Lieber Herr Rohde,
vielen Dank für diesen mutigen Ansatz, für Autisten im Allgemeinen und sich
selbst im Speziellen zu werben.
Abgesehen von SAP und anderen Unternehmen mit IT-Schwerpunkt, hat auch die
Verkehrsbetriebe Hamburg-Holstein AG im letzten Jahr erkannt, dass
autistische Arbeitnehmer einen großen Gewinn darstellen können:
https://blog.vhhbus.de/2014/11/10/was-hat-die-vhh-mit-dem-a-team-zu-tun/#more-1006
Leider überwiegt jedoch noch immer das Klischee "Rain Man" wenn man an
Autisten denkt und vielen ist nicht bekannt, dass es ein autistisches
Spektrum mit unterschiedlich starker Beeinträchtigung gibt.
Insbesondere hochfunktionale Autisten, oder Menschen mit dem
Asperger-Syndrom, sind häufig Spezialisten in ihrem Interessen- und
Fähigkeitenbereich und gehen fachlich in ihrer Arbeit auf.
Im Rahmen meines Studiums im Bibliotheks- und Informationsmanagement an der
Hochschule für angewandte Wissenschaften in Hamburg, schrieb ich im letzten
Jahr meine Bachelorarbeit über das Thema /"Bibliotheksmitarbeiter aus dem
Autismus-Spektrum - Bedeutung für das Arbeitsumfeld und Entwicklung von
allgemeinen Handlungsempfehlungen für Führungskräfte und Mitarbeiter"/.
Die Arbeit geht auf die Fragen ein inwiefern Bibliotheken einen attraktiven
Arbeitsplatz für Autisten bieten können und warum die Beschäftigung von
Autisten zugleich ein Gewinn für die Bibliothek darstellen kann. Auch die
Fragestellung, wie das Arbeitsumfeld in Bibliotheken entsprechend der
Bedürfnisse autistischer Personen gestaltet werden kann, damit beide Seiten
einen Mehrwert aus dieser Beschäftigung ziehen, wird thematisiert. Anhand
von Handlungsempfehlungen wurden Hilfestellungen für die tägliche Arbeit mit
autistischen Kolleginnen und Kollegen erstellt (Da die Arbeit noch nicht
über OPUS verfügbar ist, kann bei Interesse das PDF gerne über mich
angefordert werden).
Bibliotheken sind auf jeden Fall ein interessanter Berufszweig für viele
Autisten und es gibt bereits deutschlandweit und auch international
autistische Arbeitnehmer in den unterschiedlichsten Positionen und mit den
unterschiedlichsten Aufgaben.
Ich wünsche Ihnen, dass Sie eine Bibliothek finden, in der die Kollegen Sie
so schätzen lernen wie Sie sind und in der Sie Ihre Fähigkeiten voll
einbringen können.
Mit freundlichen Grüßen
Sabrina Reincke
Am 24.01.2015 um 13:05 schrieb Rohde Bernd Martin:
"Autisten bei SAP: Super-Talente mit Überraschungseffekt.
SAP sucht Autisten: Der Software-Konzern will bis 2020 Hunderte von ihnen
als Spezialisten einstellen. Der Schritt könnte beispielhaft für andere
Unternehmen sein, birgt aber auch Risiken."
schrieb Spiegel Online im Mai 2013
(http://www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/sap-stellt-autisten-ein-a-901090.html)
Entgegen jener Darstellung sind nicht alle Autisten auch gleich
IT-Spezialisten. Und in Ihrer Bibliothek können Sie sicherlich nicht
hunderte Autisten einstellen. Jedoch einen vollausgebildeten Bibliothekar
mit zwei Hochschulabschlüssen und über zehn Jahren Berufspraxis in einer
grossen Schweizer Bibliothek, in den Bereichen Katalogisierung, Erwerbung,
Auskunft und Schulung: mich!
Autistische Menschen haben, im Gegensatz zu neurotypischen Menschen (NTs)
einige neurologisch bedingte Besonderheiten. Darunter:
- einen besonders hohen Bezug zu Details und Perfektion:
http://log.netbib.de/archives/2012/08/23/datenqualitat-bei-google-digitalisaten
- eine Präferenz zur Mustererkennung:
http://lists.ddb.de/pipermail/rak-list/2014-March/002213.html
Autistische Menschen haben aber auch ein ihre neurotypischen Mitmenschen
manchmal irritierendes Verhalten. Bedingt durch ihre mitunter befremdliche
bis gar verletzende Offenheit und Ehrlichkeit, ihre hohe Wahrheitsliebe und
ihr ausgeprägtes Gerechtigkeitsempfinden, sowie ihre mangelhafte kognitive
Empathie (Mind-blindness), den verringerten Blickkontakt zu Mitmenschen, der
fehlenden Fähigkeit, Reize zu filtern und die eigenartige Verwendung bzw.
das Verstehen von Sprache.
Das Asperger-Syndrom, eine Form der Autismus-Spektrum-Störung, ist "kein
Systemfehler, sondern einfach ein anderes Betriebssystem", wie es in einem
Slogan heisst. Es ist unheilbar und wird formell zu den psychischen
Behinderungen gezählt. Ich selbst war nie auf Inklusionsmassnahmen wie eine
spezielle Betreuungsperson oder reguläre Nachteilsausgleiche angewiesen,
habe meine Schul- und Hochschulausbildung, meinen Zivildienst und meine
bisherige berufliche Tätigkeit zwar nicht problemlos aber erfolgreich
absolviert. Wie vielen anderen Autisten merkt man mir meine Andersartigkeit
im Alltag kaum an:
http://asperger-autismus.ch/du-bist-autist-wirklich-bist-du-sicher-das-kann-doch-nicht-sein.
Mein Verhalten und meine Reaktionen sind in den meisten Alltagsituationen
neurotypisch-angepasst. Ansonsten liegen sie im üblichen Rahmen der
autistischen Reaktionsmuster (inkl. Overloads, Shutdowns und Meltdowns) und
sind damit leicht vorhersehbar bzw. interpretierbar. Vorwiegend fallen meine
als Komorbidität vorliegenden Tics auf.
Grundsätzlich gilt für eine erfolgreiche Integration und anhaltende
Leistungsfähigkeit von autistischen Mitarbeitern jedoch das, was im
Wikipedia-Artikel über das Asperger-Syndrom steht. Sie "hängt sowohl von den
Menschen, mit denen der Autist zusammenarbeiten muss, besonders den
Vorgesetzten, als auch von den bereitgestellten Arbeitsbedingungen ab."
Hieran hat es zum Schluss meiner bisherigen langjährigen Tätigkeit gemangelt
und ich wünsche mir ein Beschäftigung, wo meine Stärken voll zum Tragen
kommen können, sowie einen Arbeitgeber, der gerne von seinem etwas
besonderen Mitarbeiter profitieren möchte und weiss wie. Autistische
Mitarbeiter können, unter den richtigen Voraussetzungen, enorme Leistungen
vollbringen, wie das Beispiel des promovierten Geophysikers Peter Schmidt
zeigt:
http://www.faz.net/aktuell/wissen/mensch-gene/asperger-syndrom-ein-autist-in-der-arbeitswelt-13345066.html
Noch nicht ganz überzeugt? Wie wäre es dann mit den 50 positiven
Charaktereigenschaften von Menschen mit Asperger-Syndrom?
http://asperger-autismus.ch/50-positive-charaktereigenschaften-von-menschen-mit-asperger-syndrom
Oder fragen sie jemanden, der mit Autisten zusammengearbeitet hat. Ihnen
wird bestätigt werden, dass, wer sich auf das Anderssein von autistischen
Mitmenschen bewusst einlässt, zwar nicht von Problemen verschont werden
wird, jedoch sehr viel lernt und an der eigenen Persönlichkeit reift.
Für Inklusion/Integration zu sein, ist in der Theorie leicht, aber in der
Praxis? Sehr gerne schicke ich Ihnen meine Unterlagen (CV und Arbeits- sowie
Hochschulzeugnisse) zu. Falls notwendig, auch die Diagnose vom Juni 2013.
Für einen kurzen Überblick über meine Fähigkeiten und meinen Werdegang
bietet sich auch meine Website an - Link siehe unten.
Mit freundlichen Grüsse
Bernd Martin Rohde
--
http://www.inetbib.de