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[InetBib] Referentenentwurf UrhWissG Sammlungen für den religiösen Gebrauch - nur während religiöser Feierlichkeiten?
- Date: Mon, 13 Feb 2017 09:19:31 +0000
- From: "Wuensch, Martin via InetBib" <inetbib@xxxxxxxxxx>
- Subject: [InetBib] Referentenentwurf UrhWissG Sammlungen für den religiösen Gebrauch - nur während religiöser Feierlichkeiten?
Liebe Alle,
ich beziehe zur Zeit in der informellen Gemeinschaft religionspädagogischer
Bibliothekare und Bibliothekarinnen Stellung zu § 46 aus dem Referentenentwurf
des Gesetzes zur Angleichung des Urheberrechts an die aktuellen Erfordernisse
der Wissensgesellschaft (Urheberrechts-Wissensgesellschafts-Gesetz - UrhWissG)
aus dem Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz und möchte Sie
darüber informieren.
a. Die im Referentenentwurf [1] stattfindende Streichung des legaldefinierten
Begriffs Kirche im Sinne einer besonderen Ausprägung von
Religionsgesellschaften als Körperschaften des öffentlichen Rechtes nach Art.
140 GG wird zugunsten eines Neutralitätsgebots in Bezug auf eine Neudefinition
von religiösen Anwendergruppen vorgenommen. Gesetzlich erlaubte Nutzungen von
Sammlungen für den religiösen Gebrauch (statt Sammlungen für den
Kirchen(gebrauch)) regelt § 46 UrhG-E neu durch Änderung, indem in § 46 Abs. 1
Satz 1 UrhG-E die Anwendungsbestimmung "für den Kirchengebrauch" durch den
"Gebrauch während religiöser Feierlichkeiten" ersetzt wird.
b. Die Unbestimmtheit von "religiöser Feierlichkeit" ist offensichtlich. Es
mangelt an einer Legaldefinition. Die ersatzweise Hereinnahme des Begriffs
"religiösen Gebrauch" (bereits zu finden in § 46 UrhG-E in der Überschrift und
in § 62 UrhG-E Änderungsverbot, dort in Abs. 4 Satz 1 ) für die Bestimmung
gesetzlich erlaubter Nutzungsumstände würde andere Probleme bergen.
aa. Eine mögliche Anwendungsbestimmung unter Zuhilfenahme von "religiösen
Gebrauchs" impliziert neben der Institutionen- auch nun auf neue Art
hinzukommend die Personenebene. Diese (Einzel-)Personenebene kollidiert jedoch
mit der Norm "Niemand ist verpflichtet, seine religiöse Überzeugung zu
offenbaren." (Art 140 GG). Würde eine Schrankennutzung nach § 46 Abs. 1 Satz 1
UrhG-E gegenüber einer Einzelperson geprüft werden, müsse diese Person ihre
religiöse Überzeugung offenbaren, wenn die gesetzlich erlaubte Nutzung nicht
aus einer wissenschaftlichen Forschung (§ 60c Abs. 2 UrhG-E) oder aus einem
Handeln im Sinne von § 60b UrhG-E besteht. Ein hilfsweises Ausweichen in diesem
Falle nach §§ 60c oder 60b UrhG-E ist aber nicht in jedem Fall möglich. Für die
"wissenschaftliche Forschung" gibt es jedoch in § 60c UrhG-E nähere
Bestimmungen. Ein Ähnliches gibt es für den "religiösen Gebrauch" an sich
nicht. Für den Wissenschaftsbereich gälte dasselbe Dilemma, bestünde die dort
absurde Norm, das niemand verpflichtet sei, seine wissenschaftliche Überzeugung
zu offenbaren.
c. Die im Referentenentwurf herangezogene Rechtsquelle InfoSoc-RL 2001/29/EG
Art. 5 Abs. 3 lit. g verwendet hingegen der Begriff "religiöse
Veranstaltungen". Damit sind Legitimationsszenarien in Kollision mit Art. 140
GG ausgeschlossen. Der Begriff "religiöser Gebrauch" kann hingegen unstreitig -
wie im Referentenentwurf genutzt - zur Bestimmung von Schutzgegenständen (hier
"Sammlungen für den religiösen Gebrauch" § 46 UrhG-E) bestehen. Zur Vermeidung
von kollisionsrechtlichen Konflikten, wenn durch Auslandsberührung verschiedene
Rechtsordnungen aufeinandertreffen (kollidieren), ist die Übernahme des
Begriffs aus InfoSoc-RL 2001/29/EG Art. 5 Abs. 3 lit. g geboten.
d. Eine weitere Argumentationslinie gegen die begriffliche Einengung auf
"religiöse Feierlichkeiten" möge hier vorgestellt werden. "[...] (D)er Staat
(erkennt) die Kirchen als Institutionen mit dem Recht der Selbstbestimmung an,
die ihrem Wesen nach unabhängig vom Staat sind und ihre Gewalt nicht von ihm
herleiten. Die Folge ist, dass der Staat in ihre inneren Verhältnisse nicht
eingreifen darf." aus: BVerfG, 17.02.1965 - 1 BvR 732/64
http://opinioiuris.de/entscheidung/1384. Siehe auch vom 12.09.2008 2 BvR 717/08
http://www.bverfg.de/e/rk20081209_2bvr071708.html
aa. Der Referentenentwurf vollzöge mit dem Hernehmen einer gesonderten Handlung
- "religiösen Feierlichkeiten" in § 46 Abs. 1 Satz 1 UrhG-E - aus dem
Selbstbestimmungsbereich von Religionsgesellschaften als Körperschaften des
öffentlichen Rechtes (vgl. Art. 140 GG -
https://dejure.org/gesetze/GG/140.html) einen Eingriff in die inneren
Verhältnisse dieser Religionsgesellschaften. Diese staatliche Fremdbestimmung
legt neue Konfliktpunkte an. "Niemand darf zu einer kirchlichen Handlung oder
Feierlichkeit oder zur Teilnahme an religiösen Übungen oder zur Benutzung einer
religiösen Eidesform gezwungen werden." (Art. 140 darin Art 136 WRV Abs. 4)
Mitglieder der Religionsgesellschaften, die keinen religiösen Feierlichkeiten
beiwohnen möchten, aber ansonsten in den Religionsgesellschaften Mitglied sind,
werden hiermit von Staatsrecht wegen benachteiligt.
e. Es ist demnach angebracht, die Übernahme des Begriffs aus InfoSoc-RL
2001/29/EG Art. 5 Abs. 3 lit. g "religiöse Veranstaltungen" vorzunehmen. Ein
weiterer Begriffsvorschlag findet sich in den Veranstaltungsgesetzen der
österreichischen Bundesländer: "Veranstaltungen zur Religionsausübung"
f. Ein Anwendungsbeispiel ist m.E. die Verwendung von Sammlungen in Chorproben.
Diese sind keine religiösen Feierlichkeiten aber auch kein Unterricht an
Schulen. Über den Begriff "während" ist stellvertretend, weil semantisch
näherstehend, zu "in" ausgiebig im Zusammenhang mit dem Unterricht in Schulen
gestritten worden. "Während" ist sogar näher bestimmend. Deshalb hat der
Referentenentwurf das "in" gegen das "des" getauscht. Es geht nun um Handlungen
zur Veranschaulichung "des" Unterrichts. "Die Veranschaulichung kann 'im'
Unterricht erfolgen, aber auch davor oder danach. Daher erfasst die Vorschrift
zum einen auch die Vor- und Nachbereitung der eigentlichen Unterrichtsstunden
und zum anderen auch die Prüfungsaufgaben und Prüfungsleistungen, die im
Verlauf und zum Abschluss des Unterrichts erstellt werden, sowie die Vor- und
Nachbereitung von Prüfungen." (Referentenentwurf S. 35) Unter den Tatbestand
"während Veranstaltungen zur Religionsausübung" würden auch Chorproben fallen.
[1]
https://www.hrk.de/fileadmin/redaktion/hrk/02-Dokumente/Referenten_Entwurf_UrhG.pdf
Mit freundlichem Gruß von
Martin Wünsch
Leiter Zentrale Dienste Information - Dokumentation - Bibliothek
Comenius-Institut - Evangelische Arbeitsstätte für Erziehungswissenschaft e.V.
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