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Re: [InetBib] Hinweis auf das DGI-Forum Wittenberg, 24.-26.09.2015 "True Fiction: Die Digitalisierung unseres Alltags"



Aus gegebenem Anlass, noch ein Gedanke zu dieser Thematik:

In der Zeit Online (www.zeit.de/digital/2015-07/netzpolitik-bundesgeneralanwalt-landesverrat) hieß es gestern, Netzpolitik.org werde seine Arbeit fortsetzen und begrüße „weiter Dokumente, die beweisen, wie unsere Geheimdienste, (...) ohne dass wir als Gesellschaft darüber diskutiert haben, das Internet zu einer globalen Totalüberwachungsmaschinerie mit anderen Geheimdiensten umgebaut hat."

Ich denke, dass wir über die „globalen Totalüberwachungsmaschinerie“, nicht wirklich diskutieren können, denn die will kein ernst zu nehmender demokratisch denkender Mensch. Was aber wirklich von Informationsspezialisten ernst diskutiert werden muss, ist die Frage, wie kann man die Informationsfreiheit im Internet sichern und in rechtlich korrekte Bahnen lenken. Dass das Internet in einem Rechtsstaat, ebenso wie alles Andere, kein rechtsfreier Raum sein kann, steht aus meiner Sicht außer Frage. Insofern muss diese Rechtsstaatlichkeit auch überwacht werden. Das betrifft neben der Informationsfreiheit, die Urheber-, Verwertungs- und Kopierrechte, die Transparenz, Beleidigungen aller Art, die gesetzlich geregelte Geheimhaltung und die Abwehr von unerlaubten Hackerangriffen gleichermaßen.

Das Problem dahinter ist, dass es sich viele Laien bisher zu einfach machten, mit der Ablehnung jeder geheimdienstlichen Überwachung, obwohl jeder weiß, dass es sich heute kein Staat mehr leisten kann, Angriffe aus dem Internet heraus nicht abzuwehren.

Natürlich ist die Problematik nicht einfach, weder bei der Frage, wie weit ein Geheimdienst in die Privatsphäre unbescholtener Bürger eingreifen darf, noch bei der Frage, welche Copyrights geschützt werden müssen oder dürfen, wenn Verlage beispielsweise Bibliotheken und Endnutzer im digitalen Bereich bereits weitgehend enteignen durften. Insofern sollten Informationsspezialisten entsprechend differenzierte Antworten auf solche brennenden Fragen zum Internet fundiert diskutieren – nicht zuletzt, um ihre Existenzberechtigung zu dokumentieren. Pikant ist natürlich auch, wenn ein Finanzminister darüber nachdenkt, einen Hackerangriff auf Steuerdaten des eigenen Landes zu planen (www.bild.de/politik/ausland/alexis-tsipras/gesteht-im-kreuzverhoehr-hacker-angriff-war-mein-befehl-42014602.bild.html).

Aus meiner Sicht beginnt das Problem schon mit der Frage, was von wem publiziert werden muss, werden sollte, nicht publik gemacht werden darf , etc. Man kann zwar darüber diskutieren, was warum einer Geheimhaltung (bzw. einer Transparenz) unterliegt, aber nicht darüber, ob gesetzlich geregelte Geheimnisse verraten werden dürfen. Insofern geht es bei der Publikation der oben genannten Verschlusssache im Prinzip darum, dass die beiden Journalisten deren legitime Vertraulichkeit anzweifeln, und sie ebenso in Frage stellen, wie es viele Gegner bei den vertraulichen und geheimen Informationen bei der NSA auch tun.

Im Gegensatz zu vielen Wissenschaftlern bin ich der Meinung, dass nicht zu viel publiziert wird, sondern dass durchschnittlich eine Publikation pro Jahr und Wissenschaftler eine sehr gute Rechenschaft dafür ist, was diese Experten beispielsweise mit den Steuergeldern leisten, die sie oft erhalten. Daran hat auch der Trend, dass heute oft fünf Wissenschaftler gemeinsam fünf Publikationen pro Jahr produzieren nichts grundsätzliches geändert.

Transparenz ist im Publikationsbereich im Prinzip eine Selbstverständlichkeit.

Auch wenn man Wissenschaftler nicht dazu zwingen kann ihre neusten Erkenntnisse zu veröffentlichen, denn sie allein tragen die Verantwortung für die Konsequenzen, so ist es beispielsweise moralisch zwingend, dass ein Arzt, der bei seinen Patienten nach der Einnahme eines Medikaments wiederholt Fälle von Suiziden beobachtet, dieses auch publik machen muss, um weiteres Leid zu vermeiden. Insofern bietet es sich heute auch zunehmend an, dass Selbsthilfegruppen in Citizen Science Gruppen umorganisiert werden sollten, denn im Prinzip ist z.B. jeder Träger eines Herzschrittmachers gewissermaßen ein Mensch mit einem Fachwissen, das nur er hat, so wie Ärzte grundsätzlich von den Erfahrungen ihrer Patienten leben. Es ist nicht neu, dass etliche Selbsthilfegruppen von Lobbyisten des medizinischen und pharmazeutischen Bereichs unterwandert sind, denn diese Organisationen können nicht nur sehr gefährlich werden, haben oft erhebliches Know How und lassen sich bei Krankenkassen in wichtige Pressure Groups umfunktionieren. Um so wichtiger wäre es, wenn sich Information Professionals einer sachgerechten Organisation entsprechender Citizen Science Groups und deren Publikationen annehmen würden, bevor entsprechendes Know How in der Geheimhaltung bestimmter Lobbyisten verschwindet.

In der Diskussion um mehr Transparenz kann es nur um den Bereich gehen, der publiziert werden muss, sollte oder kann.

MfG

Walther Umstätter


Am 2015-07-30 17:37, schrieb Walther Umstaetter:
Lieber Herr Weisel,

danke für diesen Hinweis. Leider kann ich selbst aus gesundheitlichen
Gründen nicht teilnehmen. Aber ich las im Programm:
http://dgi-info.de/programm-wittenberg-2015/) "Das Wort Transparenz"
erlebt seit gut 20 Jahren eine ungeheure Karriere im politischen
Diskurs (M. Schneider). Es verdeckt nach meiner Beobachtung als
Forderung die zunehmende Geheimhaltung in der Wissenschaft
(www.wissenschaftsforschung.de/JB13_77-91.pdf). Während also die
Privatheit (nicht zuletzt durch Dritte; R. Kuhlen) in der Digitalen
Welt einerseits schwindet, sich darum immer mehr Personen hinter
Pseudonymen verstecken, und uns täglich mehr Informationen aufgedrängt
werden, bleibt für uns wichtiges Wissen immer öfter im Verborgenen.
Allein schon die Geheimhaltung des Googlerankings, um Missbrauch der
Suchmaschine zu vermeiden, zeigt, wie unvermeidlich manche
Geheimhaltungen sind, und warum die Diskussion über einen “Open Web
Index” (D. Lewandowski) wirklich wichtig ist. Wir beobachten also eine
Disproportionierung der Transparenz, bei der die Sender ihre
Informationen verschenken und vervielfachen (meist als oder durch
(Eigen)Werbung finanziert), während der eigentliche Wettbewerb immer
mehr von der Geheimhaltung lebt. Schon allein die Tatsache, dass das
Internet mit Google den meisten Menschen kostenlos angeboten wird
zeigt, dass die digitale Welt nicht mehr so funktioniert, wie die
einst Papier zentrierte. Damals führte man u. a. das Peer Reviewing
ein, um die Zahl der gedruckten wissenschaftlichen Publikationen zu
begrenzen, auch wenn die eigentliche Qualitätskontrolle damals wie
heute noch immer ein Post Peer Reviewing ist, bei dem publizierte
Beiträge von neueren publizierten Beiträgen falsifiziert werden, wie
es K. Popper verstand.

Das Internet der Dinge, mit Industrie 4.0 bis hin zur
Schwarmintelligenz von Robotern, wird bald einen neue Transparenz
erfordern, in der uns Menschen die „Smart Services“ (R. Karger)
erklären müssen, wie sie zu welchen Entscheidungen gelangt sind. Eine
Forderung die schon vor vielen Jahren bei Expertensytemen diskutiert
wurde.

Aufgefallen ist mir natürlich der Satz: „Wenn aber a l l e s gewusst
wird, ist es kein Wissen mehr.“ Wissenschaftler lieben bekanntlich
solche Paradoxa, wie auch „True Fiction“. Insofern erinnert es
natürlich an große Denker, wie Sokrates (Ich weiß, dass ich nichts
weiß), Newton oder Goethe, die alle erkannten, dass sie mit jeder
neuen Erkenntnis auf ein noch größeres Meer der Unwissenheit blickten.
Nur Wagner, in Goethes Faust, glaubte noch, er könne eines Tages alles
wissen. ;-)

MfG

Walther Umstätter


Am 2015-07-16 18:52, schrieb Weisel, Luzian:
Sehr geehrte Mitlesende,

mit der Bitte um Entschuldigung für Doppelempfang,

zu Ihrer Information.

Mit freundlichen Grüßen

Luzian Weisel, Karlsruhe

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DGI-Forum Wittenberg, 24.-26.09.2015 "True Fiction: Die
Digitalisierung unseres Alltags"


Mit dem DGI-Forum Wittenberg vom 24. bis 26. September 2015  zum Thema
"True Fiction: Die Digitalisierung unseres Alltags" trägt die DGI der
gesellschaftlichen Verantwortung der Informationen Professionals
Rechnung, sich konstruktiv-kritisch mit den öffentlichen, privaten und
industriellen Entwicklungen des Informationszeitalters auseinander zu
setzen und mit ihrer spezifischen Expertise Impulse zu setzen.
 
Es erwarten Sie u.a. die folgenden spannenden Vorträge:

• Prof. Dr. Rainer Kuhlen wird in seinem Vortrag die vier
Regulierungsinstanzen Normen/Ethik, Recht, Markt, Technologie darauf
hin untersuchen, wie und mit welchen Folgen diese Instanzen zur
Eindämmung der direkten und indirekten Verletzung von Privatheit durch
Dritte beitragen.

• Dr. Michael Weber vom Projektträger beim DLR wird die aktuelle
Forschungsförderung des BMBF im Bereich IT-Systeme für Industrie 4.0
erläutern.

• Peter Schaar, Vorsitzender der Europäischen Akademie für
Informationsfreiheit und Datenschutz (EAID), erläutert, warum sich
Datenschutz im 21. Jahrhundert von der isolierten Betrachtung des
personenbezogenen Datums lösen und sich verstärkt systemischen
Lösungen zuwenden muss, in denen technische und rechtliche Komponenten
zusammenwirken.

• DGI-Präsident Reinhard Karger wird zeigen, dass die industrielle
Datenwirtschaft dieselbe methodische Ausrichtung hat wie die
Arbeitswelt der Information Professionals, nämlich die passgenaue
inhaltliche und terminliche Bereitstellung der relevanten Information
im jeweiligen Arbeitskontext.

• Jan-Martin Wiarda, langjähriger ZEIT-Redakteur und Pressechef der
Helmholtz-Gemeinschaft, berichtet von seinen Bemühungen, die
Öffentlichkeitsarbeit einer großen Forschungsorganisation neu
auszurichten und fragt, wie unabhängig und (selbst-)kritisch abhängige
Kommunikation tatsächlich sein kann.

• Der stellvertretende Chefredaktuer der ct’ Georg Schnurer untersucht
die Auswirkungen der meist freiwillig eingegangenen totalen Vernetzung
für den einzelnen Menschen.

• Mit dem Radiojournalisten Jan Rähm wollen wir dem Internet der Dinge
und seinen Auswirkungen auf die Spur kommen.

• Prof. Dr. Manfred Schneider erinnert in seinem Vortrag Untrue
Fiction daran, dass das Versprechen der Transparenz die abendländische
Geschichte begleitet.

• Mit Prof. Dr. Dirk Lewandowski wollen wir die Perspektiven eines
„Open Web Index“ erörtern, der als eine Infrastrukturmaßnahme gedacht
ist, die von allen zu fairen Bedingungen genutzt werden kann.

• Der Rechtsinformatiker Prof. Dr. Dr. Erich Schweighofer erläutert,
was bei der Datenanalyse aus rechtlicher Sicht zu beachten ist. Ein
wichtiger Aspekt ist dabei auch das „Recht auf Vergessenwerden“.

• Dr. Max Baumann nimmt sich der Verantwortung der Politik an. Das
„Recht auf informationelle Selbstbestimmung“, das der Leitvorstellung
autonomer Bürger folgt, gibt die Verantwortung für den Schutz der
Privatsphäre den Individuen, überfordert sie damit aber.

• Christoph Lauer, Entwickler des basisdemokratischen Konzepts der
Liquid Democracy bei der Piratenpartei, erläutert seine Erfahrungen
mit dem Agendasetting im Politikbetrieb.
 
Das komplette Programm und das Anmeldeformular finden Sie unter
www.dgi-info.de/events/dgi-forum-wittenberg-2015.

Gruppen von Studierenden und FaMI-Klassen erhalten besondere
Vergünstigungen und melden sich bitte direkt in der Geschäftsstelle
(mail@xxxxxxxxxxx).
 
Mit besten Grüßen


Marianne Arndt


Deutsche Gesellschaft für Information und Wissen e.V. (DGI)
Windmühlstraße 3
60329 Frankfurt am Main
Tel.: +49 (0)69 430313
E-Mail: arndt@xxxxxxxxxxx
URL: www.dgi-info.de
Blog: http://blog.dgi-info.de/
XING: https://www.xing.com/net/pric09051x/dgi
Twitter: DGIInfo


Save the dates:
24.-26. September 2015: DGI-Forum Wittenberg “True Fiction: Die
Digitalisierung unseres Alltags“
(http://dgi-info.de/events/dgi-forum-wittenberg-2015/)
12.-13. November 2015: DGI-Praxistage "Informationsvisualisierung –
Hype oder Trend"
http://dgi-info.de/events/2015-dgi-praxistage-visualisierung/
 
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FIZ Karlsruhe - Leibniz-Institut für Informationsinfrastruktur GmbH.
Sitz der Gesellschaft: Eggenstein-Leopoldshafen, Amtsgericht Mannheim
HRB 101892.
Geschäftsführerin: Sabine Brünger-Weilandt.
Vorsitzender des Aufsichtsrats: MinDirig Dr. Thomas Greiner.

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