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[InetBib] Referentenentwurf UrhWissG - Nicht alle Forschungseinrichtungen dürfen auch ihren Bestand restaurieren



Liebe Alle,

auf Seite 2 der 53-seitigen PDF-Fassung des Referentenentwurfs [1] spricht die 
zweite Aufzählung (zweiter Halbgeviertstrich) die "unterschiedlichste(n) 
Anwender" an, die eine Verbesserung in Sachen Auffindbarkeit und 
Verständlichkeit erfahren. Auf derselben Seite wird in Kapitel B. in der ersten 
Aufzählung ausgesagt, dass mit der Reform "jede Anwendergruppe" künftig seinen 
eigenen Tatbestand finden wird und dazu konkrete Angaben zu Art und Umfang der 
gesetzlich erlaubten Nutzungen erfährt. "Die Reform verfolgt das Ziel, dass 
künftig jede Nutzergruppe auf eine Vorschrift zugreifen kann, die möglichst 
präzise Art und Umfang der erlaubten Nutzungen bestimmt." (ebd. S. 18) Die 
Regulierungsmethode der Wahl war im Referentenentwurf die einer möglichst 
eindeutigen Normsetzung.
Dieser Regulierungsmethode folgend sind - unter Bedingungen gestellt -  
folgende Einrichtungen: Bibliotheken, Archive, Museen und 
Bildungseinrichtungen. Nicht genannt sind Forschungseinrichtungen, obwohl 
Forschungseinrichtungen doch zum Kern des Anwendungsbereichs des vorliegenden 
Gesetzes gehören. Die Annahme, dass jede Forschungseinrichtung sich doch 
mindestens wahlweise eine Bibliothek, ein Archiv, ein Museum oder eine 
Bildungseinrichtung zu eigen gemacht hat, müsste noch bewiesen werden.

Sind Forschungseinrichtungen allein schon durch EU-Recht ausgeschlossen? In den 
Erwägungen der Gründe (Nr. 42) in der InfoSoc-RL 2001/29/EG steht: "Bei 
Anwendung der Ausnahme oder Beschränkung für nicht kommerzielle 
Unterrichtszwecke und nicht kommerzielle wissenschaftliche Forschungszwecke 
einschließlich Fernunterricht sollte die nicht kommerzielle Art der 
betreffenden Tätigkeit durch diese Tätigkeit als solche bestimmt sein." Nun 
weiß man, dass wissenschaftliche Forschungszwecke auch den 
Forschungseinrichtungen zugesprochen werden können. Außerdem nennt die Erwägung 
Nr. 34 (ebd.) eine nicht abschließende Beispielsammlung für begünstigte Teile 
des Unterrichtswesens und der Wissenschaftsinfrastruktur über die Formulierung 
"zugunsten öffentlicher Einrichtungen wie Bibliotheken und Archive [...]".

Bibliotheken (§ 60e UrhG-E) dürfen nach § 60e UrhG-E Abs. 2 nicht an 
Forschungseinrichtungen, sondern nur aufgrund des Verweises auf § 60f UrhG-E an 
privilegierte Einrichtungen [2] verbreiten und dies nur zum Zwecke der 
Restaurierung. "Diese Weitergabe [von Ersatzmaterial für die Ergänzung eines 
beschädigten Werks] wiederum greift in das Verbreitungsrecht (§ 17 UrhG) des 
Rechtsinhabers ein, weshalb Absatz 2 Satz 1 [von § 60e UrhG-E] diese 
zweckgebundene Verbreitung erlaubt." Das Verbreitungsprivileg gilt nur für den 
Fall, wenn diese Forschungseinrichtungen im Sinne eines Betriebsteils 
Bibliotheken, Archive, Museen oder Bildungseinrichtungen besitzen. Für nicht 
privilegierte Forschungseinrichtungen könnten - vorbehaltlich des rechtlichen 
Erfolgs - dienstvertragliche Mitnutzungen von Bibliotheken, Archive, Museen 
oder Bildungseinrichtungen hilfsweise die Privilegierung des § 60e UrhG-E Abs. 
2 einholen. 

Eine Restaurierung dient dazu, das Werk vor dem Untergang zu bewahren. Sind die 
zu restaurierenden Werke zunächst im (ggf. nicht öffentlichen) Bestand eines 
(ggf. kommerziellen) Archivs, eines Museums, einer Bildungseinrichtung oder 
einer Forschungseinrichtung, muss zuerst die Übereignung an den Bestand einer 
öffentlich zugänglichen Bibliothek, die keine unmittelbaren oder mittelbaren 
kommerziellen Zwecke verfolgt, sattfinden. Dieses kann natürlich auch die 
eigene Bibliothek der vorgenannten Archive, Museen, Bildungseinrichtungen oder 
Forschungseinrichtungen sein, wenn diese Bibliothek die Legaldefinition nach § 
60e UrhG-E erfüllt. Erst dann kann die Verbreitung zur Restaurierung, wie 
vorstehend genannt, gesetzlich erlaubt erfolgen. 

Diese umständlichen Wege könnten vermieden werden, wenn Forschungseinrichtungen 
in den Kreis der privilegierten Einrichtungen [2] aufgenommen werden, also in 
die Aufzählung von öffentlichen Bibliotheken, Archiven, Einrichtungen im 
Bereich des Film- oder Tonerbes, öffentlich zugängliche Museen, frühkindliche 
Bildungseinrichtungen, Schulen, Hochschulen sowie Einrichtungen der 
Berufsbildung oder der sonstigen Aus- und Weiterbildung, die (allesamt) keine 
unmittelbaren oder mittelbaren kommerziellen Zwecke verfolgen.

Im Übrigen sind für die Restaurierung auch digitale Objekte nicht 
ausgeschlossen. Im Referentenentwurf wird zwar auf Seite 43 zu § 60e Abs. 2 die 
Ergänzung eines beschädigten Werks angesprochen. Vorstellbar ist jedoch auch 
die aus dem Hauptzweck der Restaurierung abzuleitende Kombination. Damit ist 
die Verbindung der Bestandserhaltung mit der Verstetigung der 
Zugriffsermöglichung gemeint. Der Hauptzweck der Restaurierung bezieht also die 
Migration in ein fortlebendes digitales Format und somit das rechtzeitige 
Verlassen eines untergehenden digitalen Formats ein. Die analoge Handlung, die 
"formatwandelnden Änderungen bei der Langzeitarchivierung eines Werkes" 
(Referentenentwurf S. 29) nach § 23 Satz 3 UrhG-E ist die diesbezügliche 
Vervielfältigung "für Zwecke der [...] Erhaltung und Restaurierung" (§ 60e Abs. 
1 UrhG-E) nur Bibliotheken, Archiven und Einrichtungen im Bereich des Film- 
oder Tonerbes vorbehalten.


[1] 
https://www.hrk.de/fileadmin/redaktion/hrk/02-Dokumente/Referenten_Entwurf_UrhG.pdf
[2] Privilegierte Einrichtungen: Öffentlichen Bibliotheken, Archiven, 
Einrichtungen im Bereich des Film- oder Tonerbes, öffentlich zugängliche 
Museen, frühkindliche Bildungseinrichtungen, Schulen, Hochschulen sowie 
Einrichtungen der Berufsbildung oder der sonstigen Aus- und Weiterbildung, die 
(allesamt) keine unmittelbaren oder mittelbaren kommerziellen Zwecke verfolgen.

Mit herzlichen Grüßen von
Martin Wünsch
Leiter Zentrale Dienste Information - Dokumentation - Bibliothek 
Comenius-Institut - Evangelische Arbeitsstätte für Erziehungswissenschaft e.V.
Schreiberstraße 12 | D-48149 Münster
Tel: 0251 98 101 27 | Fax: 0251 98 101 50 
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