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Re: [InetBib] Professionalisierung durch Identitätsverzicht?
- Date: Mon, 13 Mar 2017 17:22:38 +0100
- From: markus schnalke via InetBib <inetbib@xxxxxxxxxx>
- Subject: Re: [InetBib] Professionalisierung durch Identitätsverzicht?
[2017-03-10 10:37] Winfried Gödert via InetBib <inetbib@xxxxxxxxxx>
Liebe Listenleser,
in dieser Woche bot diese Liste für einen in die Jahre gekommenen Freund
informationeller Professionalisierung ein eigenartiges Schauspiel.
Vordergründig wurde ein Frage- und Antwortspiel zu Themen aller Art in
einem dem Zeitgeist entsprechenden Format geboten, AmA genannt. Also
eigentlich nichts, das nicht im Rahmen des Listengeschehens üblich wäre.
Oder ist eine vermutlich unfreundliche Beschreibung zutreffender? Die
liest sich so. Ein sich selbst als partiell nicht wissend bezeichnender
Mensch wird von Menschen mit Fragen, also ebenfalls nicht wissenden,
gebeten, Stellung zu diesen Fragen zu beziehen. Eine inhaltliche
Grenzziehung ist dabei nicht sichtbar, soll es in dem Format nicht
geben. Wir können aber beobachten, dass der fachliche Bezug der Liste
eben doch für eine Konzentration auf professionelle Fragen sorgt, sogar
auf Fragen, die in vorherigen Zeiten Kernfragen professionellen Wissens
waren. In jüngeren (schon wieder verflossenen?) Zeiten sollte
Schwarmintelligenz das Mittel der Wahl für ihre Beantwortung sein. Nun
erwartet man die Antworten wieder von einem Einzelnen - einem Orakel,
einem Guru, einem Weisen? Nein, viel zeitgeistiger - einem Informatiker.
Welches Bild des professionellen Selbstverständnisses dürfen wir daraus
gewinnen? Eines zur Stärkung der Professionalisierung und der so häufig
beschworenen Informationskompetenz? Folgen Information Professionals nun
der Empfehlung: Hast du ein Informationsproblem, frage einen
Informatiker? Gäbe es für diese Antwort auch eine legitimierende Frage?
Wenn mir Fragen zum Bibliothekswesen gestellt werden, dann glaube
ich nicht, dass jemand erwartet, dass ich die Loesungen fuer die
Probleme haette. Man ist doch viel eher an meiner
(Aussenseiter-)Sicht der Dinge interessiert. Auf diese Weise sind
die bisherigen Fragen jedenfalls gestellt worden. Man hat meine
Sicht erfragt, nicht aber um Loesungen fuer die Kernprobleme des
Bibliothekswesens gebeten.
Diese AMA-Session wird keine Diskussionen ersetzen, sie kann nur
Inspiration fuer solche sein. Ich finde es gut, darauf hinzuweisen,
dass es einen ``professionellen Diskurs'' (oder wie Sie das nennen)
geben muss, aber ich sehe keinen Grund weshalb die AMA-Session
dafuer nicht zutraeglich sein sollte.
Im Gegenteil, es ist wertvoll verschiedene Sichten auf das gleiche
Problem kennenzulernen, um darauf aufbauend eine stabilere eigene
Meinung bilden zu koennen. Wenn man nun die Moeglichkeit hat, eine
fremde, sonst eher schwer erfahrbare Meinung zu erfragen, dann
spricht sicher nichts dagegen, es zu tun. Wie man anschliessend
damit umgeht, das ist eine andere Sache.
Vielleicht habe ich aber die Andeutungen Ihrer Ausfuehrung auch
nicht ganz verstanden.
Ihre Beobachtung fand ich jedenfalls interessant. Ob sie nun
zutreffend ist oder nicht, finde ich weniger relevant als dass
sie mir eine interessante Betrachtung der Lage ermoeglicht hat.
So kommt man voran. Danke dafuer.
markus
P.S.
Dass ich ein Informatiker bin, ist uebrigens recht egal. Es war
nun halt zufaellig ein Informatiker der die erste AMA-Session
auf Inetbib gestartet hat. :-)
Listeninformationen unter http://www.inetbib.de.