Institutsbibliothek erfolgte in mehreren Etappen, mit dem Ziel, den
Grundbestand der historischen Bibliothek zu erhalten. So wurden
bereits in den 1990er Jahren die Titel mit Erscheinungsjahr vor 1850
in die Bibliotheca Albertina (Hauptmagazinbibliothek und Standort der
Sondersammlungen) umgesetzt, unter Beibehaltung der alten
Fachsignaturen des Instituts.
Nun hat die Medizinische Fakultät einen neuen Bibliotheksstandort
erhalten (eingeweiht Januar 2019) und das alte Gebäude des
Sudhoff-Instituts konnte keine Bücher mehr beherbergen. Bei der
Umsetzung der Bestände wurde der Bestand bis 1938 (dem Jahr des Todes
von Karl Sudhoff) komplett bewahrt und auch unter den alten
Fachsignaturen aufgestellt, um den Gesamtzusammenhang der Bibliothek
zu wahren. Alle später erschienenen Titel, wenn nicht dublett, sind in
den normalen Bestand entweder der Bibliotheca Albertina oder in die
Bibliothek Medizin/Naturwissenschaften umgesetzt worden.
Ich denke, Sie können dieses Vorgehen nachvollziehen. Da die
Sudhoff-Institutsbibliothek nicht insgesamt einen herausragenden
historischen Wert besitzt, haben wir den alten Bestand mit den
Signaturen übernommen und Dubletten darüber hinaus aussortiert, wie
das die meisten Bibliotheken tun und aus Platzgründen auch tun müssen.
(Wir haben knapp sechs Millionen Bände insgesamt.)
Schmerzlich ist mir, dass Sie – ohne nachzufragen – in die Welt
posaunen, wir würden seltene Bücher verkaufen lassen. Richtig ist,
dass es sich bei den nun antiquarisch angebotenen Resten um eine
breite Palette von Dubletten zu unseren durchweg wertvollen
Medizinbeständen in der Regel mit Erscheinungsjahr nach 1850 handelt.
Auch Ihre Beispiele sind Dubletten zu unserem Bestand:
* Nr. 348 Arnold, Friedrich. Icones nervorum capitis. Mit 18 von F.
Werner gezeichneten lithogr. Tafeln. Heidelberg, Sumtibus
Auctoris,
1834 (in NRW nur in einem Exemplar nachgewiesen)
Hierbei handelt es sich um eine Dublette innerhalb des Bestandes
der
Institutsbibliothek, ein Exemplar steht unter der alten Signatur
in
der Bibliotheca Albertina:
Bei den Konvoluten handelt es sich überwiegend um Dissertationen und
Sonderdrucke, die ebenfalls Dubletten zu weiteren Exemplaren oder der
jeweiligen Zeitschrift sind.
Ich schließe mit der Bemerkung, dass die Universitätsbibliothek
Leipzig ein hervorragender Standort für die medizinhistorische
Forschung ist und bleibt. Es ist die Hauptsorge der UB Leipzig, den
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern ihre Arbeit zu erleichtern,
was wir sowohl mit der Bestandspflege wie mit vielen anderen
Aktivitäten tun (beispielsweise der Retrodigitalisierung). Aber das
ist ein anderes Thema.
Mit freundlichen Grüßen, Ihr Ulrich Johannes Schneider
Am 05.03.19 um 21:43 schrieb Klaus Graf via InetBib:
Ich bezweifle, dass es in der vergleichsweise kurzen Geschichte der
Medizingeschichte eine bedeutendere Persönlichkeit gibt als den viel
geehrten Karl Sudhoff (1853-1938). Nach ihm ist nicht nur das
Leipziger
medizinhistorische Institut, sondern auch eine der führenden
Fachzeitschriften dieses Gebiets „Sudhoffs Archiv“ benannt.
Die von ihm ab 1906 aufgebaute Fachbibliothek wurde 2018
abgewickelt,
was schon schlimm genug ist. Auf der Website ist zu lesen:
„Seit dem 1. September 2018 besteht die Zweigbibliothek
Karl-Sudhoff-Institut als solche nicht mehr. Im Wesentlichen
befinden
sich die älteren Bestände (Erscheinungsjahre bis 1937) in der
Bibliotheca Albertina und die neueren Titel in der Zentralbibliothek
Medizin (ab Oktober 2018: Bibliothek Medizin/Naturwissenschaften) in
der Liebigstraße. Die jeweiligen Standorte sind im Katalog der
Universitätsbibliothek Leipzig unter ub.uni-leipzig.de
recherchierbar.
Was dort nicht steht: Am 29. März versteigert Jeschke/Van Vliet in
Berlin Teile von Sudhoffs Bibliothek. Zitat:
„Historiae Medicinae et Historia Naturalis
AUS DER BIBLIOTHEK DES KARL SUDHOFF INSTITUTS
Lose 346-434
Karl Sudhoff (1853-1938) war ein deutscher Arzt und der bedeutendste
Medizinhistoriker seiner Zeit. 1906 erhielt er den Ruf auf ein
Ordinariat für Geschichte der Medizin an der Universität Leipzig.
Gleichzeitig wurde das Institut für Geschichte der Medizin und der
Naturwissenschaften, das seit 1938 seinen Namen trägt, als erstes
medizinhistorisches Institut weltweit eröffnet. Karl Sudhoff betrieb
zeitgleich mit der Gründung des Instituts aus Stiftungsmitteln den
Aufbau einer eigenen Institutsbibliothek und wurde durch seine
Studien
über mittelalterliche medizinische Handschriften und die Herausgabe
der
bis heute maßgeblichen Paracelsus-Ausgabe weltweit bekannt. Seit dem
1.
September 2018 besteht die Zweigbibliothek Karl-Sudhoff-Institut als
solche nicht mehr. Die vorliegenden Bände haben die eines
Bibliotheksexemplars typischen Merkmale und stammen aus der
Aussonderung der Bestände. Sie tragen alle den einschlägigen
Institutsstempel und sind meist zusätzlich als entwidmete Exemplare
von
der Bibliothek gekennzeichnet worden. Zahlreiche Bände haben
persönliche Widmungen anderer Wissenschaftler an Karl Sudhoff oder
eigene Notizen und Vermerke“.
Was für ein erbärmlicher Umgang der Universität Leipzig mit dem
Andenken Karl Sudhoffs! Muss man heute noch des langen und breiten
erläutern, wieso die Bestände der Institutsbibliothek aus der Zeit
Sudhoffs unbedingt als wissenschaftsgeschichtliche Quelle erhalten
bleiben müssten?
Angeboten wird auch Literatur aus der Zeit vor Sudhoff, die auf
keinen
Fall hätte ausgesondert werden dürfen, so:
Nr. 348 Arnold, Friedrich. Icones nervorum capitis. Mit 18 von F.
Werner gezeichneten lithogr. Tafeln. Heidelberg, Sumtibus Auctoris,
1834 (in NRW nur in einem Exemplar nachgewiesen)
Ein Widmungsexemplar vom Autor:
Nr. 366 (Albrecht, Franz). Christian Friedrich Samuel Hahnemann. Ein
biographisches Denkmal. Aus den Papieren seiner Familie und den
Briefen
seiner Freunde. Von einem seiner Freunde und Verehrer. Leipzig,
Hinrichs, 1851. IV, 139 S. HLwd. mit Bibl.-RSch. [*] 350.- Mit
handschriftlicher Verfasserwidmung auf dem Vorsatz: „Geschenk vom
Verfasser Herrn Finanzdirektor Albrecht in Köthen, datiert 12. Juni
1867…“.
Bei einem Sonderdruck (Nr. 381) heißt es: Nur einmal im KVK
nachweisbar
(Deutsche Nationalbibliothek Leipzig).
Die Katalognummern sind häufig Konvolute, in denen wesentliche Teile
nicht beschrieben sind (z.B. Nr. 356 „51 weitere Werke“, Nr. 412:
„Sammlung von ca. 200 medizinische [!] Kleinschriften. 19-20. Jh.“).
Eine Rekonstruktion des ausgesonderten Teils der Institutsbibliothek
anhand des Auktionskatalogs ist also nicht möglich.
Klaus Graf
--
Caroline Bergter
Referentin Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Universitätsbibliothek Leipzig
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