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Re: [InetBib] Bibliothekskataloge werden kommerziell
- Date: Mon, 25 Apr 2016 07:57:55 +0200
- From: Tom Becker <tom.becker@xxxxxxxxxxx>
- Subject: Re: [InetBib] Bibliothekskataloge werden kommerziell
Liebe KollegInnen
auch wenn ich als BIB Vorstandsmitglied und gleichzeitiges Vorstandsmitglied in
der Lektoratskooperation sicher als ‚ethisch belastet‘ gelte, möchte ich auch
als Lehrender im Bestandsmanagement zumindest einige wenige Sätze zu Besagtem
schreiben:
1. Den Kaufbutton der Online einzuführen ist immer noch eine Entscheidung der
jew. Bibliothek bzw. der Kommune vor Ort (je nachdem, wie eng hier abgestimmt
werden muss).
2. Haben es sich ÖBs nicht ausgesucht, einen bestimmten Kostendeckungsgrad
erreichen zu müssen. Hier wird der Kaufbutton allerdings (so die bisherigen
Erfahrungen, aber da sind die mir vorliegenden Zahlen noch aus der
Anfangsphase) wenig zu beitragen - was sich nun vielleicht mit einem
erweiterten Titelangebot (hier tut sich gerade einiges, was die Bibliotheken
aber auch wieder einiges kosten wird, neue Lizenzen großer Verlage sind wohl
endlich im Kommen!) ändern könnte, ebenso marginal.
3. War es seitens der KritikerInnen ein (m.E. der wichtigste) Kritikpunkt, dass
bisher über den Kaufbutton lediglich sofortwelte.de angesteuert werden konnte,
dass ist ja nun anders. Mit geniallokal.de ist es erfreulicherweise gelungen,
zumindest ca 600 lokale unabhängige Buchhändler einzubinden (s.a.
https://www.genialokal.de/Ueber-uns/) - ein erster Schritt in die Richtung,
auch hier lokale Anbieter zu integrieren.
4. Ausleih- und Umsatzzahlen sind m.E. im Bereich des elektronischen
Bestandsmanagements noch relativ aussagelos, bzw. können bisher ungenügend bis
gar nicht mit denen der Printbestände (diese sind nach Systematiken oder IK,
der ebook-Bestand nach Kategorien 'aufgestellt‘) verglichen wären, hier mit
Begriffen der Portfolioanalyse zu argumentieren ist m.E. schwierig, am ehesten
auf Titelebene möglich, oder in den noch sehr heterogenen Kategorien der
Onleihe (wäre mal interessant - falls eine Bibliothek Interesse hat….).
Und letztendlich sollte - wie auch im Printbestand - jeder ‚arme Hund‘ im
Bestand unter bibliothekspolitischen Gesichtspunkten auf seine
Auslieh-Existenzberechtigung hinterfragt werden, bevor er ausgesondert wird,
wenn dies denn die Entscheidung ist. Formal ermittelte Daten generieren
Handlungsempfehlungen, die letztendlich reflektierte Entscheidung liegt beim
handelnden Subjekt, dem jew. Bestandsverantwortlichen….
Ein funktionierendes, integriertes und hybrides Bestandsmanagement lässt noch
auf sich warten (da gab es letzte Woche übrigens ein spannendes Seminar in dem
bösen Dorf in der Nähe von Stuttgart
(http://www.ekz.de/seminare-veranstaltungen/seminare/bestandsmanagement-in-der-hybriden-bibliothek/)
Die Lizenz zum Geld drucken würde ich so mancher öffentlichen Bibliothek
wünschen - nötig hätte jede sie, bei all den Aufgaben, die zu stemmen sind… Im
Kaufbutton sehe ich leider (!) hier nicht die Lösung, aber monetäres Kleinvieh
hilft ja auch weiter…
Und letztendlich - und dies missfällt mir immer sehr bei den ansonsten
bereichernden Polemiken der Kritiker - ist es ja Entscheidung der mündigen
Bürger*in, ob er oder sie den Kaufbutton aktiviert - und diese Mündigkeit
scheint mir diesem doch allzuoft von Kritikerseite abgesprochen zu werden.
MfG in die Woche
Ihr
Dr. Tom Becker
===
Professor für Medienmanagement und Medienvermittlung in Bibliotheken (FH)
TH Köln
Fakultät für Informations- und Kommunikationswissenschaften
Raum B5 431.A
Hausanschrift:
Claudiusstr. 1
D 50678 Köln
+49 221 8275 3495
Postanschrift:
Gustav-Heinemann-Ufer 54
D 50968 Köln
Am 24.04.2016 um 23:17 schrieb Philipp Maass <philipp-maass@xxxxxx>:
Hallo Herr Delin,
aus meiner Sicht eine Folge der extremen technischen Selbstkastration der
sich öffentliche Bibliotheken seit Jahrzehnten unterziehen. Sie sind gar
nicht in der Lage unabhängige Angebote selbst zu etablieren. Hinzu kommt die
ebenso zumindest ethisch fragwürdige Nähe der Bibliotheken, der Hochschulen
und damit auch Personen des Bibliothekswesens nach Reutlingen. So
verschwindet die Grenze zwischen Bibliotheksplattform und Verkaufsplattform
immer mehr. Schade. Ich finde es ethisch überhaupt nicht in Ordnung, auch
stellt sich die Frage ob nach kommerziellen Gesichtspunkten geranked wird um
mehr zu verkaufen. Diese Frage werden die öffentlichen Bibliotheken aber
nicht beantworten können da sie die Dienste nicht selbst anbieten und nicht
verstehen/durchdringen. Dafür gibts ne Provision für jedes verkaufte Buch,
Yeah! Am besten jetzt nur noch das in die Onleihe nehmen was sich prima
verkauft und die armen Hunde oder wie das heißt raus! Das ist die Lizenz zum
Geld drucken. Cash-Cow Bibliothek. :'(
Beste Grüße,
--
Philipp Maass
Listeninformationen unter http://www.inetbib.de.