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[InetBib] Eine neue Erwartung die nicht enttäuscht werden sollte.



Liebe Kolleginnen und Kollegen,

bezüglich der viel diskutierten Bibliothekszukunft, ist es sicher eines der wichtigsten Desiderate unserer Zeit, dass deutsche Bibliothekarinnen und Bibliothekare in Richard David Lankes, "Erwarten Sie mehr" (Simon Verlag für Bibliothekswissen 2016 - Open Password 22.1.2017) eine Erklärung finden, warum sich das klassische Bibliothekswesen in die von R. D. Lankes explizierte Richtung weiter entwickeln sollte. Dabei geht es nicht darum, aus den klassischen Bibliotheken etwas völlig neues zu machen. Ebenso wenig, um den Erhalt nostalgischer Büchersammlungen im 21. Jahrhundert. Es geht um ihre traditionell missionarische Tätigkeit zur Volksbildung demokratischer Kommunen und zur modernen Wissenschaftsgesellschaft. Ziel ist es: “creating a nation of informed and active citizens”, auch wenn die Unterstützung der wachsenden Citizen Science in diesem Buch noch nicht explizit erwähnt wird. Hinsichtlich der Wahl von D. Trump in den USA wurde deutlich, wie dringend ein solches Desiderat und bibliothekarisches Leitbild für die Globalisierung unserer Gesellschaft geworden ist. Darum ist auch Andrew Carnegies Statement: “There is not such a cradle of democracy upon the earth as the Free Public Library, this republic of letters, where neither rank, office, nor wealth receives the slightest consideration.” aktueller denn je, wenn man berücksichtigt, dass die Bibliotheken von einst längst in eine weltweite Digitale Bibliothek übergegangen sind.

Hobohms “Mehr von Bibliotheken erwarten?” bezieht Lankes mit Recht darauf, das Leseförderung durch Bibliotheken nicht reicht. Es geht um lebenslanges Lernen, darum neues Wissen gemeinsam zu kreieren, um Talentförderung, Informationskompetenz, um kollaboratives Document Editing, und die Moderation von Diskussionsforen. Zur klassischen Frage am Help Desk, kam im laufe der Zeit das Pre Search Interview und die „Kunst der Frage“ (www.ib.hu-berlin.de/~wumsta/pub75.html) hinzu, die noch immer das alte Prinzip der Maieutik in sich birgt.

Die “skills in a knowledge economy” erinnern an A. von Harnack, der schon 1921 die Bibliothekswissenschaft als “Nationalökonomie des Geistes” verstand. Dem hat insbesondere die Lehre und Forschung der Bibliotheks- und Informationswissenschaft Rechnung zu tragen. Im Sinne Ranganathans “growing organism” muss die menschliche Gesellschaft in ihrer Gesamtheit die Erzeugung neuen Wissens erleichtern und verbessern. Wobei neues Wissen nur erzeugt werden kann, wenn man über das bereits bekannte Wissen in der Digitalen Bibliothek verfügt.

Wie H.-C. Hobohm bereits richtig erkennt, ist der zentrale Satz: „Die Mission einer Bibliothek ist die Verbesserung der Gesellschaft durch die Förderung von Wissensgenerierung in der Community.“

Wir sollten daher bei der Definition der Bibliothek verdeutlichend hinzufügen: Die Bibliothek ist eine Einrichtung, die unter archivarischen, ökonomischen und synoptischen Gesichtspunkten publizierte Information für die Benutzer sammelt, ordnet und verfügbar macht, um die Schöpfung neuen Wissens zu erleichtern („facilitating knowledge creation“).

Es geht dabei nicht nur um die Leseförderung, sondern um “enlightenment”, also das was man in Deutschland seit Kant, Goethe, Schiller etc. Aufklärung nennt – Sapere Aude. Auf der Basis dieses Leitbildes („mission statement“) sollte es einen Konsens bei den Bibliotheken dieser Welt geben, ganz im Sinne der New York Public Library: “The mission of The New York Public Library is to inspire lifelong learning, advance knowledge, and strengthen our communities.” Hier wird also nicht das Rad neu erfunden, aber für deutsche Leser neu beflügelt. Das deutsche Bibliothekswesen kennt insbesondere im Bereich der Fachreferenten Spezialisten, die besonders geeignet sein sollten, bei der Erzeugung neuen Wissens behilflich zu sein. Nachdem immer mehr „Information Professionals ihr Können missbrauchen (Open Password 2.12.2016), ist insbesondere ihr Know How gefragt, gut begründetes Wissen an die Stelle irreführender Informationen zu stellen.

MfG
Walther Umstätter


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