Sehr geehrter Herr Professor Umstätter,
vielen Dank für Ihre faktenreiche Antwortmail. Sie sprechen eine
Zukunftsgefahr an, weil Privatverlage den Bibliotheken Aufgaben
wegnehmen.
Ich sehe eher die wissenschaftlichen Verlage langfristig in Not,
nicht nur wegen der dort stattfindenden Konzentration, was irgendwann
aus wettbewerblichen Gründen meines Erachtens eine binnenpluralistische
"demokratische" Struktur der entsprechenden Verlage verlangt oder einen
gesetzlich geregelten Zugang zu Verlagsangeboten und Verlagsleistungen,
wobei diese Regelungen international möglicherweise auch durch Verträge
zustande kommen könnte,
sondern vor allem wegen der Open Access-Bewegung und dem Aufkommen von
Eigenverlagen der wissenschaftlichen Bibliotheken, welche sicherlich
bei
dem angestrebten Erfolg eine langfristige Konkurrenz für die
etablierten
wissenschaftlich publizierenden Verlage sein werden. Die
Max-Planck-Gesellschaft will bekanntermaßen möglichst sämtliche
wissenschaftliche Publikationen in die open access- Wege leiten, was
bedeutet, dass die kommerziellen privaten Verlage wissenschaftliches
Publizieren irgendwann "abschreiben" können.
Wenn es also zwischen den Privatverlagen und den wissenschaftlichen
Bibliotheken eine Konkurrenz gibt, dann braucht man nicht sehr
pessimistisch zu sein als Bibliothekar. Entscheidend sind hier
natürlich
nicht nur die Kräfte des freien Marktes, sondern auch die
Positionierungen der öffentlichen Hand. Open Access geht bisher nur,
wenn öffentliches Geld dafür fließt. Und die Publikationsmodelle sind
bisher nicht kommerziell, was aber auch meines Erachtens durchaus noch
für manche Publikationsbereiche irgendwann kommen könnte.
Es geht um Marktanteile, denn je größer die Marktanteile sind, umso
mehr
sind Wissenschaftler geneigt, ihre Publikationen entsprechend zu
investieren, denn bei wissenschaftlichen Publikationen handelt es sich
um eine Investition in mannigfacher Hinsicht. Nicht zuletzt was das
Renommee eines Wissenschaftlers angeht. Je größer der
Verbreitungsbereich seiner Publikationen, und umso bedeutsamer zugleich
das Publikationsorgan im wissenschaftlichen Diskurs, umso bedeutender
sein bibliometrisch meßbarer beruflicher Erfolg.
Ich wollte dies nur mal in die Waagschale werfen, wenn man
Privatverlage
am "Gewinnen" und Bibliotheken "auf dem Rückzug" sieht. Je breiter
angelegt die open access- Bewegung ist, umso zukunftsfähiger ist dieser
"Markt" für Bibliotheken. Denn open access-Publikationen laufen über
die
Bibliotheken.
Jedoch kann einem schon einmal "Fracksaußen" passieren, als
Bibliothekar, wenn bei manchen internationalen im Wissenschaftsbereich
tätigen Verlagen gestandene ehemalige renommierte Generale und
Verteidigungsminister die Chefs der Anteilseigner sind. Sie wissen
sicher, welche Firma ich dabei meine ;-).
Viele Grüsse
Klaus Zehnder