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Re: [InetBib] Preisbindung für E-Books



Lieber Herr Umstätter, 

den Faust hat ja nicht der Goethe erfunden. Er hat das uralte Motiv ja auch nur 
in dem zu seiner Zeit populären Unterhaltungsformat verwertet.
Und als Informationsspezialistin und Ethnologin kann ich den Bibeltext auch als 
komprimiertes Datenformat einer jahrtausendelangen und sehr komplexen oralen 
Erzähung ansehen, welches eine andere Berufsgruppe seit hunderten von Jahren zu 
encodieren versucht.
Als Bibliothekarin sehe ich mich am ehesten als Verwalterin von Datenträgern, 
die es irgendwie hinbekommen muss, immer mehr verschiedene Formate für ihre 
Kunden lesbar vorzuhalten.

Ein schönes Wochenende und viele Grüße
--
Jana HaaseAm Friedrichshain 19 c10407 BerlinTel. 030 441 50 84



----- ursprüngliche Nachricht ---------

Subject: Re: [InetBib] Preisbindung für E-Books
Date: Do 30 Apr 2015 14:26:34 CEST
From: h0228kdm<h0228kdm@xxxxxxxxxxxxxxxx>
To: Internet in Bibliotheken&lt;inetbib@xxxxxxxxxxxxxxxxxx&gt;

„natürlich sind eBooks Bücher."
Ebenso wie Bücher der Oberbegriff von eBooks und pBooks sind, ist 
„Frauen“ der Oberbegriff von Ehe- und Nebenfrauen. Darum ist dieser 
Vergleich wirklich schräg. Für Menschen, deren Spezialgebiet 
bibliothekarische Klassifikationen sind, dürfte das kein wirkliches 
Problem sein. Daran können auch juristische Tricks nichts ändern. Denn 
es ist auch unzweifelhaft, das Goethes Faust urheberrechtlich bei J. W. 
von Goethe bleibt, gleichgültig, ob er als Hörbuch, gedrucktes Buch, 
ASCII-Datei, PDF-Datei, als eBook oder in Stein gehauen erschienen ist, 
er ist von einem Urheber untrennbar als Buch konzipiert, und welcher 
Verlag welche Verwertungsrechte besitzt, ist zunächst zweitrangig. Es 
ist richtig, dass man den Faust auch verfilmen kann, und dass er dann 
nicht mehr als Buch, sondern als Film erscheint. Manchmal fragt man sich 
schon beim Theater, was da noch vom Faust übrig geblieben ist, aber das 
ist eine andere Frage, denn ein veränderter Text ist eine Verfälschung, 
und kann nur anhand des Originals überprüft werden. Darum war es von 
jeher Aufgabe der Bibliotheken, mit dazu beizutragen, dass Bücher, durch 
die Möglichkeit von Textvergleichen, möglichst authentisch erhalten 
bleiben. Ansonsten nennt man das dann künstlerische Freiheit, wenn 
Regisseure aus Faust ein Happening machen ;-) Die permanente 
Verwechslung von Urheber- mit Verwertungsrechten ist dabei sehr störend, 
auch wenn sie von einer gewissen Lobby verständlicherweise gewollt ist. 
Ansonsten erkennt man an dem enhanced Book, und daran, dass ein Buch, 
wie Goethes Faust beispielsweise als ASCII-Text plötzlich kein Buch mehr 
sein soll, dass die Verlagslobby hier schon recht gute Arbeit geleistet 
hat. Die ersten Digitalisierungen von Büchern, waren alle nur 
ASCII-Texte. Erst mit den Versuchen, die Bücher in elektronischer Form 
nicht mehr kopierbar zu machen, ihre Existenz also zu verknappen, und 
damit die Bibliotheken zu enteignen, kam das „enhanced“ mit ins Spiel. 
Denn im Prinzip kann man mit einem guten Retrieval- bzw. 
Textanalysesystem ein Buch als ASCII-Text viel besser analysieren und 
für die eigenen Belange aufbereiten, als es die e-Books ermöglichen.

Ich hätte gedacht, dass Informationsspezialisten auf diesen juristischen 
Trick mit der Dienstleistung bzw. Datei nicht hereinfallen. Wir wussten 
doch von Anfang an, dass eine Bibliografie als Datenbank auf einer Datei 
basiert, trotzdem bezeichnen noch etliche Verlage ihre Datenbanken als 
Bibliografien. Wir müssen klar unterscheiden zwischen der Information, 
die in einem System enthalten ist, und der Software, mit der wir diese 
Information analysieren bzw. aufbereiten. Beide haben eigene Autoren und 
eigene Urheber.

MfG

Walther Umstätter


Am 2015-04-30 07:54, schrieb Alexandra Jobmann:
Mmmmmh.

Rainer Kuhlen <rainer.kuhlen@xxxxxxxxxxxxxxx> wrote:

Sehe ich doch leicht anders - natürlich sind eBooks
Bücher.

Sind in Ihren Augen eBooks auch dann noch Bücher, wenn sie nur einen
geringen Teil Text enthalten und sonst Videos oder Audiofiles oder was
auch immer man sich noch vorstellen kann?
Ich dachte immer eBook steht für enhanced books und nicht für
electronic book.... Und das macht dann doch einen riesen Unterschied
aus und wir sind wieder dabei, eBooks als Dateien anzusehen.
Was sie meiner Meinung nach sind. Ein Textbook in ein PDF umzuwandeln
und online zu stellen macht für mich noch kein eBook aus. Und mit der
Buchpreisbindung für eBooks wird IMHO der jetzige Zustand dieses
Mediums
zementiert. Das sollten Informationsprofis eigentlich nicht 
unterstützen.

Viele Grüße
Alexandra Jobmann

--
Alexandra Jobmann
- Bibliotheksleiterin -
IPN - Leibniz-Institut für die
Pädagogik der Naturwissenschaften und Mathematik
Olshausenstr. 62
24118 Kiel
Tel.: 0431-880-3105

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http://www.inetbib.de

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