Am 17.04.2015 um 10:23 schrieb "Upmeier Arne Dr. TU Ilmenau"
<arne.upmeier@xxxxxxxxxxxxx>:
Liebe Frau Kustos,
ja, es geht bei dem gestrigen Urteil nur um Leseplätze in den Räumen der
Bibliothek, (leider) nicht um Hochschulzugriff oder Lernplattform. Und ja,
die Bibliothek darf dabei auf die jeweilige digitale Kopie so viele parallele
Zugriffe gewähren, wie Sie Printexemplare im Regal haben. Faktisch sollte das
nicht überbewertet werden: der Aufwand, ein Buch, das man sowieso hat, zu
digitalisieren, um es dann ausschließlich als zusätzliches "digitales
Präsenzexemplar" zu nutzen, muss sorgfältig abgewogen werden. Neu ist, dass
dieses zusätzliche Präsenzexemplar in gleichem Umfang ausgedruckt und kopiert
werden darf, wie das bei dem papierenen Bruder auch der Fall ist.
Spannend ist Ihre Frage nach Booktex. Bei Booktex geht es zunächst um etwas
anderes, nämlich die Verwendung von kleinen Teilen von Büchern oder einzelnen
Aufsätzen in digitalen Semesterapparaten (Lernplattformen). Im Gesetz (§ 52a
UrhG) steht, dass die Verwendung nur erlaubt ist, wenn die Verwendung zum
Zweck "geboten" ist. Der BGH hatte dazu früher geurteilt, dass eine solche
"Gebotenheit" nicht gegeben sei, wenn es irgendwo angemessene Verlagsangebote
zur Lizenz der Texte gibt. Ein solches Angebot macht Booktex. Faktisch hat
die BGH-Rechtsprechung aber dazu geführt, dass alle Dozenten, die einen Text
in einem Seminar anbieten wollten, erst umfangreiche Internet-Recherchen
anstellen müssen, ob es irgendwo ein Angebot wie eben Booktex gibt. Dann muss
der Dozent - wie auch immer - bewerten, ob dieses Angebot auch "angemessen"
ist. Erst nach dieser Prüfung ist der gewünschte Text mit Angaben zum Kurs
und dessen Teilnehmerzahl an die VG Wort zu melden und erst dann darf er
tatsächlich im Seminar verwendet werden. Wie praxisfern das ist, lasse ich an
dieser Stelle lieber unkommentiert...
Zurück zu §52b (=Leseplätze) und dem aktuellen Urteil: hier hatte
insbesondere der EuGH gesagt - und der BGH ist dem nun gefolgt -, dass
einseitige Verlagsangebote die Anwendung der Norm nicht aushebeln dürfen. Das
ist aber im Prinzip genau die gleiche Konstellation wie bei den
Verlagsangeboten zu § 52a UrhG, die eben auch einseitig die Anwendung der
Norm aushebeln. Wir Juristen werden nun also - auch mit Blick auf die
angekündigte Wissenschaftsschranke - verstärkt die Köpfe rauchen lassen, ob
die neue BGH-Entscheidung zu § 52b auch auf den praktisch viel wichtigeren §
52a UrhG und damit auf Booktex etc. durchschlägt. Hier müssen wir aber noch
die genauere Begründung zum gestrigen Urteil abwarten.
Beste Grüße!
Arne Upmeier
-----Ursprüngliche Nachricht-----
Von: Inetbib [mailto:inetbib-bounces@xxxxxxxxxxxxxxxxxx] Im Auftrag von
Annette Kustos
Gesendet: Donnerstag, 16. April 2015 22:07
An: Internet in Bibliotheken
Betreff: Re: [InetBib] BGH-Entscheidung: Zur Zulässigkeit elektronischer
Leseplätze in Bibliotheken
Lieber Herr Dr. Upmeier,
Ich gehe sicher richtig davon aus, dass damit nicht Hochschulzugriff oder die
Lernplattfom gemeint sind, sondern der einzelne Leseplatz "in" der
Bibliothek, dazu noch bezogen auf die Anzahl der gekauften Exemplare der
Bibliothek.
Dennoch wäre doch damit auch das Geschäftsmodell von Anbietern wie Booktex
dahingehend erledigt, dass die Bibliothek nur dann nicht mehr digitalisieren
darf, wenn sie bereits einen Vertrag hat (man begucke seine E-Bookpakete),
aber unabhängig von der Existenz von digitalen Angeboten?
Es lebe die Vertagsfreiheit :-) ??
Freundliche Grüße
A. kustos
Am 16.04.2015 um 17:26 schrieb "Upmeier Arne Dr. TU Ilmenau"
<arne.upmeier@xxxxxxxxxxxxx>:
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
zur Einordnung: Dies ist ein großer Sieg der Bibliotheken vor dem BGH. Die
Rechtsauffassung des dbv wurde voll (!) bestätigt. Der BGH hat festgestellt,
dass es erlaubt ist:
1.) Bücher die eine Bibliothek im Bestand hat, zu digitalisieren, um
sie
2.) an Leseplätzen in den Räumen der Bibliothek ihren Nutzern zur Verfügung
zu stellen.
3.) Im gleichen Umfang wie bei gedruckten Büchern (kleine Teile) darf
ausgedruckt und auch auf USB-Sticks gespeichert werden.
4.) Selbst angemessene Lizenzangebote der Verlage hindern diese Rechte der
Bibliotheken nicht.
Ein großer Dank an die ULB Darmstadt, die diesen Erfolg für die deutschen
Bibliotheken durchgefochten hat!
Fröhliche Grüße,
Arne Upmeier
---
Dr. Arne Upmeier
Universitätsbibliothek Ilmenau
Dezernent Benutzung
Fachreferent für Politik, Recht und Wirtschaft Langewiesener Straße 37
98693 Ilmenau
Tel.: 03677/69-4534
-----Ursprüngliche Nachricht-----
Von: Inetbib [mailto:inetbib-bounces@xxxxxxxxxxxxxxxxxx] Im Auftrag
von Niemeyer, Ralf
Gesendet: Donnerstag, 16. April 2015 16:55
An: 'Internet in Bibliotheken'
Betreff: [InetBib] BGH-Entscheidung: Zur Zulässigkeit elektronischer
Leseplätze in Bibliotheken
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
soeben wurde die Pressemitteilung Nr. 64/15 vom 16.04.2015 zu o.g.
BGH-Entscheidung veröffentlicht.
Sie finden Sie unter:
http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?G
ericht=bgh&Art=pm&Datum=2015&Sort=3&nr=70808&pos=0&anz=64
Mit freundlichen Grüßen
--
i.A.
Ralf Niemeyer
Sachgebietsleitung Benutzung
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