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[InetBib] Referentenentwurf UrhWissG - Nicht alle Forschungseinrichtungen dürfen auch ihren Bestand restaurieren
- Date: Mon, 13 Feb 2017 06:41:16 +0000
- From: "Wuensch, Martin via InetBib" <inetbib@xxxxxxxxxx>
- Subject: [InetBib] Referentenentwurf UrhWissG - Nicht alle Forschungseinrichtungen dürfen auch ihren Bestand restaurieren
Liebe Alle,
auf Seite 2 der 53-seitigen PDF-Fassung des Referentenentwurfs [1] spricht die
zweite Aufzählung (zweiter Halbgeviertstrich) die "unterschiedlichste(n)
Anwender" an, die eine Verbesserung in Sachen Auffindbarkeit und
Verständlichkeit erfahren. Auf derselben Seite wird in Kapitel B. in der ersten
Aufzählung ausgesagt, dass mit der Reform "jede Anwendergruppe" künftig seinen
eigenen Tatbestand finden wird und dazu konkrete Angaben zu Art und Umfang der
gesetzlich erlaubten Nutzungen erfährt. "Die Reform verfolgt das Ziel, dass
künftig jede Nutzergruppe auf eine Vorschrift zugreifen kann, die möglichst
präzise Art und Umfang der erlaubten Nutzungen bestimmt." (ebd. S. 18) Die
Regulierungsmethode der Wahl war im Referentenentwurf die einer möglichst
eindeutigen Normsetzung.
Dieser Regulierungsmethode folgend sind - unter Bedingungen gestellt -
folgende Einrichtungen: Bibliotheken, Archive, Museen und
Bildungseinrichtungen. Nicht genannt sind Forschungseinrichtungen, obwohl
Forschungseinrichtungen doch zum Kern des Anwendungsbereichs des vorliegenden
Gesetzes gehören. Die Annahme, dass jede Forschungseinrichtung sich doch
mindestens wahlweise eine Bibliothek, ein Archiv, ein Museum oder eine
Bildungseinrichtung zu eigen gemacht hat, müsste noch bewiesen werden.
Sind Forschungseinrichtungen allein schon durch EU-Recht ausgeschlossen? In den
Erwägungen der Gründe (Nr. 42) in der InfoSoc-RL 2001/29/EG steht: "Bei
Anwendung der Ausnahme oder Beschränkung für nicht kommerzielle
Unterrichtszwecke und nicht kommerzielle wissenschaftliche Forschungszwecke
einschließlich Fernunterricht sollte die nicht kommerzielle Art der
betreffenden Tätigkeit durch diese Tätigkeit als solche bestimmt sein." Nun
weiß man, dass wissenschaftliche Forschungszwecke auch den
Forschungseinrichtungen zugesprochen werden können. Außerdem nennt die Erwägung
Nr. 34 (ebd.) eine nicht abschließende Beispielsammlung für begünstigte Teile
des Unterrichtswesens und der Wissenschaftsinfrastruktur über die Formulierung
"zugunsten öffentlicher Einrichtungen wie Bibliotheken und Archive [...]".
Bibliotheken (§ 60e UrhG-E) dürfen nach § 60e UrhG-E Abs. 2 nicht an
Forschungseinrichtungen, sondern nur aufgrund des Verweises auf § 60f UrhG-E an
privilegierte Einrichtungen [2] verbreiten und dies nur zum Zwecke der
Restaurierung. "Diese Weitergabe [von Ersatzmaterial für die Ergänzung eines
beschädigten Werks] wiederum greift in das Verbreitungsrecht (§ 17 UrhG) des
Rechtsinhabers ein, weshalb Absatz 2 Satz 1 [von § 60e UrhG-E] diese
zweckgebundene Verbreitung erlaubt." Das Verbreitungsprivileg gilt nur für den
Fall, wenn diese Forschungseinrichtungen im Sinne eines Betriebsteils
Bibliotheken, Archive, Museen oder Bildungseinrichtungen besitzen. Für nicht
privilegierte Forschungseinrichtungen könnten - vorbehaltlich des rechtlichen
Erfolgs - dienstvertragliche Mitnutzungen von Bibliotheken, Archive, Museen
oder Bildungseinrichtungen hilfsweise die Privilegierung des § 60e UrhG-E Abs.
2 einholen.
Eine Restaurierung dient dazu, das Werk vor dem Untergang zu bewahren. Sind die
zu restaurierenden Werke zunächst im (ggf. nicht öffentlichen) Bestand eines
(ggf. kommerziellen) Archivs, eines Museums, einer Bildungseinrichtung oder
einer Forschungseinrichtung, muss zuerst die Übereignung an den Bestand einer
öffentlich zugänglichen Bibliothek, die keine unmittelbaren oder mittelbaren
kommerziellen Zwecke verfolgt, sattfinden. Dieses kann natürlich auch die
eigene Bibliothek der vorgenannten Archive, Museen, Bildungseinrichtungen oder
Forschungseinrichtungen sein, wenn diese Bibliothek die Legaldefinition nach §
60e UrhG-E erfüllt. Erst dann kann die Verbreitung zur Restaurierung, wie
vorstehend genannt, gesetzlich erlaubt erfolgen.
Diese umständlichen Wege könnten vermieden werden, wenn Forschungseinrichtungen
in den Kreis der privilegierten Einrichtungen [2] aufgenommen werden, also in
die Aufzählung von öffentlichen Bibliotheken, Archiven, Einrichtungen im
Bereich des Film- oder Tonerbes, öffentlich zugängliche Museen, frühkindliche
Bildungseinrichtungen, Schulen, Hochschulen sowie Einrichtungen der
Berufsbildung oder der sonstigen Aus- und Weiterbildung, die (allesamt) keine
unmittelbaren oder mittelbaren kommerziellen Zwecke verfolgen.
Im Übrigen sind für die Restaurierung auch digitale Objekte nicht
ausgeschlossen. Im Referentenentwurf wird zwar auf Seite 43 zu § 60e Abs. 2 die
Ergänzung eines beschädigten Werks angesprochen. Vorstellbar ist jedoch auch
die aus dem Hauptzweck der Restaurierung abzuleitende Kombination. Damit ist
die Verbindung der Bestandserhaltung mit der Verstetigung der
Zugriffsermöglichung gemeint. Der Hauptzweck der Restaurierung bezieht also die
Migration in ein fortlebendes digitales Format und somit das rechtzeitige
Verlassen eines untergehenden digitalen Formats ein. Die analoge Handlung, die
"formatwandelnden Änderungen bei der Langzeitarchivierung eines Werkes"
(Referentenentwurf S. 29) nach § 23 Satz 3 UrhG-E ist die diesbezügliche
Vervielfältigung "für Zwecke der [...] Erhaltung und Restaurierung" (§ 60e Abs.
1 UrhG-E) nur Bibliotheken, Archiven und Einrichtungen im Bereich des Film-
oder Tonerbes vorbehalten.
[1]
https://www.hrk.de/fileadmin/redaktion/hrk/02-Dokumente/Referenten_Entwurf_UrhG.pdf
[2] Privilegierte Einrichtungen: Öffentlichen Bibliotheken, Archiven,
Einrichtungen im Bereich des Film- oder Tonerbes, öffentlich zugängliche
Museen, frühkindliche Bildungseinrichtungen, Schulen, Hochschulen sowie
Einrichtungen der Berufsbildung oder der sonstigen Aus- und Weiterbildung, die
(allesamt) keine unmittelbaren oder mittelbaren kommerziellen Zwecke verfolgen.
Mit herzlichen Grüßen von
Martin Wünsch
Leiter Zentrale Dienste Information - Dokumentation - Bibliothek
Comenius-Institut - Evangelische Arbeitsstätte für Erziehungswissenschaft e.V.
Schreiberstraße 12 | D-48149 Münster
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