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[InetBib] Eine neue Erwartung die nicht enttäuscht werden sollte.
- Date: Mon, 23 Jan 2017 17:05:22 +0100
- From: Walther Umstaetter via InetBib <inetbib@xxxxxxxxxx>
- Subject: [InetBib] Eine neue Erwartung die nicht enttäuscht werden sollte.
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
bezüglich der viel diskutierten Bibliothekszukunft, ist es sicher eines
der wichtigsten Desiderate unserer Zeit, dass deutsche Bibliothekarinnen
und Bibliothekare in Richard David Lankes, "Erwarten Sie mehr" (Simon
Verlag für Bibliothekswissen 2016 - Open Password 22.1.2017) eine
Erklärung finden, warum sich das klassische Bibliothekswesen in die von
R. D. Lankes explizierte Richtung weiter entwickeln sollte. Dabei geht
es nicht darum, aus den klassischen Bibliotheken etwas völlig neues zu
machen. Ebenso wenig, um den Erhalt nostalgischer Büchersammlungen im
21. Jahrhundert. Es geht um ihre traditionell missionarische Tätigkeit
zur Volksbildung demokratischer Kommunen und zur modernen
Wissenschaftsgesellschaft. Ziel ist es: “creating a nation of informed
and active citizens”, auch wenn die Unterstützung der wachsenden Citizen
Science in diesem Buch noch nicht explizit erwähnt wird. Hinsichtlich
der Wahl von D. Trump in den USA wurde deutlich, wie dringend ein
solches Desiderat und bibliothekarisches Leitbild für die Globalisierung
unserer Gesellschaft geworden ist. Darum ist auch Andrew Carnegies
Statement: “There is not such a cradle of democracy upon the earth as
the Free Public Library, this republic of letters, where neither rank,
office, nor wealth receives the slightest consideration.” aktueller denn
je, wenn man berücksichtigt, dass die Bibliotheken von einst längst in
eine weltweite Digitale Bibliothek übergegangen sind.
Hobohms “Mehr von Bibliotheken erwarten?” bezieht Lankes mit Recht
darauf, das Leseförderung durch Bibliotheken nicht reicht. Es geht um
lebenslanges Lernen, darum neues Wissen gemeinsam zu kreieren, um
Talentförderung, Informationskompetenz, um kollaboratives Document
Editing, und die Moderation von Diskussionsforen. Zur klassischen Frage
am Help Desk, kam im laufe der Zeit das Pre Search Interview und die
„Kunst der Frage“ (www.ib.hu-berlin.de/~wumsta/pub75.html) hinzu, die
noch immer das alte Prinzip der Maieutik in sich birgt.
Die “skills in a knowledge economy” erinnern an A. von Harnack, der
schon 1921 die Bibliothekswissenschaft als “Nationalökonomie des
Geistes” verstand. Dem hat insbesondere die Lehre und Forschung der
Bibliotheks- und Informationswissenschaft Rechnung zu tragen. Im Sinne
Ranganathans “growing organism” muss die menschliche Gesellschaft in
ihrer Gesamtheit die Erzeugung neuen Wissens erleichtern und verbessern.
Wobei neues Wissen nur erzeugt werden kann, wenn man über das bereits
bekannte Wissen in der Digitalen Bibliothek verfügt.
Wie H.-C. Hobohm bereits richtig erkennt, ist der zentrale Satz: „Die
Mission einer Bibliothek ist die Verbesserung der Gesellschaft durch die
Förderung von Wissensgenerierung in der Community.“
Wir sollten daher bei der Definition der Bibliothek verdeutlichend
hinzufügen: Die Bibliothek ist eine Einrichtung, die unter
archivarischen, ökonomischen und synoptischen Gesichtspunkten
publizierte Information für die Benutzer sammelt, ordnet und verfügbar
macht, um die Schöpfung neuen Wissens zu erleichtern („facilitating
knowledge creation“).
Es geht dabei nicht nur um die Leseförderung, sondern um
“enlightenment”, also das was man in Deutschland seit Kant, Goethe,
Schiller etc. Aufklärung nennt – Sapere Aude. Auf der Basis dieses
Leitbildes („mission statement“) sollte es einen Konsens bei den
Bibliotheken dieser Welt geben, ganz im Sinne der New York Public
Library: “The mission of The New York Public Library is to inspire
lifelong learning, advance knowledge, and strengthen our communities.”
Hier wird also nicht das Rad neu erfunden, aber für deutsche Leser neu
beflügelt. Das deutsche Bibliothekswesen kennt insbesondere im Bereich
der Fachreferenten Spezialisten, die besonders geeignet sein sollten,
bei der Erzeugung neuen Wissens behilflich zu sein. Nachdem immer mehr
„Information Professionals ihr Können missbrauchen (Open Password
2.12.2016), ist insbesondere ihr Know How gefragt, gut begründetes
Wissen an die Stelle irreführender Informationen zu stellen.
MfG
Walther Umstätter
Listeninformationen unter http://www.inetbib.de.