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Re: [InetBib] Internationale Bibliotheksausnahmen im Urheberrecht: Neues zum Marrakesh-Treaty u.a.



Die Vergütungspflichtigkeit, auch wenn sie "nur" die Umsetzung in Blindenschrift betrifft, ist der offensichtlich extrem schlechte Teil des Kompromisses. In dem Richtlinienentwurf der EU-Kommission für eine Urheberrechtsreform von 2016 ist Vergütungsfreiheit für Nutzungen durch behinderte Menschen umfassend vorgesehen (vgl. Erwägungsgrund 11). Die EU-Kommission meinte hier, den WIPO Marrakesch-Vertrag entsprechend umsetzen zu müssen (https://www.ejpd.admin.ch/dam/data/ejpd/aktuell/news/2015/2015-12-11/vertrag-marrakesch-d.pdf). Das ist nur zum Teil richtig. Tatsächlich überlässt Marrakesch Art 4,5 die Regelung der Vergütung dem jeweiligen nationalen Recht. Warum will die WIPO nun einen Kompromiss?

Gegen den EU-Vorschlag protestierte in einer Stellungnahme für den BMJV z.B. die Allianz deutscher Produzenten – Film & Fernsehen e.V. auch mit Berufung auf entsprechende praktikable Regelungen für § 45a (https://www.bmjv.de/SharedDocs/Gesetzgebungsverfahren/Stellungnahmen/2016/Downloads/11012016_Stellungnahme_PA_EU-Urheberrechtsreform.pdf?__blob=publicationFile&v=3). Im deutschen UrhR gilt die Vergütungsfreiheit für behinderte Menschen - allerdings nur für die Herstellung (Vervielfältigung und Verbreitung) „einzelner Vervielfältigungsstücke“ (§ 45a, Abs,2); ansonsten muss eine angemessene Vergütung bezahlt werden. In der aktuellen UrhR-Reform wird an § 45a Behinderte Menschen keine Änderung vorgeschlagen.

Ich hoffe sehr, dass IFLA, EBLIDA und damit auch der dbv mit ihrer Kritik an dieser Vergütungspflichtigkeit standhaft bleiben und Erfolg damit haben werden. Leider hatte der dbv in seiner Stellungnahme zum RefE (UrhrWiss) des BMJV nicht auf eine Reform von § 45a gedrängt. Ist wohl übersehen worden.

RK


Am 16.05.17 um 12:03 schrieb Talke, Armin via InetBib:
Liebe Liste,

Die Umsetzung des Marrakesh-Treaty (Internationaler Vertrag für Werk-Kopien für Sehbehinderte) 
in der EU hat einen Sprung nach vorn getan: Im "Trilog" zwischen Vertretern des 
Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission wurde jetzt ein Kompromissvorschlag 
erarbeitet, der nun dem Rechtsausschuss und dann dem Plenum des Parlaments vorgelegt wird.
Der Marrakesh-Treaty ist die erste internationale Vereinbarung, in der urheberrechtliche Ausnahmeregeln (sog. Schranken) als 
bindend für alle WIPO (World Intellectual Property Organization)-Mitgliedstaaten eingeführt hat. Er könnte damit 
auch ein Vorbild für Abkommen über international bindende Bibliotheks-Ausnahmen sein, die ebenfalls Gegenstand von 
(lang) andauernden WIPO-Verhandlungen sind und grenzüberschreitende Services (z.B. Webdienste, Kopienversanddienste) 
betreffen. Der dbv ist dort als "Official Observer" präsent. Um in den 189 WIPO-Mitgliedstaaten unmittelbar 
wirksam zu werden, müssen die Regeln dort in innerstaatliches Recht umgesetzt werden. In der EU erfolgt die Umsetzung durch 
eine Richtlinie und eine Verordnung.
Der Marrakesh-Treaty sieht vor, dass bestimmte autorisierte Einrichtungen, darunter auch 
Bibliotheken, auf Bestellung Kopien ihrer Bestände in Blindenschrift(en) herstellen und 
weltweit grenzüberschreitend verschicken dürfen. Da der internationale vertrag an einigen 
Stellen Spielraum lässt, gibt es bei einzelnen Punkten bei der EU-Umsetzung Diskussionen.

Der Kompromissvorschlag sieht nun vor,

-          dass vor der Blindenschrift-Kopie und deren Versand nicht vorab 
überprüft werden muss, ob ein entsprechendes gewerbliches (Verlags-) angebot 
existiert. Ein solcher Verlagsvorbehalt war von einigen Mitgliedstaaten (u.a. 
Deutschland) im Rat gefordert worden

-          dass die Ausnahmeregelung vergütungspflichtig ist. Die Vergütungspflicht 
für die Schranken-Nutzung ist in Deutschland üblich, in anderen EU-Staaten jedoch nicht.

Weitere Infos zum Marrakesh-Treaty:
http://www.eblida.org/news/eu-compromise-on-marrakesh-treaty-directive-comes-with-a-sting-in-the-tail.html

Infos zur Mai-Session des WIPO-SCCR (Standing Committee on Copyright and Related 
Rights), u.a. zu den Ausnahmen für Bibliotheken und Archiven:

-          CHAIR'S INFORMAL CHART ON LIMITATIONS AND EXCEPTIONS FOR LIBRARIES 
AND ARCHIVES: 
http://www.wipo.int/edocs/mdocs/copyright/en/sccr_33/sccr_33_chart_on_libraries_and_archives.pdf

-          Summary by the Chair: 
http://www.wipo.int/edocs/mdocs/copyright/en/sccr_34/sccr_34_ref_summary_by_the_chair.pdf

-          Stellungnahme für den dbv (am 3. Mai): 
https://medialibrarycopyright.com/



Die Verhandlungen gingen diesmal nicht wirklich voran, aber das Thema soll auch weiter 
auf der Agenda bleiben. Ob am Ende ein bindender Vertrag (wie Marrakesh) oder nur nicht 
bindende Instrumente (wie z.B. Modellgesetze oder eine Datenbank der einschlägigen 
Schrankenregeln aller Länder)herauskommt, ist offen.


viele Grüße

Armin Talke

  ________________________________________
Armin Talke, LL.M.
dbv-Rechtskommission
Fachreferent für Politikwissenschaft / Referent für Rechtsfragen der Benutzung
Wissenschaftlicher Dienst
Staatsbibliothek zu Berlin - Preußischer Kulturbesitz

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--
Prof. Dr. Rainer Kuhlen
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University of Konstanz, Germany
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